Bauwelt

Museum of Architecture


Ein zeichenhafter Pavillon und das ehemalige Wohnhaus von Toyo Ito dienen seit letztem Sommer der Architekturvermittlung. Der Architekt erklärt das Projekt in einem Gespräch.


Text: Nuijsink, Cathelijne, Tokio


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Nachdem Toyo Ito als Architekt für die Erweiterung des Tokoro Museums für zeitgenössische Skulptur angefragt war und er mit dem Entwurf begonnen hatte, änderte der Bauherr – vielleicht auch infolge der Gespräche mit dem Architekten – sein Vorhaben und entschied sich, ein Museum zum Werk Toyo Itos zu initiieren.
Der Neubau „Steel Hut“ steht in der Präfektur Ehime auf der Insel Omishima, die über Straßenbrücken und per Fähre zu erreichen ist. Die Insel bietet großartige Ausblicke in die Naturlandschaft des Seto-Binnenmeers und beherbergt außerdem das „Omishima Museum of Art“ und weiter südlich das „Ken Iwata Mother and Child Museum“ – ebenfalls von Toyo Ito.
Das im Sommer eröffnete Museum im Südwesten der Insel hat den kurzen Na- men TIMA (Toyo Ito Museum of Architecture) und wurde aufgrund des begrenzten Budgets von Anfang an äußerst bescheiden geplant. In unmittelbarer Nähe des eigentlichen Museums hat Toyo Ito, der in diesem Jahr 70 Jahre alt geworden ist, sein frü­heres Wohnhaus „Silver Hut“ aus Tokio wieder aufgebaut. Dessen markante Tonnendächer und die Außenwände wurden für den neuen Ort stabiler und wettertauglicher gemacht. Der Architekt hatte die Idee, sein Haus für den Werkunterricht mit Kinder- und Jugendgruppen zu nutzen und sie so an die Architektur heranzuführen. Die Räume sind offen und ermöglichen einen flexiblen Gebrauch.
Die in Japan lebende niederländische Autorin Cathelijne Nuijsnik hatte die Gelegenheit, Toyo Ito zu einem kurzen Gespräch einzuladen.

