Bauwelt

Goldene Pracht


Ausstellungspavillon auf dem Domplatz


Text: Heilmeyer, Florian, Berlin


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Noch bis 28. Mai ist in Münster die Ausstellung „Goldene Pracht. Mittelalterliche Schatzkunst in West­falen“ zu sehen, die vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe, vom Bistum Münster und dem Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster gemeinsam entwickelt wurde.
Sie versammelt Goldschmiede­arbeiten des Spätmittelalters aus der Region Westfalen, ins­gesamt 300 Exponate: Sinnbilder für das Ewige, Magische und Göttliche, Ausdruck und Nachweis von Macht und Reichtum ihrer Besitzer. Die Ausstellung wird an zwei Orten in Münster gleich­zeitig gezeigt, in der Domkammer und im LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte. Weil das Museum derzeit umgebaut wird, mangelt es jedoch an Platz. Hinzu kam der Wunsch, nicht nur die fertigen Objekte aus vergangenen Zeiten auszustellen, sondern auch zu zeigen wie die Goldschmiedearbeiten eigentlich gefertigt werden. Deshalb sollte für die Dauer der Ausstellung auf dem Domplatz ein Pavillon errichtet werden, der für Aufmerksamkeit sorgt und eine Werkstatt wie auch eine Informationsstelle beherbergt.

Mit dem Entwurf wurde das Büro modulorbeat von Marc Günnewig und Jan Kampshoff direkt beauftragt. Die beiden Münsteraner hatten 2007 für die „skulptur projekte münster“ bereits einen beweglichen Pavillon realisiert, der wegen seiner goldfar­benen Fassade für Aufmerksamkeit gesorgt hatte. Ihren Entwurf für die „Goldene Pracht“ erarbeiteten sie gemeinsam mit Studenten der Münster School of Architecture (msa). Ein Semester lang haben sie in wechselnden Gruppen mehrere Entwürfe entwickelt, diese verknüpft, überarbeitet, verworfen und erneut überarbeitet, bis die richtige Lage auf dem Domplatz fest stand. Mit einer zweiten Gruppe von Studenten planten sie anschließend die Ausführung und bauten den 95 m² großen Pavillon innerhalb von sechs Wochen auf. Um die Schräge des Domplatzes auszugleichen stellen sie den Bau auf Sockel aus Ortbeton und Holz, die nach dem Abbau keine Spuren hinterlassen werden.

Windmühle mit Ziehharmonika


Das Gebäude hat einen kreuzförmigen Grundriss mit vier „Flügeln“. Allerdings verjüngen sich diese leicht trichterförmig nach außen, sodass der Grundriss eher an eine abstrahierte Windmühle erinnert. Vor allem aber entsteht so eine einladende Geste hin zum zentralen Werkstatt-Raum. Dessen Wände aus Brettsperrholz geben dem Bereich eine robuste At­mosphäre. Die Fassade ist mit gold-kupfern schimmerndem Metallblech bekleidet. Es wurde so ge­kantet, dass ein vertikales Zackenprofil entstanden ist, welches an allen vier Flügeln nach innen dich­ter wird. Es ist eine Gestaltung, die mit Wenig Viel erreicht. Durch präzise Verformungen erhält das Ma­terial eine erstaunliche Komplexität. Es entsteht ein lebendiger Rhythmus, ein Spiel aus Licht und Schatten, das sich mit dem Lauf der Sonne ändert. Fast wirkt der Pavillon wie eine bewegliche Ziehharmonika-Konstruktion, die jederzeit wieder eingefahren und an einen anderen Ort transportiert werden könnte.

Tiefschwarze Bühne für die Hauptdarsteller

Das Büro modulorbeat und die Studenten haben die Innen­einrichtung nicht nur gemeinsam entworfen, sondern auch gebaut – aus kostengünstigen Standard-Teilen, wie sie in jedem Baumarkt zu haben sind. Doch erst die konsequente Gestaltung und ihre einheitliche Farbgebung machen aus den Teilen etwas Edles. Raumhohe Glaselemente lassen den Blick von außen in die Werkstatt bis zur gegenüber liegenden Öffnung zu. Die Architektur spiegelt das Thema der Ausstellung eben nicht nur in der glänzenden Hülle, sondern auch in der feinen Verarbeitung des Mate­rials. Boden, Decke und Wände sind, wie auch Möbel und Einbauten, aus hellem Holz, ebenso die Schiebetür, durch die der Workshop-Bereich vom Info-Tresen getrennt werden kann. Im Gegensatz dazu ist alles, was direkt mit der Arbeit zu tun hat, tiefschwarz lackiert worden: die Tischlampen, die Arbeitsflächen, die Schraubzwingen, ja selbst die Ölradiatoren, die Lampenkabel und die Küchenspüle. Das dient allerdings keinem gestalterischen Selbstzweck, sondern als Bühne für die Hauptdarsteller: Die goldenen Kleinteile, mit denen hier gearbeitet wird, sind auf dem Schwarz einfach besser zu erkennen.

So funktioniert diese Architektur letztlich vom großen bis zum kleinsten Maßstab: Die goldene Fassade lockt die Passanten an und weist den Weg ins Innere, wo das Holz und die schwarzen Arbeitsflächen den Blick auf das Kleine und Wertvollste lenken – auf die Objekte, um die es geht.  



Fakten
Architekten modulorbeat, Münster
Adresse Domplatz, 48143 Münster


aus Bauwelt 20.2012
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