Bauwelt

Experimental Research Center


Das Genom als Dekor


Text: Schultz, Brigitte, Berlin


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    Foto: Werner Huthmacher

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Auf einem 32 Hektar großen biomedizinischen Campus am Stadtrand Berlins haben Rohdecan Architekten ein Zentrum für interdisziplinäre Forschung gebaut. Dessen Fassade verrät erst auf den zweiten Blick, was sie mit der Nutzung des Gebäudes verbindet.
Der Weg zum „Experimental Research Center“ führt an den nördlichen Rand von Berlin. Die S-Bahn passiert zugewucherte Bahnflächen, ausgedehnte Kleingartenkolonien und Einfamilienhausgebiete. Dahinter tauchen die ersten Windräder in Brandenburg auf. Am S-Bahnhof Berlin-Buch wirbt ein Plakat dafür, es als Werbefläche zu mieten – für 7 DM am Tag. In dieser verschlafenen Gegend soll Forschung von Weltrang stattfinden?
Tatsächlich ist Berlin-Buch als Medizinstandort bereits seit gut 100 Jahren etabliert. In den zwanziger Jahren befand sich hier in insgesamt fünf Anlagen die damals größte und modernste Kranken­hausstadt Europas, an der bald auch wissenschaftlich gearbeitet und geforscht wurde. Der wichtigste biomedizinische Forschungskomplex der DDR blieb nach der Wende – anders als viele andere Einrichtungen seiner Art im Osten – erhalten. 1992 wurde in Buch das Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin (MDC) gegründet. Heute ge­hören zum biomedizinischen Campus auch klinische Forschungsabteilungen der Charité, das Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie und ein Biotechnologiepark mit Gründerzentrum für Startups. Im Verbund konzentrieren sie sich auf die Erforschung molekularer Ursachen von Krebs, auf Herzkreislauf- und neurodegenerative Krankheiten und verknüpfen Grundlagen- mit klinischer Forschung.
Mit 29 Gebäuden auf 32 Hektar Fläche und altem Baumbestand hat der Campus eher den Charakter eines Landschafts- denn eines Technologieparks. Um internationale Spitzenwissenschaftler anzuziehen, wird hier, wie an anderen Forschungsstandorten auch, auf moderne Architektur gesetzt. In den letzten Jahren entstanden Neubauten von Heinle, Wischer und Partner und von Staab Architekten. Am nördlichen Rand des Geländes bauten Glas Kramer Löbbert Architekten ein schlichtes, elegant wirkendes Gebäude für Hochfeld-Magnet-Resonanz-Tomografen (MRT). Es hat mit dem „Experimental Research Center“ (ERC) von Rohdecan Architekten direkt gegenüber jetzt ein Pendant bekommen. Über den Platz zwischen den beiden Bauten soll ein neuer, repräsentativer Eingang auf den Campus etabliert werden. In den biomedizinischen und chemischen Laboren des ERC werden Grundlagenforscher und Mediziner interdisziplinär arbeiten.

Im Kleingedruckten
Besonders wichtig war dem Bauherr eine markante Fassade des Gebäudes, deren Renderings er schon vor Baubeginn dazu nutzte, um auf dem international umkämpften Wissenschafts-Markt Mitarbeiter anzuwerben. Die Verkleidung aus Glastafeln passt sich den benachbarten Gebäuden, sowohl auf als auch neben dem Campus, optimal an. Durch die Verlgung der Gläser im Läuferverband entsteht ein geschickter Bezug zu den Ziegelbauten auf der gegenüberliegenden Straßenseite; die hellen Grautöne wiederum stellen eine Verbindung zur Fassade des MRT aus weißem Streckmetall sowie zur hellen Putzfassade des denkmalgeschützten, ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Instituts für Hirnforschung her, den beiden auffälligsten Nachbarn des Neubaus. Erst aus unmittelbarer Nähe fällt ins Auge, dass die unterschiedlichen Grautöne der Glastafeln auf eine Bedruckung zurückzuführen sind: Auf weißes Glas wurde sehr kleine Schrift in verschiedenen Grautönen appliziert. Nach Experimenten mit unterschiedlich stark gelochtem Blech und mit Punkten bedrucktem Glas haben sich die Architekten für diese Lösung entschieden. Die für „Normalbürger“ eher kryptischen Reihen aus den Buchstaben C, A, T und G lösen bei jedem Wissenschaftler in diesem Bereich sofort Assoziationen aus: Es handelt sich um die Ab­kürzungen der vier organischen Basen, die in der DNA des Menschen vorkommen.
Um die Rasterhaftigkeit der Grundrisse zu überspielen, werden die horizontalen Fensterbänder des sechsseitigen Prismas in unregelmäßigen Abständen unterbrochen. Die Öffnungen sind durch Einfassungen aus golden eloxiertem Aluminium hervorgehoben. Zur Südseite hin steigt die Attika an und betont so den Haupteingang des Gebäudes.
Geometrie und Dekoration
Das Eingangsfoyer mündet in ein überdachtes Atrium, das im Wettbewerbsentwurf noch als offener Innenhof geplant war. Es wird von zwei langen Treppen dominiert, deren skulpturale Wirkung durch das Fehlen eines Zwischenpodestes erhöht wird – eine geometrisch reizvolle Lösung, die bei 31 Stufen nur möglich war, da es sich nicht um im baurechtlichen Sinn notwendige Treppen handelt. Die Treppe ins erste Obergeschoss irritiert zudem durch ihre rautenähnliche Form. Trotz dieser ungewöhnlichen Verdrehung der Stufen läuft sie sich aber bequem. Durch den kleinen Kunstgriff kann der Eingangsbereich fast mittig mit der zentralen Achse des Obergeschosses verbunden werden.
Da die Forschungszyklen im Schnitt nur drei bis fünf Jahre lang sind, musste das Raumprogramm sehr flexibel gestaltet werden. Gemeinsam mit dem Bauherren, der in dieser Hinsicht mit seinem Gebäudebestand aus den siebziger und achtziger Jahren keine guten Erfahrungen gemacht hatte, entwickelten die Architekten ein System von vertikalen Zen­tralschächten für die technische Erschließung. Die horizon­talen Verteilerleitungen unter der Decke können mit wenig Aufwand nachgerüstet werden.
Um den zu erwartenden „Wildwuchs“ an Dekoration in geordnete Bahnen zu lenken, wurden zum Atrium hin alle freien Wandflächen mit weißer Magnetfarbe gestrichen. Es wird den im leeren Zustand etwas zu klinisch wirkenden Innenräumen sicher guttun, wenn diese „Riesenpinnwand“ von den Forschern in Zukunft entsprechend bespielt wird.



Fakten
Architekten Rohdecan Architekten, Dresden
Adresse Robert-Rössle-Strasse 10, 13125 Berlin-Buch


aus Bauwelt 11.2013
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