Bauwelt

C the Closed

Längst ist klar: Das Schauspielhaus Chemnitz muss saniert werden. Seit drei Jahren ist es geschlossen, doch bislang geschah wenig. Nun droht ausgerechnet im Kulturhauptstadtjahr der Ausverkauf. Stimmen aus Bevölkerung und Kultur­sze­ne fordern den Erhalt des ostmodernen Baus als Spielstätte.

Text: Menting, Annette, Leipzig

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    Das Theater befindet sich im Südosten des Chemnitzer Zentrums. Der Eingang weist zu einem Park, der an den Innenstadtring grenzt.
    Foto: Louis Volkmann

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    Das Theater befindet sich im Südosten des Chemnitzer Zentrums. Der Eingang weist zu einem Park, der an den Innenstadtring grenzt.

    Foto: Louis Volkmann

C the Closed

Längst ist klar: Das Schauspielhaus Chemnitz muss saniert werden. Seit drei Jahren ist es geschlossen, doch bislang geschah wenig. Nun droht ausgerechnet im Kulturhauptstadtjahr der Ausverkauf. Stimmen aus Bevölkerung und Kultur­sze­ne fordern den Erhalt des ostmodernen Baus als Spielstätte.

Text: Menting, Annette, Leipzig

Chemnitz ist Kulturhauptstadt und präsentiert gemeinsam mit der Region in diesem Jahr ein höchst interessantes künstlerisch-kulturelles Programm – ein Besuch lohnt sich unbedingt. Neben europäischen Festivals, Aufführungen, Ausstellungen und Kunstinstallationen gibt es auch mehrere „Interventionsflächen“. Dabei handelt es sich um ausgewählte Orte, die besondere Aufmerksamkeit erhalten sollen, um die Stadt in ihrer kulturellen Vielfalt zu repräsentieren – darunter das Schauspiel Chemnitz. Während der Blick in den Ausstellungen auf internationale Architektur gerichtet ist, wäre die Wertschätzung der eigenen Baukultur jedoch ausbaufähig. Neben den beeindruckenden Industrie-, Villen- und Kommunalbauten des frühen 20. Jahrhunderts kann Chemnitz eben auch ikonische Architektur der DDR-Zeit vorweisen, der Theaterbau und die Stadthalle sind nur zwei Beispiele. Während die Stadthalle ins Auge fällt, blieb es ums Theater 2025 zunächst still. Das Haus ist seit 2022 geschlossen, Schauspiel und Figurentheater nutzen seither eine alte Spinnereimaschinenfabrik als Interimsspielstätte. Kultur- und Planungspolitik agierten, was die Konzeption für den Bestandsbau anbelangt, recht intransparent. Das Thema wurde kaum mit der Stadtgesellschaft verhandelt; nun droht der Ausverkauf.

Schauspielhaus Karl-Marx-Stadt

Das Theaterhaus wurde zwischen 1976 und ’80 errichtet, nachdem der Vorgängerbau – ein Nachkriegsprovisorium – bei einem Brand zerstört worden war. Der Entwurf für das Theater stammt von Rudolf Weißer, der mit seinem Kollektiv 1974 auch den Bau der Stadthalle verantwortet hatte. Damit entstand einer der seltenen Theaterbauten der Ostmoderne, mit weithin sichtbarem Bühnenturm, markanter Eingangssituation, multifunktionalen, wandelbaren Foyers und einer Probebühne. Offiziell wurde von „Rekonstruktion“ gesprochen, allerdings entstand auf teilweise wiederverwendeten Bestandsfundamenten ein den Anforderungen der Zeit entsprechender Neubau. Um zeitgenössische Spielformen auch jenseits der Guckkastenbühne zu ermöglichen, wurde eine Foyerbühne konzipiert, die variable Anordnungen erlaubte. Renommierte Schauspielerinnen und Regisseure bespielten dieses Haus. Nach der Wende erfolgten verschiedene Raumaneignungen; etwa wurde die Probebühne zum Spielort „Ostflügel“. Der seit 2013 amtierende Schauspieldirektor Carsten Knödler schätzt die Proportionen des Großen Saals und die Möglichkeiten des Hinterbühnen-Spiels sowie die charakteristische „Chemnitzer Ecke“, eine dem Bühnenportal vorgelagerte Spielfläche. Hier sind Aufführungen von intimen Zwei-Personen-Stücken bis hin zu Shakespeare-Inszenierungen gut umsetzbar. Seit 2018 steht das Theaterhaus unter Denkmalschutz.

Sanierungsbedarf, Sparmaßnahmen und Aktionsbündnis

Wie bei vielen Theatern sind auch in Chemnitz Maßnahmen zur bau- und brandschutztechnischen Ertüchtigung erforderlich. Vorstudien, die 2019 zeitgleich mit der Bewerbung zur Kulturhauptstadt erfolgten, zielten darauf, das Haus als eine der besagten Interventionsflächen zu ertüchtigen. Weitere, mangelhaft kommunizierte Planungen trieben die Kosten dann in die Höhe: Im Februar 2024 stand eine aufwändige Modernisierung mit Kosten von 36 Millionen Euro zur Debatte. Der Stadtrat stoppte das Vorhaben und veranlasste eine Prüfung. Mehr als ein Jahr ist seither vergangen, und weiterhin ist die Perspektive für Schauspiel und Figurentheater vage. Inzwischen ist die Rede von einem Neubau hinter der Interimsspielstätte im „Spinnbau“, finanziert im Rahmen einer Public-Private Partnership. Das Bestandsgebäude soll an einen theaterfremden Nutzer verkauft werden. Wie nachhaltige Kultur- und Planungspolitik, zu der sich die Stadt im Rahmen der Kulturhauptstadt verpflichtet hat, klingt das nicht.
Seit dem Frühjahr rückte das Schauspielhaus immerhin wieder in den öffentlichen Fokus: Beim Publikumsgespräch anlässlich der Vorstellung einer Publikation zur Planungs- und Nutzungsgeschichte des Hauses (siehe unten) machten Chemnitzer und Chemnitzerinnen ihre Sorge um den Standort deutlich. Einige Wochen später kam es zu einer dreitägigen Besetzung des Theaterbaus durch ein Aktionsbündnis, das den offiziellen Kulturhauptstadt-Slogan „C the Unseen“ in „C the Closed“ abwandelte. Theaterleute wie der Schauspieler Alexander Ganz-Kuhl und Akteure der Freien Szene verbündeten sich, um mit rotem Teppich auf dem Theatervorplatz, Aufführungen und der Verleihung eines „Europäischen Kürzungspreises“ unterhaltsam und zugleich bitterernst auf die Rücknahme von Sparmaßnahmen im Kultursektor und den Erhalt des Schauspielhauses zu drängen. Ende Mai folgte prominente Unterstützung durch die Chemnitzer Band Kraftklub, die mit einem Spontankonzert den Appell des Aktionsbündnisses verstärkte.
Bemerkenswert ist, dass Stadttheater und Freie Szene sich nicht gegeneinander ausspielen lassen, sondern zusammen ein vielfältiges Kulturleben in Chemnitz einfordern. Der Kulturhauptstadt-Status tut der Stadt merklich gut, ermutigt, inspiriert und motiviert – umso dringender ist es, in diesem Sinne auch für die Theaterkultur und -architektur eine langfristige Perspektive zu entwickeln, zu beschließen und zu verwirklichen.

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