Bauwelt

„Nachhaltigkeit ist ein abgegriffenes Wort und zu einer Frage der Moral geworden.“

Interview mit Bjarke Ingels über den Dänischen Pavillon

Text: Kockelkorn, Anne, Zürich; Meyer, Friederike, Berlin

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„Nachhaltigkeit ist ein abgegriffenes Wort und zu einer Frage der Moral geworden.“

Interview mit Bjarke Ingels über den Dänischen Pavillon

Text: Kockelkorn, Anne, Zürich; Meyer, Friederike, Berlin

Herr Ingels, welche Botschaften soll der dänische Pavillon vermitteln?

Er ist als Freifläche konzipiert, die man auf einem festgelegten Parcours durchlaufen kann, es ist keine Kiste mit Exponaten. Wir stellen den überwiegend chinesischen Besuchern Aspekte vor, die den Unterschied zwischen chinesischen und dänischen Städten thematisieren.
 
Welchen Unterschied sehen Sie?

Als Kind war China für mich das Land der Fahrräder und großen Straßen. Seit dem wirtschaftlichen Aufschwung möchte hier jeder ein Auto haben. Die Straßen sind verstopft, Fahrräder sind mancherorts in Shanghai sogar verboten. In Kopenhagen haben wir vor 15 Jahren das City Bikesystem eingeführt, wir haben Fahrradwege auf fast allen Straßen. Ein Drittel aller Dänen radelt zur Arbeit. Wir haben den Pavillon deshalb als Fahrradweg entworfen. Anfangs wollten wir Fahrräder verleihen, damit die Besucher zu anderen Pavillons radeln können, aber das haben die chinesischen Behörden nicht erlaubt.
 
Ist das Fahrrad Ihre Antwort auf die Frage nach der nachhaltigen Stadt?

Nachhaltigkeit ist ein abgegriffenes Wort und zu einer Frage der Moral geworden. In Kopenhagen diskutieren die Menschen, wie viel Wohlstand man bereit sein sollte für den Schutz der Umwelt aufzugeben. Jeder hat das Gefühl, ein ökologisch bewusstes Leben mache weniger Spaß. Wir konzentrieren uns im Pavillon auf Beispiele der nachhaltigen Stadt, die die Lebensqualität verbessern.
 
Wie verdeutlicht dies die Pavillon-Architektur?

Ich mag die Vorstellung vom Ingenieurwesen ohne Maschinen. Die Röhre ist ein natürliches Ventilationssystem. Durch die Spiralform entsteht ein Sog, und die Luft zieht durch die Löcher ab. Wir können keine konstanten 18 Grad Rauminnentemperatur garantieren, dafür aber eine, die fünf bis zehn Grad unter der Außentemperatur liegt. In einigen Löchern sind Ventilatoren eingebaut, die vom Wind angetrieben werden. 


Sie haben die kleine Meerjungfrau von Kopenhagen nach Shanghai in den Pavillon bringen lassen. Was hat sie mit China zu tun? 

In China lesen die Schulkinder Märchen von Hans Christian Andersen. Er hat sogar einen chinesischen Namen, der übersetzt „Lehrer für Frieden und Mitgefühl“ bedeutet. In China gibt es ein völlig anderes Verständnis für geistiges Eigentum. Wir wollen Authentizität als Wert vermitteln. Die Meerjungfrau steht als Symbol für das Echte. Eine Kopie hätte hier nicht die entsprechende Aufmerksamkeit gebracht. 
 
Mit den Fahrradwegen, dem klaren Hafenwasser und der Märchenfigur exportieren Sie eine heile Welt in ein totalitär regiertes Land. Ist das nicht zynisch?

Das finde ich nicht. Für mich ist es der Export von wirklich echten Erlebnissen. Der Spaß am Fahrradfahren ohne Verkehrsstau, die Freude, inmitten der Stadt in klarem Wasser schwimmen zu können – das sind Erlebnisse, die man in einer nachhaltigen Stadt haben kann. Die Besucher müssen sich keine Propaganda-Vorträge darüber anhören, wie toll Dänemark ist. Sie können einfach nur entspannen.
 
Die Filme im Pavillon zeigen ein ausschließlich positives Bild von Dänemark. Im Zusammenhang mit dem Schmusesound kommen sie Werbung und Propaganda schon sehr nahe.

Die vier Filme stammen von dem Künstler Martin de Thurah. Drei zeigen die Idee des Pavillons: die Wasser-Stadt, die Fahrrad-Stadt und die grüne Stadt. Der vierte Film dokumentiert die Reise der kleinen Meerjungfrau nach Shanghai. Natürlich zeigen die Filme die positiven Aspekte der Stadt, aber ich denke, sie vermitteln mehr  als Fröhlichkeit, sie zeigen das Leben in verschiedenen Situationen.
 
Glauben Sie, dass die Architektur eines Pavillons nationale Identität repräsentieren kann?

Wenn es funktioniert, dann funktioniert es. Wenn nicht, dann nicht. Eine Expo ist eine gute Gelegenheit, klare Botschaften zu senden. Aber natürlich ist das Medium niemals besser als die Botschaft. 

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