Bauwelt

Wohnanlage in Berlin


Bernrieder Sieweke Lagemann arrangierten in Berlin-Lankwitz eine Wohnanlage, der es gelingt, zu den unterschiedlichen Maßstäben der Umgebung zu vermitteln, ohne auf Eigenständigkeit zu verzichten.


Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin


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    Anschluss an die Zwanziger Jahre: Die vorhandene, abrupt endende Siedlung wird mit zwei Fensterachsen samt Schrägdach fortgeführt und in einem Turmhaus zum Abschluss gebracht.
    Foto: Stefan Müller

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    Anschluss an die Zwanziger Jahre: Die vorhandene, abrupt endende Siedlung wird mit zwei Fensterachsen samt Schrägdach fortgeführt und in einem Turmhaus zum Abschluss gebracht.

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    Anders als im Siedlungsbau der Moderne üblich, scheut die Bebauung nicht vor Nordorientierung, wenn es städtebaulich geboten ist.
    Foto: Stefan Müller

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    Anders als im Siedlungsbau der Moderne üblich, scheut die Bebauung nicht vor Nordorientierung, wenn es städtebaulich geboten ist.

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    Neue Nachbarn: Abgestufte Volumen vermitteln die Neubebauung zu den freistehen-den Wohnhäusern an der Dessauer Straße.
    Foto: Stefan Müller

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    Neue Nachbarn: Abgestufte Volumen vermitteln die Neubebauung zu den freistehen-den Wohnhäusern an der Dessauer Straße.

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    Stärker als bei den größeren Gebäuden fällt hier die Sparsamkeit im heutigen Wohnungsbaus ins Auge. Die Wohnanlage wurde für 1258 Euro pro qm BGF realisiert (Kostengruppen 300–500).
    Foto: Stefan Müller

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    Stärker als bei den größeren Gebäuden fällt hier die Sparsamkeit im heutigen Wohnungsbaus ins Auge. Die Wohnanlage wurde für 1258 Euro pro qm BGF realisiert (Kostengruppen 300–500).

    Foto: Stefan Müller

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    „Farbe ist das billigste Gestaltungsmittel“, sagte schon Bruno Taut. Die Treppenhäuser wurden im Farbkreis gefasst.
    Foto: Stefan Müller

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    „Farbe ist das billigste Gestaltungsmittel“, sagte schon Bruno Taut. Die Treppenhäuser wurden im Farbkreis gefasst.

