Bauwelt

Von der Bude zur Rendite

Smartment, Microliving, Community. Mit vielversprechenden Euphemismen bieten Investoren den suchenden Studierenden Wohnraum an. Ihren Anlegern versprechen sie gleichzeitig hohe Renditen. Was sind das für Gebäude, die diesem Spagat standhalten müssen?

Text: Josties, Daniel, Halle (Saale)

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    Gebäudemodell der drei geplanten Container-Zeilen.
    Grafik: EBA51

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    Gebäudemodell der drei geplanten Container-Zeilen.

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    Der erste Bauteil steht noch etwas verloren auf der ehemaligen Brachfläche
    Foto: George Meitner

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    Der erste Bauteil steht noch etwas verloren auf der ehemaligen Brachfläche

    Foto: George Meitner

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    Die Container werden vom Anbieter „cool“ eingerichtet.
    Foto: George Meitner

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    Die Container werden vom Anbieter „cool“ eingerichtet.

    Foto: George Meitner

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    Etwas Besonderes ist das „durchgesteckte“ Wohnen“ und zwei Ausrichtungen.
    Foto: George Meitner

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    Etwas Besonderes ist das „durchgesteckte“ Wohnen“ und zwei Ausrichtungen.

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    Der Erschließungstrakt kann als Freisitz genutzt werden.
    Foto: George Meitner

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    Der Erschließungstrakt kann als Freisitz genutzt werden.

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Von der Bude zur Rendite

Smartment, Microliving, Community. Mit vielversprechenden Euphemismen bieten Investoren den suchenden Studierenden Wohnraum an. Ihren Anlegern versprechen sie gleichzeitig hohe Renditen. Was sind das für Gebäude, die diesem Spagat standhalten müssen?

Text: Josties, Daniel, Halle (Saale)

Das Image von Studierendenwohnheimen ist schlecht. Lage, Wohnkonzept und Grundrisstypologie erscheinen oft nicht attraktiv. Zwar bemüht sich das Deutsche Studentenwerk um Verbesserung des Rufs und betont, „kleine Zimmer an langen Fluren und Gemeinschaftsduschen gehören mittlerweile vielerorts der Vergangenheit an.“ Doch Vorurteile lassen sich nur langsam abbauen. Für mich als Student an einer deutschen Hochschule ist die Vorstellung, in einem solchen Wohnheim unterzukommen, nicht besonders reizvoll. Es gilt noch immer als Übergangs- oder Notlösung. Oft greifen ausländische Studierende, die sich mit den hiesigen Gepflogenheiten der Wohnungssuche weniger auskennen, auf einen Wohnheimplatz zurück. Andere benötigen kurzfristig eine Unterkunft, müssen schnell reagieren und können sich erst später auf dem Wohnungsmarkt umsehen.
Für viele Kommilitonen scheint aber das Leben in der eigenen Wohnung verlockender. Laut einer Umfrage des Deutschen Studentenwerks von 2009 stellt die Wohngemeinschaft zwar noch immer die am weitesten verbreitete Wohnform dar (29 Prozent), jedoch lebten bereits 17 Prozent aller deutschen Studierenden allein in einer Wohnung. 13 Prozent belegten einen Wohnheimplatz der Studentenwerke, 21 Prozent lebten in einer Wohnung mit Partner oder Partnerin, 19 Prozent bei den Eltern. Lediglich ein Prozent wohnte zur Untermiete in privaten Haushalten.

