Bauwelt

Forschungszentrum für Biotechnologie


Das Labor als Burg


Text: Cifuentes, Maria, Barcelona


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    Foto: Rubén P. Bescós

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Mit einem Forschungszentrum für medizinische Biotechnologie soll im spanischen Pamplona die Wirtschaft angekurbelt werden. Zwischen historischen Krankenhausbauten und gesichtslosen Laborkisten fällt der Bau von Vaillo + Irigaray mit seinen Stahl-Zinnen weithin sichtbar aus dem Rahmen.
Als Antwort auf die ersten Zeichen der Wirtschaftskrise legte die Regierung der Autonomen Provinz Navarra, eine der reichsten Regionen Spaniens, 2008 ein Investitionsprogramm zur Stärkung der Zukunftsbranchen auf. Neben der Agrarindustrie und erneuerbaren Energien wurden der medizinischen Molekularforschung die höchsten Wachstumspotenziale eingeräumt. Die Provinzhauptstadt Pamplona (197.000 Einwohner) kann dabei auf angesehene medizinische Einrichtungen aufbauen: nicht nur Krankenhäuser und Zentren des staatlichen Gesundheitswesens (z.B. das Hospital de Navarra oder das Hospital Virgen del Camino), sondern auch private Einrichtungen wie die Universitätsklinik oder das Zentrum für angewandte Medizinforschung CIMA, beide unter der Leitung der umstrittenen katholischen Prälatur Opus Dei.
Mit dem Neubau eines hochmodernen biomedizinischen Forschungszentrums sollten die Kompetenzen in den Kernfeldern der „roten“ Biotechnologie, also Onkologie, kardiovas­kuläre Medizin und Neurowissenschaften, weiter ausgebaut werden. Das Zentrum ist als Öffentlich-Private-Partnerschaft angelegt. Im Mittelpunkt stehen die „omik“-Technologien (Genomik, Ptoreomik und Metabolomik), die durch die Analyse von Genen, Proteinen und Metaboliten die zelluläre und molekulare Basis von Krankheiten erforschen, Biomarker und therapeutische Targets identifizieren und neue Therapieverfahren und Medikamente entwickeln.
Von Pavillons zu Kisten
Am südlichen Rand des Stadtkerns, in der Nähe des Campus der Universität von Navarra, liegt das Forschungszentrum inmitten eines medizinischen Gebäudekomplexes. Vor hundert Jahren entstand hier auf einer Wiese mit altem Baumbestand das erste „moderne“ Krankenhaus der Stadt. Gestiftet wurde es von der Witwe eines sogenannten Indianos, eines Einheimischen, der in Amerika zu Reichtum gekommen war und seiner Heimatstadt aus Dankbarkeit öffentliche Einrichtungen spendete. Die städtebauliche Struktur des ursprünglichen Krankenhauses – eine parallele Reihung langgestreckter, niedriger roter Backsteinpavillons, erschlossen durch lichte Alleen – ist trotz nicht immer sensibler Gebäudeerweiterungen und Ersatzbauten noch erkennbar. Die meisten Bauten sind mit ei­-ner fast exakten Nord-Süd-Ausrichtung an den langgestreckten Parzellen orientiert. Durch eine veränderte Aufteilung der Grundstücke ist die räumliche Lesbarkeit des Geländes als Ganzes allerdings verloren gegangen. Der Straßenraum ist knapp geworden, und die Zahl der Parkplätze reicht bei Weitem nicht, den großen Bedarf des Besucher- und Lieferverkehrs zu decken, sodass jede freie Fläche rücksichtslos zugestellt wird.
