Bauwelt

Mit der Konstruktion des Bungalows

Ein Gespräch mit Florian Ebner, Leiter der Fotografischen Sammlung im Museum Folkwang Essen und Kurator des Deutschen Pavillons auf der Kunstbiennale 2015 in Venedig, und dem Architekten Bernhard Tatter (denkenbauenwohnen Leipzig), der die Ausstellungseinbauten konzipierte. Sie sorgten für Erstaunen und Diskussion

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

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    Florian Ebner (r.) und Bernhard Tatter Foto: Andreas Rost

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    Florian Ebner (r.) und Bernhard Tatter Foto: Andreas Rost

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    Während des Aufbaus der Ausstellungseinbauten. Rechts: Metwaly und Rizk haben in einem der Seitenflügel Kairoer Bodenfliesen ausgelegt.
    Foto: Manuel Reinartz

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    Foto: Manuel Reinartz

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    Montage in der zentralen Halle des Pavillons einer zweiten Ebene mit Treppe für eine weitere Ausstellungsfläche

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    Montage in der zentralen Halle des Pavillons einer zweiten Ebene mit Treppe für eine weitere Ausstellungsfläche

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    Montage in der zentralen Halle des Pavillons einer zweiten Ebene mit Treppe ...
    Foto: Manuel Reinartz

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Mit der Konstruktion des Bungalows

Ein Gespräch mit Florian Ebner, Leiter der Fotografischen Sammlung im Museum Folkwang Essen und Kurator des Deutschen Pavillons auf der Kunstbiennale 2015 in Venedig, und dem Architekten Bernhard Tatter (denkenbauenwohnen Leipzig), der die Ausstellungseinbauten konzipierte. Sie sorgten für Erstaunen und Diskussion

