Bauwelt

Velo-Tunnel in Zürich


Die Verkehrswende ist im Gange, allerorten. In Zürich wurde nun ein Vorhaltebauwerk einer einst geplanten Stadtautobahn für den Radverkehr genutzt.


Text: Gabler, Christiane , Zürich


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    Dank der Umnutzung können Radfahrer nun das Gleisfeld des Zürcher Haupt­bahnhofs unterqueren.
    Foto: Beat Bühler

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    Dank der Umnutzung können Radfahrer nun das Gleisfeld des Zürcher Haupt­bahnhofs unterqueren.

    Foto: Beat Bühler

Die Geschichte des Ende Mai eröffneten neuen Stadttunnels für den Fahrradverkehr direkt unter dem Zürcher Hauptbahnhof begann bereits in den 1960er Jahren – damals allerdings unter dem Zeitgeist der „autogerechten Stadt“. Vor 60 Jahren sollten die A1 und die A3 mitten in der Stadt Zürich miteinander verbunden werden als sogenanntes Zürcher Ypsilon. Die Hochstraße über dem Fluss Sihl und ein Stück Autobahntunnel unter dem Zürcher Hauptbahnhof sind die realisierten Bruchstücke des Projekts, gegen das die Zürcher Bevölkerung in den vergangenen Jahrzehnten in mehreren Volksabstimmungen immer wieder intervenierte. Der Tunnelabschnitt unter den Gleisen war Ende der 1980er-Jahre als 75 Millionen Franken teure Vorabinvestition gebaut worden und lag seitdem im Rohbauzustand brach. Mit der Eröffnung der Westumfahrung und dem Uetlibergtunnel nach der Jahrtausendwende erübrigte sich eine Nationalstraßen-Zusammenführung mitten in der Stadt.
2011 lancierte der Verein Pro Velo des Kantons Zürich mit einer Petition erstmals die Idee der Nutzung der Röhre für eine neue Veloverbindung am Hauptbahnhof. Das gab den Anstoß für einen langwierigen Planungsprozess; zehn Jahre später wurde dann in einer Volksabstimmung der Kredit über rund 40 Millionen Franken für die Realisierung bewilligt. Nach vierjähriger anspruchsvoller Bauzeit unter laufendem Gleisbetrieb verbinden nun zwei neue Rampenanlagen den rund 440 Meter langen Tunnel mit dem oberirdischen Verkehrsnetz. Darüber hinaus wurde eine neue Velostation mit 1240 kostenlosen Fahrradabstellplätzen in das Tunnelrelikt integriert, von der aus man nun zu Fuß durch einen zusätzlichen Stichtunnel direkt zur Sihlquai-Passage auf die Bahnsteige des Hauptbahnhofs gelangen kann. Die Station wird nachts geschlossen, der Tunnel ist rund um die Uhr geöffnet – auch Leichtmotorfahrzeuge und Kleinmotorräder mit Elektroantrieb dürfen den Tunnel benutzen.
Das Zürcher Architekturbüro huggenbergerfries hatte die Aufgabe, der betonierten Rohheit der Tunnelanlage eine angenehme, Freundlichkeit und Sicherheit ausstrahlende Atmosphäre zu verleihen. Dies gelang durch zurückhaltende, präzise gesetzte Akzente, welche die verschiedenen Räumlichkeiten miteinander verbinden. Am augenfälligsten sind zunächst die lamellenartigen, großformatigen Deckensegel aus farbigem gekantetem Aluminium im Bereich der Fahrwege. Sie rhythmisieren den langgestreckten Raum und verdecken die technischen Installationen. Durch ihre Höhe erzeugen sie eine angenehme Raumproportion und bilden einen Rahmen für die dazwischenliegende Beleuchtung. Jede Lamelle hat wegen der unterschiedlichen Breiten des Tunnelrohbaus eine andere Geometrie. Beide Seiten der Lamellen erhielten eine andere Farbigkeit: Weiß zeigt die Fahrspur an, Nachtblau die benachbarte Spur für die entgegenkommenden Fahrräder. Da das Ursprungsprofil des Bauwerks auf die Befahrung durch Autos ausgerichtet war, wurde eine neue Betonwand zwischen der Velostation und dem Fahrweg erstellt. Die Ausführung des Betons in ihrem Schalungsbild nimmt die des Bestands auf und schafft somit eine homogene Hülle.
Im angrenzenden Veloparking sorgt eine monochrome Farbbehandlung der Decke und der Haustechnikinstallation in Nachtblau für eine Beruhigung des Raums, tief hängende Leuchten mindern die Raumhöhe optisch und sorgen für eine geradezu wohnliche Lichtstimmung. Farbige, stark kontrastierende Grafikelemente – insbesondere hier wiederum das Nachtblau und ein leuchtendes Neongrün – sorgen für Orientierung im unterirdischen Bereich und am Eingang der Rampen. Ergänzt wird in Kürze noch ein Parkleitsystem, das die freien Parkplätze anzeigen wird. Mithilfe künstlicher Intelligenz wird dieses ebenfalls überwachen, dass die Parkzeit von maximal 48 Stunden nicht überschritten wird.
Für die Stadt Zürich markiert die nun fertiggestellte neue Verbindung einen „historischen Moment“ für den Veloverkehr, seitens der Stadtpolitik wird das Prestigeprojekt als Symbol für die Verkehrswende gefeiert: Weitere Fahrradroutenprojekte im Anschluss an den Tunnel entlang der Sihl sind bereits lanciert.



Fakten
Architekten huggenbergerfries, Zürich
Adresse Sihlquai 12, 8005 Zürich, Schweiz


aus Bauwelt 15.2025
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