Die alten, schmalen Pavillons wurden oft durch Neubauten nach dem Prinzip „lieber breiter als höher“ ersetzt. Heute stehen banale Kisten auf den Parzellen, was zu einer vollbepackten Anlage führt, die einem Industriegelände weit ähn­licher ist als einer Campus-Klinik. Das biomedizinische Forschungszentrum (CIB) liegt im nördlichen Teil dieses Areals, unmittelbar neben einem Klinikgebäude aus jüngerer Zeit, das Behandlungseinrichtungen der Radiologie und Dialyse beherbergt. Auch diese beiden Gebäude belegen die Parzelle fast komplett, da ihr Raumprogramm eine maximale Flächenausnutzung verlangte. Dies geht zu Lasten des öffentlichen Raums, ganz zu schweigen vom Verlust des alten Baumbestands. Die Freiflächen sind zur Verkehrs- und Parkfläche reduziert, sodass kaum noch erkennbar ist, wo sich der Haupteingang befindet.
Chassis und Relief
Das CIB ist ein in sich geschlossener Baukörper. Grundriss und Querschnitte sind streng rechtwinklig; sein Volumen wirkt, als hätte man den CAD-Befehl „extrudieren“ auf den Längsschnitt angewendet. Ein Profil ungleicher Zinnen betont den hohen technischen Ausstattungsgrad des Forschungszen­trums und die Vielfalt der Versorgungstechnik: Klimaanlagen, Notstromgeneratoren, Pumpen, Kühlaggregate, Flüssigsauerstofftanks, um nur einige zu nennen. Diese für ein Großlabor unentbehrliche Ausrüstung wird weder präsentiert noch versteckt, findet aber in der Architektur Beachtung.
Die Schmalseiten des Gebäudes werden durch eine dichte Reihe markanter Stahlrippen bestimmt, die die dramatischen Höhensprünge nachzeichnen. Vor der Fassade der Längsseiten hingegen hängt ein homogener Vorhang aus Lochblechen. Sie bestehen aus 3 Millimeter starkem, eloxiertem Aluminium, sind zu Dreiecksformen gefaltet und bilden so ein elegantes Relief aus. Dieser Vorhang schützt die Räume vor direkter Sonneneinstrahlung, die die im Labor verwendeten Reagenzien zerstören könnte, und erzeugt ein diffuses Licht. Das braune Stahl-Chassis und das braun-goldene Relief aus Aluminium bilden eine einfache wie wirkungsvolle Kombination, die Leichtigkeit und Strenge zugleich vermittelt. Konstruktiv besteht das Gebäude aus einem Raster aus Stahlprofilstützen mit einem Querschnitt von 20 x 20 Zentimetern, die die Deckenplatten aus Beton tragen, und einer Reihe von 1,2 Meter bzw. 2,5 Meter hohen Betonbalken, an denen die Fassade der Längsseite aufgehängt ist. An der Schmalseite tragen die 1,2 Meter breiten Stahlrippen, die im Abstand von 1,2 Meter gesetzt sind, sich selbst und die Fassade.
Der Haupteingang liegt an der schmalen Südseite des Gebäudes unter einem Vordach, das von den omnipräsenten braunen Stahlträgern gebildet wird. Über eine gebäudebreite Freitreppe betritt man das Erdgeschoss, das Gemeinschafts- und Verwaltungsräumen vorbehalten ist. Im Eingangsbereich erinnert eine silberfarbige Decke aus recyceltem Aluminium-Foamboard an schimmernde Schwämme. Hinter der vermeintlich undurchlässigen Außenhülle liegen transparente Räume wie die Klinikbibliothek und die Verwaltungsabteilung. In die Glaswände sind Funklichtschalter integriert, die einzig sinnvolle Option in diesem Fall. Von allen außenliegenden Räumen ist nur der Konferenzraum fensterlos, vor seine Wände können rote Samtvorhänge zur Verbesserung der Akustik gezogen werden. Eine Reihe geschlossener Boxen bildet die zentrale Achse des Grundrisses mit Umkleiden, Toiletten, Lagerräumen und Versorgungsschächten.
