Bauwelt

„Das Verständnis für öffent­­li­chen Raum ist in China ein anderes.“

Interview mit Cathrin Fischer über die Expo-Achse

Text: Kockelkorn, Anne, Zürich; Meyer, Friederike, Berlin

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„Das Verständnis für öffent­­li­chen Raum ist in China ein anderes.“

Interview mit Cathrin Fischer über die Expo-Achse

Text: Kockelkorn, Anne, Zürich; Meyer, Friederike, Berlin

Frau Fischer, welche Rolle spielte Ihr Büro im Planungsprozess der Expo-Achse?

Die Expoachse entstand nicht wie die meisten Pavillons innerhalb von sechs Monaten, sondern in dreieinhalb Jahren. Wir saßen jede Woche mit unserem chinesischen Kooperationspartner Ecadi zusammen und haben die Genehmigungsplanung entwickelt. Mit Knippers Helbig haben wir das Dachtragwerk geplant und mit der Tongji Universität im Windkanal getestet. Wir haben die Leitdetails erarbeitet und waren mit der gestalterischen Oberleitung beauftragt. Das Energiekonzept ist zusammen mit Scholze Consulting entstanden.
 
Welche städtebaulichen Funktionen soll die Expo-Achse erfüllen?

Unser Auftraggeber wollte ein Gebäude, das die Menschen von der Metrostation in den Park am Fluss und ins Expo-Gelände leitet.
 
Die Achse wirkt aber gar nicht wie ein Gebäude, sondern eher wie ein öffentlicher Raum?

Der Bauherr wollte ursprünglich, dass alle Geschosse seitlich mit Glas geschlossen sind, damit es ein „Gebäude“ ist. Wir haben gesagt, eine so große Struktur muss offen sein. Wir sehen sie eher als gebaute Landschaft. Keiner der chinesischen Projektbeteiligten konnte sich anfangs vorstellen, dass auch eine derart große  und minimalistisch gestaltete Fläche interessant sein kann. Aufenthaltsqualitäten, die nicht direkt sichtbar sind, waren ihnen im Unterschied zu Schirmen, Blumenbeeten und Springbrunnen schwer zu vermitteln. Das Verständnis für öffentlichen Raum ist hier ein anderes.
 
Was soll in der „gebauten Landschaft“ genau passieren?

Für die Zeit der Expo haben wir einen Raum geschaffen, in dem sich die Besucher erholen, treffen, orientieren und informieren können. Nach der Expo sind unter den Membrandächern Flächen mit z.B. Bäumen, Liegewiesen und einer Halfpipe geplant. Auf den Ebenen darunter gibt es Geschäfte und Restaurants. Wir spielen derzeit mit dem Gedanken, dort auch eine Art „Business-Plattform“ anzubieten, als Ergänzungsnutzung für die spätere Messe, die nebenan entstehen wird. Ganz unten sind Parkplätze, Haltestellen und der U-Bahnzugang. 
 
Welche Funktion haben die Glastrichter? 

Wir bezeichnen sie als Sun Valleys. Wir wollten auf allen Ebenen natürliches Licht und Belüftung haben und die Grenzen zwischen Außenfassade und Innenfassade auflösen. Auch in den unteren Ebenen sollte das Gefühl entstehen, dass man im Freien ist. Wir haben am Boden der Trichter sogenannte stille Gärten geplant, die zwar „draußen“ sind, durch die Akustik der Trichterform jedoch alle Hintergrundgeräusche ausblenden. Diese wurden aber bisher leider nicht realisiert.
 
Kommt die gesamte Struktur tatsächlich ohne Klimaanlagen aus?

Wir haben überlegt, wie sich die Besucher durch die Achse bewegen, an welchem Punkt welche Temperatur für Wohlbefinden sorgt. In manchen Bereichen setzen wir eine Außenraum-Temperierung ein. Keine Klimatisierung. Im Wartebereich auf der Terrasse unter dem Vordach zum Beispiel versprühen die Säulen bei großer Hitze Wassernebel. Und auf der Ebene -2 gibt es eine Querlüftungsregulierung. Nur die Restaurant-Pavillons und die Läden in den Untergeschossen sind klimatisiert. Jeder zweite der rund 3500 Pfähle, auf denen die Expo-Achse teilweise bis zu 47 Meter tief gründet, ist für geothermische Nutzung aktiviert. Das Regenwasser wird am Fuß der Sun Valleys gesammelt und u.a. für die Toilettenanlagen verwendet. Im Fundament-Bereich unter den begrünten Rampen in der Technik-Zentrale läuft alles zusammen. Wir können das leider nicht besichtigen, denn dort sind auch militärische Anlagen, Notlager und Panikräume für Havarien untergebracht.
 
Derzeit wirkt die Expo-Achse wie ein zu großes Kleidungsstück. Das Publikum läuft direkt zu den Pavillons, hier ist wenig los.

Die erwarteten Besuchzahlen wurden bisher nicht erreicht. Aber ich bin sicher, dass sich die Atmosphäre ändern wird, sobald die Expo zu Ende ist. Dann wird das gesamte Flussufer auf der Pudong-Seite für Fußgänger zugänglich gemacht. Die Vorstellung, zum Fluss zu flanieren und dort zum Beispiel mit Inline-Skates bis ins Zentrum nach Pudong laufen zu können, finde ich großartig.
 

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