Bauwelt

Neubau der Zentralbibliothek in Ulm


Während andere Städte in Zeiten leerer kommunaler Kassen eher mit der Schließung von Bibliotheken von sich redenmachen, eröffnete Ulm Ende April seine Zentralbibliothek.


Text: Paul, Jochen, München


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    Mit 35 Meter Höhe überragt die Pyramide das Rathaus. Das war den Ulmern egal, als sie sich 1998 gegen den im Wettbewerb erstplatzierten Riegel der Kölner Minkus + Wolf und auch gegen den 2. Preis des Stuttgarters Volker Kurrle zugunsten von Gottfried Böhms eigenwilligem Glashaus entschieden.
    Foto: Martin J. Duckek

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    Mit 35 Meter Höhe überragt die Pyramide das Rathaus. Das war den Ulmern egal, als sie sich 1998 gegen den im Wettbewerb erstplatzierten Riegel der Kölner Minkus + Wolf und auch gegen den 2. Preis des Stuttgarters Volker Kurrle zugunsten von Gottfried Böhms eigenwilligem Glashaus entschieden.

    Foto: Martin J. Duckek

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    Zur Eröffnung richteten sie dem Architekten eine Scha uim Ulmer Museum aus
    Foto: Martin J. Duckek

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    Zur Eröffnung richteten sie dem Architekten eine Scha uim Ulmer Museum aus

    Foto: Martin J. Duckek

Der Neubau war notwendig geworden, nachdem es die Stadtbibliothek bis 1998 auf einen Bestand von circa 310.000 so genannten Medieneinheiten gebracht hatte, von denen sie im Freihandbereich auf engstem Raum nur knapp ein Drittel aufstellen konnte. Der Rest musste in Kompaktmagazinen (Gleitregalsysteme) verwahrt werden, weshalb der Ulmer Gemeinderat beschloss, eine neue Zentral-bibliothek direkt neben dem Rathaus zu bauen. Der 1998 ausgelobte internationale Realisierungswettbewerb sah vor, auf etwa 3600 m2 Hauptnutzfläche einen Freihandbestand von etwa 220.000 Büchern, Videos und CD’s, die bisher separate Jugendbibliothek, eine neue Musikabteilung, 80 Arbeitsplätze mit Datenanschluss und 60 reine Bildschirmarbeitsplätze unterzubringen. Gewünscht war ein Solitär, der in dieser „herausgehobenen Lage im Stadtgrundriss“ – ein bis dato als Parkplatz genutzter Raumzwischen Vestgasse, Kronengasse und Postgasse – „das Thema ‚Bibliothek’ unverwechselbar gegenüber der umgebenden Altstadtbebauung“ darstellen sollte. Das ist dem Entwurf von Gottfried Böhm gelungen. Dabei war er seinerzeit nur auf den dritten Rang gekommen und hatte den Auftrag erst nach einer Überarbeitungsphase erhalten – begleitet von heftigen Protesten der Ulmer gegen den als „Rammbock“ bezeichneten Riegel der ersten Preisträger, des Architekturbüros Minkus & Wolf, Köln, und kritisiert von der Bauwelt, die die anstehen-den Kommunalwahlen und geschickte Computersimulationen der städtebaulichen Situation als Gründe der Entscheidung für den Böhm-Entwurf aus machte (Hefte 1–2 und 29/1999). Stadträumlich gesehen ist der Standort der neuen Bibliothek in der Tat so exponiert wie schwierig: im Osten der Marktplatz und das historische Rathaus, im Süden das zur Donau gelegene mittelalterliche Fischerviertel, im Norden die Neue Straße – eine Hauptverkehrsader, die das Ensemble vom Münsterplatz abtrennt. Dazwischen viel Wiederaufbau-Architektur der 50er Jahre, die Baulücke selbst war im letzten Kriegs-winter 1944 entstanden. Mit dem Museum, der Musikschule, dem Stadtarchiv, der (künftigen) Weishaupt-Kunsthalle und dem Donauschwäbischen Zentralmuseum sind eine Hand voll der wichtigsten Kultureinrichtungen der Stadt in der unmittelbaren Umgebung. Auf den ersten Blick wirkt die neue Zentralbibliothek wie eine kristalline Pyramide, sie besteht jedoch bei genauerem Hinsehen aus zwei unterschiedlichen Baukörpern: Eine umgekehrte, teils eingegrabene, voll verglaste Stufenpyramide wird von einem steilen gläsernen Pyramidendach gekrönt – ein zeitgenössisches Pendant zu den Fachwerkbauten der Umgebung mit ihren auskragenden Obergeschossen und Spitzgiebeln. Der 9-geschossige, 35 Meter hohe Baukörper wurde in Skelettbauweise errichtet; die wenigen Wände sind in rau geschaltem Sichtbeton ausgeführt – ein überraschender Kontrast zur makellosglatten Glashaut, die durch zarte waagerechte Linien gegliedert wird. Ab dem 3. Obergeschoss ist die Glashautals Doppelfassade ausgeführt und soll zusammen mit einer Baukörperkühlung eine Innentemperatur von max. 27° C garantieren. Ungewöhnlich für eine Bibliothek: Sämtliche Leseplätze im Freihandbereich orientieren sich nach außen zur Fassade: spektakuläre Aussicht inklusive, aber nur bedingt konzentrationsfördernd. Erschlossen wird der Neubau über den Haupteingang zum Marktplatz nach Osten, ein Nebeneingang befindet sich an der gegenüberliegenden Westseite, wo ein kleiner Platz entstanden ist, der sich zur Bibliothek in Form eines Amphitheaters öffnet. Die innere Erschließung erfolgt über eine offene, rot lackierte Stahltreppe, die die zwei Fahrstühle in der Mitte des quadratischen Grundrisses in einem Dreiviertelkreis pro Etage umschließt, deren Alltagstauglichkeit im Hinblick auf die Akustik sich aber erst noch beweisen muss. Den oberen Abschluss des Treppenhauses bildet ein neo-expressionistisches Gemälde an der Decke des Lesecafés, das von Gottfried Böhm entworfen und von seinem Sohn Markus ausgeführt wurde. Von dort ausgenießt man auf Augenhöhe mit dem Ulmer Münster den Blick über die Altstadt.



Fakten
Architekten Böhm, Gottfried, Köln
Adresse Vestgasse 1, 89073 Ulm


aus Bauwelt 32.2004
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