Mehr Studierende

Mit der Verkürzung der Schulzeiten zum Erreichen des Abiturs und der Aufhebung der Wehrpflicht ist die Zahl der Studierenden in Deutschland, wie zu erwarten war, sprunghaft angestiegen. Es sind aber auch gesellschaftliche Tendenzen, die diese Entwicklung voran treiben: ein höherer Bildungsdruck auf junge Menschen und ein stetig wachsender Anteil von ausländischen Studierenden (2014 schrieben sich 107.000 ausländische Studierende neu ein, das entspricht einem Plus von 4,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr). Viele Hochschulen haben darauf reagiert, haben Bildungsangebote angepasst und Kapazitäten ausgebaut.
Am Wohnungsmarkt hingegen hat diese Entwicklung zu einer heute angespannten Lage beigetragen. Dies gilt nicht nur für die Metropolre-gionen, sondern auch für mittelgroße Hochschulstandorte wie Münster, Freiburg oder Tübingen. Die Studentenwerke haben die Zahl der geförderten Wohnheimplätze in der Summe nicht erhöht. Die Zahl der Studierenden ist im Bundesgebiet seit 1991 um rund 700.000 auf ca. 2,4 Millionen gestiegen (Stand 2014), die Anzahl der von den Studentenwerken bereitgestellten Wohnplätze ist um ca. 12 000 von 246.000 auf 234.000 leicht gesunken. In den alten Bundesländern wurde das Wohnangebot zwar ausgebaut, in den ostdeutschen Bundesländern wurden hingegen viele Mehrbettzimmer in Einzelzimmer umgewandelt, dadurch sank die Gesamtzahl der Wohnheimplätze hier deutlich von knapp 100.000 auf rund 40.000. Die Träger können heute knapp 10 Prozent der Studierenden einen Wohnplatz anbieten, dieser Wert lag 1991 noch bei 15 Prozent.
Die aktuelle Bautätigkeit der Studentenwerke stellt sich in den einzelnen Bundesländern ganz unterschiedlich dar. Während sich in Bremen und Berlin, in Sachsen-Anhalt und im Saarland kein einziger Wohnplatz im Bau befindet, plante Hamburg immerhin 400 neue Plätze. In Nordrhein-Westfalen hingegen befanden sich Anfang letzten Jahres 900 Plätze im Bau, 2214 waren in Planung. Damit steht das bevölkerungsreichste Bundesland an der Spitze. Die Hintergründe hierfür liegen laut Studentenwerk in den unterschiedlichen Subventionsprogrammen der Bundesländer. In vielen Ländern sei die Förderung von studentischem Wohnraum zurückgefahren worden. Diese Entwicklung kehre sich zwar langsam wieder um, ohne Förderung seien aber moderate Mieten kaum zu realisieren.

Mikroapartments für Multilokale

In diese Lücke stoßen seit ein paar Jahren Immobilienentwickler, die ihren Investoren hohe Renditen versprechen. In vielen Städten entstanden und entstehen Bauten, die eine Addition von Kleinstwohnungen sind: Apartments, oft nicht größer als 25 Quadratmeter, ausgestattet mit Duschkabine, Küchenzeile und möbliert.
Die zunächst anvisierte Zielgruppe der Studierenden hat sich schnell erweitert, als klar wurde, dass die Mikroapartments offensichtlich auch für Pendler, Berufsanfänger, generell für eine Klientel der „Multilokalen“, interessant zu sein scheinen. Es entstand die eigene „Assetklasse“ der Mi- kroapartments. Nicht nur Großkapitalanleger werden geworben, sondern auch Personen, die einzelne Wohnungen kaufen wollen. So rechnet der Anbieter Grundkontor Projekt für seine Marke „Campus Viva Berlin“ vor: Ein Apartment mit ca. 20 Quadratmetern koste 90.050 Euro. Bei einer voraussichtlichen Kaltmiete von 370 Euro sei eine Rendite von 5 Prozent zu erwarten. In dem Bereich zwischen 4 und 6 Prozent bewegen sich alle Renditeerwartungen der unterschiedlichen Anbieter.
Alle Mikroapartments werden möbliert vermietet, der Mietpreis schließt Nebenkosten, Ausstattung und Pauschale für Internet und Fernsehen ein und beträgt, je nach Lage, rund 400 Euro im Einstiegssegment. Alle befragten Anbieter schätzen kleinteiliges Wohnen weiterhin als Wachstumsmarkt ein. Viele von ihnen suchen gezielt nach Grundstücken, um neue Projekte zu entwickeln.

Neues Image

Mit welchen Konzepten werden die Gebäude beworben? Es finden sich verschiedene Akteure am Markt, mit im Detail unterschiedlichen Geschäftsmodellen. Einige Unternehmen gehen ausschließlich der Entwicklung, dem Bau und dem Betrieb solcher Gebäude nach, wie die Anbieter I-Live und Youniq. Meist existiert aber ein Unternehmen, welches sich mit Namen und Konzept an potenzielle Investoren richtet (Mercurius Real Estate, Kapitalpartner Konzept, Grundkontor Projekt und andere). Die Gebäude selbst werden als Marken lanciert, die der Zielgruppe angepasst sind (Green Four, The Fizz, Campus Viva). Sie werden mit entsprechender Sprache beworben („Study in Style“, „Living cum laude“, „All about you“) und erhalten ein Image, das ein bestimmtes Lebensgefühl transportieren soll. Oft entstehen eigene Webpräsenzen für einzelne Gebäude, auf denen die jeweiligen Vorzüge beschrieben sind: Welche Hochschule erreiche ich wie schnell? Welche Einkaufsmöglichkeiten habe ich? Welcher Club ist in der Nähe? Die Wohnungen selbst müssen also nicht allein durch Schnitt, Ausrichtung, Ausstattung und Bausubstanz ansprechen; die Mieter sollen sich mit dem Gebäude als Lifestyle-Produkt identifizieren können. Oft werden Zusatzangebote unterbreitet: Partys und Ausflüge, aber auch Conciergeservice, Fitnessangebote oder sogar gebäudeeigene Apps.