Im Kellergeschoss befinden sich große Lagerflächen für das benachbarte Allgemeinkrankenhaus und ein aufwändiges Tierversuchslabor, eine Schlüsseleinrichtung der Medizinforschung dieser Art. Das Lager hat einen separaten Eingang – eine gleichermaßen eindrucksvolle wie funktionale Öffnung von 20 Metern Breite und 8 Metern Höhe. Sie ist an der östlichen Längsseite über eine lange Rampe zu erreichen. An der gegenüberliegenden Seite, kurz vor der nördlichen Gebäude­ecke, liegt ein zweiter Eingang für die Lagerarbeiter. Ihr Weg führt durch einen schmalen Patio, der die Tanks mit gekühltem Flüssigstickstoff vom restlichen Gebäude trennt. So wurden die Kryotanks, die aus Sicherheitsgründen für gewöhnlich irgendwo im hinteren Bereich eines Klinikgeländes versteckt sind, in das Gebäude integriert und liegen direkt neben dem Laborraum mit den Kryobanken, so dass Temperaturverluste durch lange Zuleitungen des auf -200º C herunter gekühlten Gases vermieden werden.
Strenge und Ausschweifung
In den beiden Obergeschossen sind die Laborräume und die ihnen zugeordneten technischen Nebenräume sowie die Bü­ros der Forscher untergebracht, denen ein Pausenraum direkt über dem Haupteingang zur Verfügung steht.
Die Bauaufgabe Labor legt dem Gebäude eine strenge modulare Ordnung auf. Im Obergeschoss wechseln sich zwischen den beiden vertikalen Kernen acht je 80 Quadratmeter große Labore mit gläsernen Arbeitsräumen ab. Die Labore sind nach außen offen und zum Flur hin geschlossen. Wie im Erdgeschoss sind die fensterlosen Service- und Nebenräume als zentrales Band angeordnet, sie werden von den verschiedenen Forschergruppen des CIB gemeinsam genutzt: Zellkulturraum, Elektronenmikroskopielabor, Kühl- und Sterilisa­tionsräume. Der in Laborgebäuden unerlässlichen Asepsis wird durch die PVC-Verkleidung aller Böden und Wände entsprochen. Vor allen hoch­sterilen Räumen liegen Luftschleusen. Dies betrifft zum Beispiel den Zellkulturraum, einen nach den „Good Manufacturing“-Richtlinien eingerichteten Laborraum, in dem Zell- und Gewebekulturen für therapeutische Zwecke gezüchtet werden, oder Arbeitsräume mit einer hohen bio­logischen Schutzstufe wie den sogenannten „Virusraum“, in dem mit Viren gearbeitet wird, die genetisches Material in Zellen transportieren. Der Luftaustausch in diesen Räumen wird durch spezielle Filter und Verteiler geregelt.
Um den Restriktionen der hochkontrollierten Umgebung etwas entgegen zu setzen, haben die Architekten sich eine Art graphischer „Ausschweifung“ an den Außenwänden der Laborräume erlaubt: phenolharzgetränkte Platten, bedruckt mit stark vergrößerten mikroskopischen Aufnahmen von Pigmentzellen. Die Verarbeitung wirkt sehr edel und verleiht den Oberflächen Struktur und Tiefe. Mit dem Druck im Punktraster wird ein Merkmal der äußeren Hülle aufgegriffen.
Diese Hülle ist vielleicht überhaupt eine der besten Entwurfsideen der Architekten für das Gebäude. Den beschränkten Wettbewerb 2008 gewannen sie noch mit einer Fassade aus Acrylglas (!). Zum Glück haben die Brandschutzbestimmungen einen Materialwechsel erzwungen. Die jetzige Lösung hat dem Projekt gut getan und reduziert zudem die Instandhaltungskosten. Die Faltung der 4,5 Meter hohen Bleche zu Körpern mit spitzwinklig dreieckigen Flächen hat ihre Steifigkeit soweit erhöht, dass sie ohne eine Unterkonstruktion an den Stahlbetonträgern befestigt werden konnten. Im wechselhaften Wetter Pamplonas changiert die eloxierte Fassade je nach Lichteinfall von einem gelblichen Gold bis zu einem dunklen Braun; das Volumen wirkt entsprechend hart und undurchlässig, unter direkter Sonneneinstrahlung, oder, an einem wolkenverhangenen Tag, wie eine leichte Gitterkonstruktion.



Fakten
Architekten Vaillo + Irigaray, Pamplona
Adresse Pamplona Navarra, España


aus Bauwelt 11.2013
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