    Foto: Stefan Müller

„Berlin-Lankwitz: Vornehmer, ruhiger und gesunder Gartenvorort, an der elektr. Eisenbahn Berlin nach Lichterfelde-Ost, 14 Minuten vom Potsdamer Platz“, lautet der rückseitige Aufdruck einer Postkarte der Lankwitzer Festhalle aus den 1920er Jahren. Klingt ein bisschen langweilig, doch die Festhalle selbst, Teil des 1912–14 erbauten Lyzeums, heute Beethoven-Gymna­siums, macht was her: ein repräsentativer, neoklassizistischer Bau des Gemeindebaurats Fritz Freymueller, ein Schüler Theodor Fischers. Auf dem Weg zur neuen Wohnanlage, die die Arbeitsgemeinschaft der Berliner Architekturbüros Bernrieder Sieweke Lagemann und Bol­linger + Fehlig an der Dessauer Straße gebaut haben, bin ich überrascht vom Anblick des Gebäudes am Ende der Thaliastraße. Lankwitz ist für mich Terra incognita, obwohl ich seit 1999 in Berlin lebe. Das liegt auch daran, dass der Architekturführer Berlin aus dem Reimer Verlag in seiner 5., überarbeiteten Auflage von 1997 nicht ein einziges sehenswertes Objekt in dem heu­tigen Ortsteil des Bezirks Steglitz-Zehlendorf verzeichnet. Natürlich ist ein solches Werk eine Auswahl, man kann nicht erwarten, dass sich jedes halbwegs beachtenswerte Gebäude darin findet. Aber ich bin doch überrascht, was mir außer der Festhalle noch begegnet: An der vom Lankwitzer Ortskern nach Süden führenden Gallwitzallee etwa radle ich zunächst an einer Siedlung vermutlich aus den mittleren zwan­zi­ger Jahren vorbei – architektonisch nicht so avantgardistisch wie andere Berliner Siedlun­-gen jener Jahre, aber doch ein stimmiges und gut erhaltenes Ensemble –, passiere an der Einmündung Havensteinstraße eine Staffelung von Wohnhochhäusern aus den Fünfzigern, um schließlich, schon in die Dessauer Straße eingebogen, an einer raumgreifenden Apartmenthaus-Bebauung aus den Siebzigern vorbeizukommen. Schließlich der expressionistische Giebel einer Satteldachzeile aus den Twenties, dahinter an der Architektur „um 1800“ orientier­te Einfamilienhäuser – und ich stehe vor der Neubebauung in strahlendem Weiß.
Bernrieder Sieweke Lagemann und Bollinger + Fehlig kamen hier, ähnlich wie bei ihrem Projekt in der Gropiusstadt (Bauwelt 12.2022) durch eine Rahmenvertragsausschreibung zum Zuge, die man sich wie ein Karussel vorstellen kann, wie Christian Bernrieder beschreibt: Man bekommt ein Projekt angeboten und kann den Auftrag annehmen oder abnehmen, lehnt man ab, weil vielleicht gerade keine Planungskapazitäten frei sind und auch nicht im Handumdrehen geschaffen werden können, ist man erst wieder an der Reihe, nachdem den anderen sechs oder sieben in diesem Verfahren beteiligten Büros ein Projekt angeboten wurde. Also besser zugegriffen – wer weiß, wann wieder eine Anfrage kommt! An der Dessauer Straße standen die Architekten einer Brache gegenüber, die der Abriss einer maroden Berufsschule hinterlassen hatte. Einige Bäume standen auf dem abgesperrten Gelän­de, ansonsten gab es nur Staub und etwas Gras – auf Google Street View ist noch der Zustand im Jahr 2008 zu sehen. Im Osten ein weiteres Schulgebäude, südlich, mit einem nach Norden offenen U, eine Wohnbebauung aus den 1920er Jahren, die vom Eigentümer, der Deutschen Wohnen, saniert werden sollte. Im Westen ein fünf- bis siebengeschossiger Wohnmäander aus den Siebzigern, ebenfalls im Besitz der Degewo. Für die Brache selbst lag ein städtebaulicher Vorentwurf eines Frankfurter Architekturbüros vor, der ein paar Jahre zuvor bereits mit der Bezirksverordnetenversammlung abgestimmt worden war und als Grundlage der neuen Planung dien-te. Dass sich dennoch ausgiebige Gespräche zwischen den Architekturbüros und der Stadtplanung ergaben, lag an der Abstimmung der Bauvolumen. Die Neubebauung sollte maßstäblich an die Umgebung Anschluss finden, vor allem nach Süden, zur Zwanziger-Jahre-Siedlung, und nach Norden, zu den biedermeierlichen Einfamilienhäusern. Weitere Rahmenbedingungen: die Vorgabe, 190 Stellplätze auf dem Grundstück unterzubringen, was eine Tiefgarage nötig machte, obwohl sich Tiefgaragenplätze im Sozialen Wohnungsbau nicht gewinnbringend vermieten lassen, sowie der Mix aus zur Hälfte frei finanzierten und geförderten Wohnungen. Ein Drittel der rund 260 Wohnungen sollte barrierefrei sein.
Die maßstäbliche Staffelung der Baukörper ist das erste prägende Element des Entwurfs: Zu den Einfamilienhäusern an der Dessauer Straße löst sich die Wohnanlage in drei kleine, freistehende Gebäude auf, die Zwanziger-Jahre-Siedlung im Süden wird an der Retzowstraße zunächst mit einem kurzen Baukörper fortgesetzt, der auch das Schrägdach des Nachbarn aufnimmt, um dann mit einem turmartigen Baukörper einen Schlusspunkt zu setzen, der mit seinen sechs Geschossen auch die Höhe der Bebauung gegenüber aufgreift. Zugleich weist der Turm den Weg in das räumliche Zentrum der Wohnanlage: den Quartiershof, der sich auf ganzer Länge in Ost-West-Richtung von der Retzow- bis zur Seydlitzstraße erstreckt. Hier hat ein Teil der geforderten Stellplätze Platz gefunden, die meisten aber wurden unter dem Hof in der Tiefgarage untergebracht. Trotz der Nord-Süd-Orientierung der den Hof fassenden Wohnriegel ist dies kein Raum, wie er von den zwan­ziger Jahren bis in die Fünfziger in Siedlungen üblich war: Auch die Bebauung auf der Südseite wendet sich mit Balkonen und Eingängen in den Hof, nach Norden, was diesem eher Platzcharakter verleiht. Die Forderung der Feuerwehr nach An­leiterbarkeit hat die Nord-Lage der Wohnzimmer zusätzlich begründet. Der Quartiershof wird nördlich von einem zweiten gemeinschaftlichem Außenraum ergänzt, dem Grünhof. Von ähnlicher Dimension, nimmt er in der Mitte ein großes Band mit Spielgeräten auf, zugleich ist er üppig mit Bäumen bepflanzt – der Degewo dient er als Ausgleich für ihre unternehmensweite Baumbilanz. Die Wohnungen im Haus auf der Südseite sind über einen „Hinterausgang“ des Treppenhauses direkt mit dem Grünhof verbunden.
Eine einheitliche Gestaltung bindet die unterschiedlichen Volumetrien und Lagebedingungen der Einzelgebäude zum Ganzen zusammen: Fensterformate und -farben, Wandfarbe und der Sockel aus Riemchen kennzeichnen die kubischen Häuser, egal welcher Größe. Einheitlich ist auch das Innere: Größere und kleinere ebenso wie barrierefreie Wohnungen finden sich an jedem Aufgang, nicht in einzelnen Gebäuden zusammengefasst. Getrennt wurden aber frei finanzierte und geförderte Wohnungen, auch aufgrund des leicht unterschiedlichen Austattungsstandards. Über das gesamte Quartier dagegen erstreckt sich auch das Farbkonzept für die Treppenhäuser: eine Farbe für eine Wand im Eingangsbereich, die Untersicht des Treppenlaufs und das Podest schließt sich mit den Farben in den anderen Aufgängen zum kompletten Farbkreis zusammen. Der Redaktion des Architekturführers ist ein Besuch in Lankwitz vor der nächsten Auflage des Architekturführers zu empfehlen.



Fakten
Architekten degewo, Berlin; Bollinger + Fehlig, Berlin; Bernrieder. Sieweke Lagemann, Berlin
Adresse Dessauerstraße 41, 12249 Berlin


aus Bauwelt 24.2022
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