Architektur als Produkt

Was bedeutet dieses Geschäftsmodell für die Architektur? Welcher Spielraum bleibt für Gestaltung? Der Produktgedanke schlägt sich in den Fassadengestaltung nieder. Sie werden wie Budget-Hotels mit angeleuchteten Lettern gelabelt. Ebenso ist an der Fassade die kleinteilige innere Ordnung abzulesen. Diese unterliegt in erster Linie der Maximierung der Apartmentanzahl. Großzügige Gemeinschaftsflächen, städtebauliche Bezugnahme oder Nutzerdurchmischungen sind nur dann ein Thema, wenn sie als Verkaufsargument in das Konzept passen. Die von den Entwicklern gewollte Wiedererkennbarkeit bewegt sich am Rande des Austauschbaren und Belanglosen. Man sieht es den Gebäuden an, dass sie die Last der Renditeoptimierung tragen und voller Kompromisse stecken zwischen anspruchsvollem Lifestyleprodukt und Kostendeckelung. Diese Kompromisse einzugehen, ist sicher nicht per se verwerflich. Es lässt aber außer Acht, was diese Wohnstrukturen dem Stadtbild und ihrer jeweiligen Nachbarschaft hinzuzufügen haben. Welche Relevanz nehmen die Gebäude im Leben der Bewohnerinnen und Bewohner ein? Ist eine Identifikation möglich, so wie von den Anbietern suggeriert und gewollt? Oder erzeugt gerade das Angebot von durchgeplanten Gesamtpaketen für eine austauschbare Ware, für Beliebigkeit?

EBA51

In Berlin entsteht derzeit ein studentisches Wohnprojekt mit eigenwilligerem Charakter. Im Ortsteil Plänterwald errichtet die Presto 46. Vermögensverwaltung GmbH ein Containerdorf nach Entwürfen von Holzer Kobler. Auch bei diesem Projekt finden sich viele der Merkmale der Assetklasse Mikroapartments: zielgruppenorientiert gestaltet, unter eigenem Namen vermark-tet (EBA51 statt Eichbuschallee 51), eigene Website für die Kommunikation mit dem studentischen Publikum. Zuvor wurde ein Architekturwettbewerb ausgelobt (Bauwelt 14.2013). Mit dem bewusst „roughen“ Erscheinungsbild wird versucht, einen Ortsbezug zu Berlin herzustellen. Gleichzeitig könnte genau dieses Mehr an Mut dem Projekt zum Verhängnis werden. Der erste Bauabschnitt ist fertiggestellt und steht als rostige Containerburg relativ kontextfrei auf dem Baugrundstück zwischen zwei S-Bahn-Trassen. Von den Renderings, mit denen die Einmietung beworben wird, ist man noch weit entfernt, genauso wie von den Ausmaßen, die das Studentendorf einmal annehmen soll. Wird es gelingen, das Image Berlins, wo alles ein bisschen anders läuft, zu übertragen? Oder wecken die gestapelten Container nicht doch eher die Assoziation des Notdürftigen?

Etablierung

Die Anbieter von Mikroapartments vertrauen den Prognosen, dass die Nachfrage in diesem Segment stetig steigen wird. Wird sich diese Wohnform für Studierende etablieren? Vielleicht sind Mikroapartments auch nur eine weitere, nun etwas komfortablere Übergangslösung. Ohne öffentliche Förderung jedoch wird kein studentischer Wohnraum entstehen, der mehr ist als ein renditeorientiertes Anlageobjekt. Soll dieser Bereich privatwirtschaftlichen Interessen überlassen werden? Fühlen sich Studierende heutzutage vielleicht sogar wohl in der Rolle eines Konsumenten von Serviceprodukten, bis in das private Wohnen hinein? In ein Bildungssystem, in dem das Studium bis ins Detail hinein modularisiert, zeitlich eng getaktet und vorausgeplant ist, passt diese Art von Wohnprodukt jedenfalls. Ich möchte mir jedoch nicht die Frage stellen müssen, ob das schöne Bild vom Flohmarkt mit der Corporate Identity meines Vermieters vereinbar ist oder ob der Concierge wohl Hammer und Nagel für mich hätte.

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