Bauwelt

St. Joseph`s Primary School


Starre Aufteilung variabler machen


Text: Schabel, Anna, London


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    Foto: David Grandorge

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Das junge Londoner Büro Pie Architects hat mit sorgfältigen Details und einfachen Materialien das ungeliebte Schulgebäude der St. Joseph’s Primary School in London aufgewertet und den Kindern neuen Raum zum Spielen und Forschen gegeben.
Man wird künftig mehr mit dem Bestand arbeiten müssen. Die konservative Regierung in England hat aufgrund der Wirtschaftskrise starke Kürzungen, auch im Bildungswesen, eingeführt. Das von Labour groß angelegte Programm „Building Schools for the Future“ wurde mitten im Lauf gestoppt. Michael Grove, der Bildungsminister, hat die Architekten bezichtigt, durch ihre Honorare öffentliche Gelder abzusahnen. Die Zeiten sind auch für englische Schulbaumeister nicht einfach.
Im Gegensatz dazu gab es in den sechziger und siebziger Jahren einen wahren Boom von Schulneubauten – ausgelöst durch die hohe Geburtenrate und geplant von der reformfreudigen Labour-Regierung. Die Gebäude sind bis heute Zeugnis jener optimistischen Zeit: Der allgemeine Fortschrittsglaube war noch ungebrochen, technische Neuheiten wurden gerne angenommen. Die leichten Rahmenbauten sollten ursprünglich oft nur zwanzig Jahre bestehen. Das Aussehen war eher zweitrangig.
Vergangene Standards
Ein typisches englisches Schulgebäude der siebziger Jahre – was sind eigentlich dessen bauliche Elemente? Ein kantiger Block, ein flaches Dach, sichtbares Ziegelmauerwerk zwischen den Betondeckenstreifen, Fensterbänder, niedrige Raumhöhen: billig gebaut, ungeliebt, aus der Mode gekommen. Auch bei der katholischen St. Joseph’s Primary School in Highgate im Norden Londons war das alte Gebäude nicht mehr auf dem neuesten Stand. Man wollte einen neuen Eingang für die jüngeren Klassen und gleichzeitig den Schulkindergarten mit ins Hauptgebäude aufnehmen. Pie Architects lösten die Aufgabe mit zwei kleinen Anbauten und einigen Veränderungen im Inneren. Das Ganze wurde mit einer Bausumme von 318.000 Pfund und dank des besonderen Engagements der jungen Architekten erreicht.
Pie Architects wurde vor zwei Jahren von Michael Corr und Fran Balaam gegründet. Sie hatten sich während ihrer Arbeit bei East Architects kennengelernt. Etwas von der Architekturlehre ihrer alten Chefs ist mit in die selbständige Praxis geflossen: eine besondere Aufgeschlossenheit für die Bedürfnisse der Nutzer, ein Gefühl für einfache Materialien und ein Gespür für geschickte räumliche Interventionen. Ein ehemaliger Bauherr, die Schulverwaltung von Islington, hatte Pie Architects weiterempfohlen. Die meisten Schulen in England werden von der örtlichen Gemeinde verwaltet. Für konfessionelle Schulen, die auch vom Staat finanziert werden, ist das anders. Sie erhalten viel größere Freiheiten, können ihr Budget und die Lerninhalte selbst bestimmen. Dadurch konnten die Architekten direkt und ohne Wettbewerb beauftragt werden. Die Empfehlung schaffte Vertrauen in das junge Team.
Die Schule liegt in einem Areal von Gärten, überragt von der Kupferkuppel der St.-Josephs-Kirche aus dem 19. Jahrhundert. Dahinter zieht sich der Hang nach Highgate hoch. Der Blick geht über das Whittington Krankenhaus, eines der größten Londons, und nach Süden über die Stadt.