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

Zunächst eine Frage zu Arles: Hat das Licht dort die entscheidende Rolle für Ihr Fotografie-Studium in Südfrankreich gespielt?
Florian Ebner Ja, ein Licht, das nachwirkt. Einige Jahre vor dem Studium war ich als Jugendlicher auf einer Fahrradtour in Arles. Von der Fotografie begeistert, besuchte ich das dortige Foto-Festival „Les Rencontres de la Photographie“. Das war 1987. Präsentiert wurden damals Fotografen wie z.B. die US-Amerikanerin Nan Goldin. In den Orten, wo die Ausstellungen stattfanden, auch in zahlreichen aufgelassenen Kirchen, war die Stimmung unglaublich. Für einen Jugendlichen von 17 war es der kühnste Wunsch, dorthin zurückzukehren und zu studieren. Es hat zum Glück geklappt.
Wie lange waren Sie in Arles?
FE Drei Jahre mit Diplom. Das Studium ist geprägt von einer ganzheitlichen Ausbildung in Theorie und Praxis. Es war ein sehr fruchtbarer, inspirierender und diskussionsreicher Jahrgang, u.a. mit dem jetzigen Kurator am Pariser Centre Georges-Pompidou Clément Chéroux. Im Winter ist Arles etwas verwaist, da muss man nach Marseille fahren.
Was war Ihr erster Eindruck als Kurator vom Pavillon in Venedig?
FE Ich habe schon bei früheren Besuchen festgestellt, dass es ein schwieriges, historisch aufgeladenes Gebäude ist. Auf einmal betritt man es mit einer völlig neuen Perspektive, im Wissen, dort eine Ausstellung zu zeigen, etwas aus diesem Gebäude zu machen. Ohne dass die Künstler der Ausstellung schon definitiv feststanden. stellte sich die Frage, wie man in diesem Gebäude mit Fotografien und Videokunst umgeht.
Herr Tatter, wie kamen Sie zur Ausstellungsarchitektur?
Bernhard Tatter Wir planen sehr unterschiedliche, in der Regel kleinere Bauvorhaben, die ersten Projekte im Kunstkontext waren Umbauten von Galerieräumen auf dem Gelände der Leipziger Baumwollspinnerei. Darüber hinaus gab es auch selbst initiierte Ausstellungsprojekte wie z.B. die „Raumerweiterungshalle“, ein wiederbelebtes, temporäres Gebäude aus DDR-Zeiten. Daraus entwickelte sich eine gewisse Liebe dazu, im Kunstkontext zu arbeiten. Dann habe ich für das Museum für Photographie Braunschweig und für Florian Ebner die Architektur für das Ausstellungsprojekt „Neue Bilder einer andauernden Revolution“ in Kairo erarbeitet. In Venedig gab es vom Konzept her bestimmte Dinge, die schon gesetzt waren. So auch die Idee des Dachs als anderen Ort, die Orientierung nach oben. Deswegen haben wir uns beim ersten Besuch intensiv das Dach angeschaut. Wenn man in dem Pa-villon nach oben ging, dann sah man Teile der Konstruktion des Kanzlerbungalow-Mock-ups der Architekturbiennale des letzten Jahres. Hier entstand die Idee der zweiten Ebene, die es in gewisser Weise als Struktur schon gab. Man sah unten nicht, dass der ganze Bungalow an einer Stahlkonstruktion hing. Was wir weiter verwendet haben, war also diese Tragkonstruktion, an der alles sozusagen dranhing. Im Ergebnis wurde die zentrale Halle horizontal geteilt. Im weiteren Verlauf gab es einen intensiven Prozess mit den Künstlern Tobias Zielony, Jasmina Metwaly/Philip Rizk, Olaf Nicolai und Hito Steyerl, eine Diskussion, die manchmal auch schwierig war. Was ich als Architekt daran spannend fand, war, dass das Konzept der horizontalen Teilung Schritt für Schritt zusammen mit den Arbeiten der Künstler präzisiert werden konnte.
Waren Alex Lehnerer und Savvas Ciriacidis, die Kuratoren der Architekturbiennale 2014, mit der Verwendung von Teilen der Bungalow-Konstruktion einverstanden?
BT Ja, sie waren von Anfang an sogar begeistert, dass Teile des Bungalows ein zweites Leben bekamen.
Es gab immer wieder Vorschläge, den Deutschen Pavillon abzureißen oder ihn umzubauen bzw. zu ergänzen. Wie sehen Sie das?
FE Das Besondere aller Pavillons in den Giardini liegt ja gerade darin, dass sie keine klassischen white cubes sind, keine klassischen Museumsbau-ten. Sie haben alle eine lange Geschichte, auch eine Geschichte des sich Reibens mit der Architektur. Es wäre schade, das auf diese Weise aus der Welt zu schaffen.
Wohin haben Sie sich in Venedig gerne zurückgezogen?
FE Unglaublich beruhigend und in der Erinnerung nachwirkend sind die nächtlichen Vaporetto-Fahrten, ein wahnsinnig ästhetisches Erlebnis.
Wie sind die Reaktionen auf Ihren Deutschen Pavillon?
FE Es wurde über unseren Umbau des Gebäudes als profanierter Tempel viel diskutiert, vor allem über die vertikale Interpretation, mit den drei Ebenen Erd-, Ober- und Dachgeschoss. Auch über die Art und Weise, wie letztlich die zentrale Halle von Hito Steyerl bespielt und durch seine Ausgestaltung nicht mehr als das große Mittelschiff erkannt wird. Wir wurden oft gefragt: Ist das hier der Keller? Dabei ist es ja dieser zentrale Raum, den Steyerl in eine Art Untergrund verwandelt hat, zu einem motion capture studio – einer Schnittstelle zwischen organischer Bewegung und Datenproduktion, Ausgangspunkt für die synthetischen Bildwelten unserer Tage. Bei den Künstlern geht es heute viel um die Themen Arbeit und Finanzindustrie. Deshalb haben wir auch den Titel „Fabrik“, gewählt. Man betritt das Gebäude, das ist ein wichtiger Aspekt, durch den Seiteneingang des Portikus. Dies stellt eine gewisse Provokation dar. Der Besucher schleicht sich quasi ins Gebäude und stößt gleich auf die Arbeit von Tobias Zielony zu den Flüchtlingen aus Afrika, die unseren Kontinent sozusagen durch einen Seiteneingang betreten – allerdings unter ganz anderen existenziellen Bedingungen. Dies war uns wichtig.
Herr Tatter, sollte das eingefügte zweite Geschoss mit den Teilen des Kanzlerbungalows nach der Kunstbiennale im Pavillon bleiben?
BT Es schafft neue Möglichkeiten für Ausstellungen. Man hat den Eindruck, dort oben in einer Bauhaus-Architektur zu stehen. Man sieht die Lichtbänder und die Unterzüge. Die Fenster sind simple Stahlprofile, die Decke eine Ortbetonrippendecke. Wenn man sich jetzt oben umschaut, glaubt man nicht, dass man in einem Raum aus dem Nationalsozialismus steht, sondern fast schon in einem modernen, industriellen Raum.
Herr Ebner, in welcher Form haben Sie sich zuletzt mit Architekturfotografie befasst?
FE Die Architekturfotografie ist im Museum Folkwang ein großer Sammlungsgegenstand mit Fotografien aller Genres und aller Epochen. Da ist es nicht so einfach, diese Sammlung in alle Richtungen weiterzuführen. Ute Eskildsen, die über Jahre die Sammlung aufgebaut hat, hat einen schönen Katalog zur Architekturfotografie herausgegeben. Er zeigt das ganze Spektrum von der Auftragsarbeit bis hin zur Fotografie eigener Autorschaft, die sich mit dem urbanen Raum auseinandersetzt. Damit wird die große Bewegung hin zur Wahrnehmung einer gebauten Welt aus städtebaulicher Perspektive aufgezeigt. Dabei tauchen dann auch stärker kritische Positionen auf im Vergleich zu den modernistischen Bauhausfotografien, die natürlich eine wunderbare Ästhetik des Bilds und des Bauens zeigen. Im Moment stehen viel stärker diese städtebaulichen Essays auf dem Programm. Wir werden im Dezember 2016 mit dem Ausstellungshaus für Fotografie C/O Berlin und dem Sprengel-Museum in Hannover das Großprojekt „Werkstatt Fotografie“ machen, das Michael Schmidt bereits 1976 in der Volkshochschule Kreuzberg gegründet hat.
Bei der Fotografie dominiert heute das Digitale mit einer unglaublichen Schnelligkeit und Schnelllebigkeit. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
FE Wir leben in einer vernetzten Welt der Bilder, die omnipräsent sind. Und die Bilder haben eigentlich keine festen Orte mehr. Sie haben im Grunde nicht mehr ihre ursprüngliche Matrize, wie es früher mal das Negativ war. Sie werden schon im Entstehen durch die verschiedenen Apps und Algorithmen verarbeitet, die sich in unseren Kameras befinden. Dieses Zirkulieren von Bildern, Menschen und auch Dingen ist ein Motiv gewesen, das bei dem Pavillon zentral war. Die Arbeit bestand im Grunde darin, dieses Zirkulieren, das unsere Welt heute prägt, in das Gebäude zu übersetzen.
Was war für Sie architektonisch eines der größten Raumerlebnisse?
FE Da gibt es viel, vor allem in Rom. Mein Lieblingsbauwerk ist San Clemente mit den drei Ebenen aus drei Jahrhunderten. Das ist eine fantastische Kirche. Beim Pavillon habe ich auch an diese Räume auf den verschiedenen Ebenen gedacht.

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