Ein Architekt baut ein Museum, das seinem Werk gewidmet ist. Wer hatte diese Idee?
Toyo Ito | Das Projekt begann im Jahr 2004. Zunächst sollte ich eine Erweiterung für das Tokoro Museum Omishima bauen, ein Museum für zeitgenössische Skulptur. Im Verlauf der Jahre wurden verschiedene Museumskonzepte diskutiert. Der Auftraggeber und ich waren vor allem auch daran interessiert, jungen Menschen ein Verständnis von Archi­tektur zu vermitteln. Die örtliche Verwaltung war einver­standen, ich aber sperrte mich ein wenig dagegen, dass, auf Wunsch des Auftraggebers, daraus ein Museum nur über meine Arbeit und mit meinem Namen wurde. Schließlich nahm ich den Auftrag doch an.
Für das Projekt haben Sie Ihr eigenes Wohnhaus in Tokio transloziert. Warum entschieden Sie sich für ein Museum, das neben dem Neubau aus der Rekonstruktion ihres früheren Wohnhauses besteht?
Erst nach der Errichtung des Neubaus,  der „Steel Hut“, wurde entschieden, die „Silver Hut“ von 1984 an ihren neuen Ort zu versetzen. Als meine Frau vor fast neun Jahren an Krebs erkrankte beschlossen wir, an einen für sie besser geeigneten Ort umzuziehen. Deswegen stand unser altes Haus bereits einige Zeit leer. Außerdem waren seit dem Bau der Silver Hut mittlerweile 25 Jahre vergangen, sodass größere Instandsetzungsarbeiten anstanden. Also haben meine Familie und ich beschlossen, die Silver Hut dem Museum zu spenden und es neben der Steel Hut aufzustellen, wo es nun als Lehrgebäude dient, in dem Kinder und Jugendliche im Werkunterricht etwas über Architektur erfahren können.
Das neue Grundstück unterscheidet sich völlig vom alten Standort der Silver Hut in Tokio. Früher in der Stadt gelegen, befindet sie sich nun auf der malerisch hügeligen Insel Omishima. Welche Umplanungen waren nötig, um das Gebäude hier aufzustellen?
Das neue Grundstück hat ein viel größeres Gefälle, als wir zunächst annahmen. Die Einebnung war daher eine schwierige Aufgabe. Glücklicherweise errichtete die Stadt Imabari für uns eine Böschungsmauer. Das Originalkonzept der Silver Hut sah einen teilweise offenen Raum vor, sodass der Wind durch das Gebäude wehen kann. Da diese halb offene Fläche überdacht ist, war sie meiner Ansicht nach gut für die Aufgabe geeignet, als Werkstatt für Kinder und Jugendliche zu dienen.
Haben die Änderungen am Gebäude einen Einfluss auf das räumliche Erlebnis?
Die Konstruktion ist die selbe geblieben, räumlich hat sich also nicht viel verändert. Da das Gebäude einen Standort ganz nahe beim Meer hat, wurde die Frage der Instandhaltung sehr wichtig. Anstatt aus Aluminium ist das Dach nun aus feuerverzinktem Stahl. Einige der orginalen Aluminiumwandteile behielten wir bei, andere ersetzten wir durch Tafeln aus glasfaserverstärktem Beton. Wegen der vielen Taifune in der Gegend musste auch die Dachabdeckung deutlich stärker ausfallen. Das Dach sorgt für genügend Schutz während der Wind darunter immer noch durch das Haus wehen kann.
Wie wird die neue Werkstattfläche genutzt? Kommen Sie auch selber mit ihren Studenten hierher?
Ich würde gerne selbst mit Studenten oder Kindern Workshops in meinem ehemaligen Wohnhaus durchführen, aber der Ort liegt ein wenig zu weit von Tokio entfernt. Ich möchte vor allem, dass die Menschen aus der Gegend den Raum nutzen und über die Zukunft der Städte nachdenken. Besonders schön wirkt das Gelände bei Sonnenuntergang, da bietet es sich auch für kleine Feiern geradezu an.
Die Steel Hut besteht aus vier Polyeder-Typen. Welche Geometrie schwebte Ihnen vor, als Sie das Gebäude entwarfen?
Zu Anfang dachte ich an ein weicheres, wellenförmiges Dach, ähnlich jenem, das ich vor vier Jahren für Meiso no Mori, eine städtische Friedhofshalle in Kakamigahara, entworfen habe. Aber wir erkannten, dass ein solches Dach die Landschaft allzu sehr beeinträchtigt hätte. Wäre das Gelände flach, würde ein weiches, wellenförmiges Dach passen. Aber da es sich um einen steilen Hügelhang handelt, würde es sich mit der Landschaft überschneiden. Der Eindruck einer markanten Silhouette des Gebäudes war wichtig, ich wollte, dass es vor einem wunderbaren Sonnenuntergang heraussticht. Dies gelingt hier meines Erachtens am besten mit einer Form, die zur Landschaft einen Kontrast bildet. Während der Be­auftragung für dieses Projekt beteiligten wir uns gerade an ei­nem Wettbewerb für die Deichman-Bibliothek in Oslo und erforschten dazu die Geometrie von Polyedern. Wir übernahmen diese Idee für das Museum.
Welches war die größte Entdeckung, die Sie im Entwurfs­prozess mit den Polyedern machten?
Harte Kanten kommen in meiner Arbeit sonst kaum vor. Polyeder besitzen eine schwierige Geometrie, weil ganz automatisch die horizontalen und vertikalen Linien sehr dominant werden. Nachdem wir die Länge von drei Metern pro Seite bestimmt hatten, war damit auch die Höhe festgelegt. Diese geometrische Form führt also zu vielen Einschränkungen. Genau genommen sieht man eigentlich nur eine Raumkante. Aber auf der Baustelle vor Ort musste man auch mit unterschiedlichen Stärken – sogar die Fußböden und Wände haben unterschiedliche Dicken – umgehen, besonders dort, wo zwei Polyeder zusammentreffen, und das machte die Montage sehr schwierig.
Welchen Rang hat das Projekt in Ihrem Œuvre? Kann man es als einen Höhepunkt betrachten?
Das Museum wurde für mich zu einem besonderen, auch ungewöhnlichen Projekt. Man kann es als ein skulpturales oder monumentales Werk betrachten. Ein solches Gebäude gab es in meinem Werk bislang noch nicht.
Was verrät dieses Gebäude über Ihre Stellung als Architekt in Japan?
Die Meinungen sind verschieden. Einige Besucher reagieren positiv, andere wollen nicht glauben, dass es eine Arbeit von mir ist! Einer meiner Freunde entdeckte bei den beiden Gebäuden einen interessanten Kontrast: In Europa würden Kirchen häufig auf Hügelspitzen errichtet. Die Steel Hut würde die Position einer Kirche einnehmen, während die Silver Hut an die Menschen zu ihren Füßen erinnere.
Wie möchten Sie Ihre Architektur von den Besuchern auf­genommen wissen?
Ich wünsche mir, dass die Besucher des Museums nicht unmittelbar ein Verständnis meiner Architektur suchen. Vielmehr sollten sie die beiden Gebäude in der Landschaft, im Kontext dieses bestimmten Ortes auf der Insel wahrnehmen. Die Gebäude und die Landschaft können mal einen Kontrast, mal einen kohärenten Zusammenhang bilden. Ich hoffe, dass die Menschen diese Beziehung zwischen der Landschaft und der Architektur erleben.
Ein Museum für seine eigenen Werke zu entwerfen, das klingt wie der ideale Abschluss einer erfolgreichen Architektenkarriere. Ich habe aber den Eindruck, dass Sie noch viele Ideen haben. Ist Ihr Wunsch nach neuen Projekten gestillt?
Das schreckliche Erdbeben vom 11. März hatte auf Architekten meines Landes eine tiefgreifende Wirkung, wenn es da­rum geht, wie sich das Verhältnis zwischen Natur und Archi­­tektur denken und infrage stellen lässt. Wir arbeiteten da­mals bereits am Entwurf einer Bibliothek in Gifu. Bei diesem Projekt ging es darum, Architektur wieder mit Natur unmittelbar in Verbindung zu bringen und ressourcenschonende Energien zu verwenden. Unser Entwurf entstand schon vor dem Erdbeben vom 11. März. Heute erweist sich dieses Thema noch zeitgemäßer. Bei zukünftigen Aufgaben wird uns die Frage nach dem Umgang mit der Natur, nach einer Versöhnung mit ihr, weiter beschäftigen. 



Fakten
Architekten Ito, Toyo, Tokio
Adresse Imabari,2418 Urado, Präfektur Ehime, Japan


aus Bauwelt 47.2011
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