Aufgrund der Hanglage betritt man die Schule von oben, während der zusätzliche neue Eingang auf der rückwärtigen Seite zu ebener Erde liegt. Die Südostfassade, an die sich die neue Architektur anfügt, ist die eigentliche Hauptfassade des Gebäudes, langgestreckt und zweigeschossig. Sie ist oberhalb des Erdgeschosses mit gehämmerten Betonplatten verkleidet. „Wenn man die Augen zusammenkneift, hat die Fassade doch ihre Qualitäten“, sagt Michael Corr. Und wirklich, wenn man die Plastikfenster und Kameras übersieht, hat das Gebäude durch seine einfachen Linien und hellen Farbtöne eine gewisse ruhige Präsenz.
Die beiden Anbauten stehen wie Objekte vor dieser Fassade – fast, aber nicht völlig symmetrisch. Sie nehmen das Thema Beton auf, richten sich auch nach der durchlaufenden Linie der Geschossdecke, aber sind doch etwas ganz Eigenes. Der helle Beton wurde zur Projektionsfläche für die Schattenspiele der umgebenden Bäume. Die schräg einfallende Sonne akzentuiert die Struktur, die die drei verschieden starken Schalungsbretter hinterlassen haben. Die Betonwände wurden vor Ort in einem Stück gegossen: 25 Zentimeter außen, 15 Zentimeter innen, mit 10 Zentimeter Dämmung dazwischen. Nur die Fensterlaibungen mussten nachgearbeitet werden. Innen ist der Beton mit einem atmungsaktiven Klarlack überzogen, um Abdrücke der Kinderhände abzuweisen. Auf Kinderhöhe sitzen blaugraue Stahlfenster in den tiefen Laibungen. Glas­dächer bringen zusätzlich Licht.
Auch der Hof mit Rampe und Betonbänken wurde mit in das Konzept einbezogen. Jetzt ist er von Stauden und Gräsern umgeben – der Hausmeister gärtnert gern. Ein Innenhof, eigentlich eine Restfläche, wurde mit Kunstrasen ausgelegt, ein neues Stegplattendach bietet Regenschutz, und so entstand ein zweiter Außenraum für die Kinder.
Städtebauentwurf Innenausbau
Innen zieht sich ein erbsengrüner Linoleumboden durch alle neu gestalteten Räume. Die Einbauten sind aus sorgfältig detailliertem Buchensperrholz gearbeitet. Statt der ursprüng­li­chen, abgetrennten Klassenzimmer und der übergroßen Gänge entstand eine Folge von verschieden nutzbaren Räumen. An einigen Stellen bieten Schiebetüren oder Fenster Gelegenheiten zur Variation. Die eingebauten Möbel wurden zusammen mit den Kindern entwickelt. Michael Corr sagt: „Wir sind an den Innenausbau wie an eine stadtplanerische Aufgabe herangegangen. Die alte Aufteilung haben wir als schlechten Städtebau gesehen und Elemente wie Wände und Räume, wie zum Beispiel Flure, entfernt, um anschließend neue Möbel hinzuzufügen.“
Und was sagen die Nutzer, die Kinder, dazu? Am besten gefällt ihnen die kleine Bühne, die sogar eine winzige Bühnentür besitzt. Ein Schiebeelement mit einer Zahnung von Kleiderhaken kann verwendet werden, um ein Zelt aufzuhängen, das ein Café oder im Winter die Höhle des Weihnachtsmanns darstellen kann. Schrankwände, Bücherregale, Bänke, Wasser- und Sandtröge lassen eine Landschaft entstehen, die zum Spielen und Lernen einlädt.
Für ein sehr geringes Budget haben Pie Architects die Schule besser nutzbar gemacht. Das existierende Gebäude wurde ergänzt, und dadurch wird es auch wieder mehr geschätzt. Eine neue Art, mit den Schulgebäuden der siebziger Jahre umzugehen? Auf alle Fälle ist es eine Lösung, die Ressourcen schont. Aber kann man Geld mit Kreativität aufwiegen? In diesem Fall wurde das Budget für den Umbau in maximale Qualität für die Schule umgesetzt. Es wird sich zeigen, wie sich die „Cuts“ im Schulwesen insgesamt auf das englische Bildungsniveau auswirken.



Fakten
Architekten Pie Architects, London
Adresse Highgate Hill London N19 5NE, United Kingdom


aus Bauwelt 46.2011
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