Bauwelt

Postbank


Rue des Sevres No. 111


Text: Redecke, Sebastian, Berlin


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    Foto: Chaix & Morel

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    Foto: Vincent Fillon

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Nur wenige Schritte vom alten Krankenhaus Laënnec entfernt wird in diesem Monat ein Gebäude bezogen, das durch die Architekten Chaix & Morel eine neue Gestalt mit Glasfassaden erhielt. Es gehört zu einem Baukomplex der Postbank, der nach mehrjährigen Sanierungs- und Umbauarbeiten fertiggestellt wurde.
Die Fassaden des Gebäudeensembles dokumentieren eindrucksvoll die Geschichte einer stetigen Ergänzung, die nun mit dem Neubau an der Rue de Sèvres unübersehbar ihren Abschluss finden soll. Dies war die Idee des Bauherrn, der Postbank, die hier ihren Pariser Hauptsitz eingerichtet hat. Um verständlich zu machen, wie sich das Gefüge aus mehreren Epochen zusammensetzt, soll jedes einzelne Gebäude kurz vorgestellt werden: Das älteste Bauwerk ist das Hôtel particulier Choiseul-Praslin, 1732 von Sulpice Gaubier errichtet. Es wechselte mehrmals den Besitzer und wurde immer wieder umgebaut. Zuletzt gehörte es dem Staat und diente als Postmuseum. Es liegt von der Rue de Sèvres weit zurückgesetzt, so dass sich ein Vorplatz zur Ecke Rue Saint Romains ergibt, der von hohen Zäunen umgeben ist. Dicht neben diesem Palais steht der weitaus größte Bau des Ensembles, den Jean-Marie Boussard 1890 ursprünglich für die Sparkasse errichtet hatte. Im Jahr 1906 ergänzte der Architekt Louis-Hippolyte Deruaz das Gebäude entlang der Rue Saint Jean-Baptiste de la Salle. Zur Rue des Sèvres entstand 1977–78 durch André Chatelin ein weiteres Gebäude. Insgesamt handelt es sich also um eine komplexe Struktur, die für die Postbank mit einem übersichtlichen Zuordnungssystem und einer klaren Raumorganisation zu versehen war.
Der Dialog
Philippe Chaix und Jean-Paul Morel waren für alle Bereiche der Sanierung und Neunutzung zuständig und bemühten sich dabei, nicht nur die Chronologie der alten Gebäude sichtbar zu machen, sondern sie auch stärker miteinander in Dialog treten zu lassen. Ihre Erfahrung beim Umbau des Pariser Petit Palais war ihnen da von großem Nutzen (Bauwelt 7.2006). Architektonisch von großer Kraft und Schönheit, bleib die zentrale, glasgedeckte Halle des Boussard-Gebäudes bis auf wenige bauliche Zutaten erhalten. Sie dient den Mitarbeitern als Ort der Begegnung und steht auch für Veranstaltungen zur Verfügung. Gleich nebenan entstand die neue Kantine. Das Hôtel particulier, das in Zusammenarbeit mit den Denkmalpflegern in seiner alten Pracht wieder erstrahlt, dient der Bank für ihre Empfänge. Dabei wurden die unterschiedlichen Salons mit ihren Holzeinbauten und Tapisserien anhand von alten Fotos rekonstruiert und, wo nötig, ergänzt. Um genügend Fläche zu erhalten, scheute man sich nicht, nicht nur das Dach des Deruaz-Gebäudes auszubauen, sondern vor allem in die Untergeschosse hinein zu planen. So entstanden dort unterhalb des Vorhofs mehrere Vortragssäle mit einem besonderen Schallschutz, da der Tunnel der Metro in der Rue de Sèvres unmittelbar angrenzt. Auch der Eingangsbereich des Neubaus gräbt sich nach hinten in das Terrain. Holztäfelungen und viel Licht geben den Räumen die gewünschte Eleganz. Die Umbauten im Bestand sind gut gelungen und von Gebäude zu Gebäude funktional überzeugend.
Zuschnitt
Doch nun zum Neubau, der sich mit seinem Gewand so ganz anders präsentieren muss. Zum Verständnis sei hier zunächst gesagt, dass es sich allen Anschein zum Trotz nicht um einen neuen Bau handelt. Da die baulichen Richtlinien für diesen Ort nur einen Umbau zuließen, blieb vom Vorgängerbau das Betonskelett erhalten, für das ein neues Kleid zugeschnitten wurde. Die an manchen Stellen unglückliche Stützenanordnung macht dies innen erfahrbar. Der gesamte Planungs- und Bauablauf war teurer als ein kompletter Neubau. In der Schrägansicht der Rue de Sèvres mag der glatte, nach oben sich verjüngende Block seinen Reiz haben, sogar einen deutlichen Akzent setzen in der Abfolge der Bauten entlang der Straße. Die Haut ist glatt, nirgends ist ein vorspringender Rahmen oder eine Auslassung auszumachen. Es handelt sich um eine doppelte Fassade, bei der beim Vorhang außen in einem scheinbar freien Wechselspiel jeweils geschosshoch auch opake Glaselemente eingefügt wurden. Die zweite Fassade ist innen mit Jalousien versehen worden. Durch spätere Zutaten des Bauherrn, vor allem bei der Postfiliale im Erdgeschoss, büßte die Gebäudehaut an Homogenität ein. Die Architekten hatten darauf keinen Einfluss. Welches sind die Vorteile, die sich für die Angestellten in den Büros hinter dieser Fassade im Vergleich zu den Altbauten ergeben? Eine Antwort darauf gibt es noch nicht –die Räume stehen zum Teil noch leer. Es fehlt eine Konzeption, angeblich musste nochmals umdisponiert werden.
Wenig überzeugend ist das Konzept der Architekten, im hinteren Teil mit der gleichen Fassadensprache den BoussardAltbau aufzustocken, denn dadurch verliert das vordere Gebäude seine singuläre Bedeutung und Klarheit. Ganz oben sind die Räume der Direktoren und des Postbank-Chefs. Der Ausblick reicht weit über die Stadt, auf die Kuppel des Invalidendoms und den Eiffelturm.
Wirkt nun diese Haut, diese bewusste Abstraktion, mit Blick auf die umgebenden Bauten sympathisch? Erfreut sie gar die Anwohner? Im Eckcafé Royal Sèvres schräg gegenüber ist man schon sehr erstaunt, doch man freut sich natürlich über neue Kunden von der Postbank. Und der Neubau ist nicht allein – ein kleines Stück weiter Richtung Osten, an der Ecke zum Boulevard du Montparnasse und Boulevard des Invalides, erhält das Kinderkrankenhaus Necker von Philippe Gazeau gerade eine äußerst komplizierte Doppelfassade mit viel Glas, die sich in der Straße ebenfalls nicht erklärt.



Fakten
Architekten Chaix & Morel, Paris
Adresse 111 Rue de Sèvres, 75006 Paris, Frankreich


aus Bauwelt 17.2011
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