Bauwelt

Vertikaler Parametrismus

Hoch­hauskon­zepte aus dem Büro Hadid

Text: Maier-Solgk, Frank, Düsseldorf

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Foto: Jochen Stüber

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Vertikaler Parametrismus

Hoch­hauskon­zepte aus dem Büro Hadid

Text: Maier-Solgk, Frank, Düsseldorf

Schenkt man Patrik Schumacher Glauben, dann ist Parametrismus das Motto für die architektonische Zukunft.
Die universell einsetzbare, hochvariable Entwurfsmethode könne auf die Komplexität der „vernetzten, postfordistischen Welt“ reagieren und alle Ismen der letzten Jahrzehnte ersetzen – einschließlich der Moderne, die durch das Prinzip der Wiederholung gekennzeichneten sei. Parametrismus, so der langjährige Partner von Zaha Hadid bei seinem Vortrag im Kölner AIT-Architektursalon, sei als neuer „international style“ die Antwort auf die heutigen gesellschaftlichen Anforderungen.

Was Schumacher schon seit einiger Zeit mit Verve verkündet, ist nun, vielleicht, an konkreten Beispielen überprüfbar – in der Anwendung auf Hochhäuser. Bisher haben sich Zaha Hadid Architects weitgehend auf die Horizontale beschränkt und vor allem Museen und Science Center in jenem organisch fließenden Stil entworfen, der sich ganz offensichtlich an den stromlinienförmigen (Sitz)-Möbeln aus der eigenen Designabteilung orientiert. Das Hochhaus, ohnehin ein anti-avantgardistischer Bautypus, wie Schumacher findet, hätte sich bis auf Ausnahmen als „vertikale Sackgasse“ erwiesen und einer Neukonzeption erwehrt. Nun wird das erste Hochhaus aus dem Büros Hadid fertiggestellt: die Hauptverwaltung für die Reederei CGA CGM in Marseille, die sich, kühn gekrümmt, 140 Meter hoch in den südfranzösischen Himmel türmt.
 
Rechtzeitig präsentiert die Ausstellung im Architektursalon die universale Theorie dazu. Sie basiert auf Forschung im Büro selbst und auf dem Universitätsprojekt „Parametric Tower Research“, das Hadid initiiert hat. Dabei ging es darum, einen anpassungsfähigen Prototyp zu entwickeln, dessen Grundschema sich je nach Standortbedingungen (Masse, Funktion, Topographie, Klima etc.) variieren lässt. Die erreichte größere Vielfalt im Hochhausbau ist, Schumacher zufolge, das Ergebnis einer Neu-Analyse des Gesamtsystems Hochhaus mit seinen vier Subsystemen: Tragsystem (Skelett), Fassadensystem (Hülle), Nutzflächensystem (Geschosse), Navi­gationssystem (Lufträume, Aufzüge). Das Tragsystem des Prototyps soll dazu als „Netz aus rein linearen Elementen gestaltet sein, dessen Stabilität nicht mehr auf einen massiven Kern angewiesen ist“. Und – ganz entscheidend – die Tragfunktion soll von den anderen Subsystemen getrennt werden; selbst die Geschosse sehen die Architekten in diesem Zusam­menhang nicht als Teil des Tragsystems.

Und so erinnert nichts, was im dunkel ausstaffierten Architektursalon effektvoll präsentiert ist, an ein klassisches Hochhaus; die rund 20 filigranen, weißen Hochhausmodelle, die ein 3-D-Printer aus flüssigem Kunststoff angefertigt hat, ähneln vielmehr eleganten, sich in die Höhe schraubenden Vasen. (Tatsächlich sind auch Vasen ausgestellt, die Hadid u.a. für Alessi gestaltet hat.) Die Hochhausentwürfe für Barcelona, Kairo („Nile Tower“), Dubai („Dancing Towers“), New York etc. haben kein gleichmäßiges Fassadenraster mehr; die Maschendichte der Hülle ist entsprechend der unterschiedlichen Kräfteverteilung ausgebildet, was auch die verschiedenen Nutzungen, Wohnen, Arbeiten und Shopping, widerspiegeln soll. Ist gleich ein ganzes Ensemble von Hochhäusern vorgesehen, bilden sie Cluster – organisiert, wie sich Schwärme formieren. Kein Wunder, dass Patrik Schumacher allein Frei Otto als Vorbild seiner Prototyp-Entwicklung gelten lässt, ähneln die Modelle doch auch Skeletten, die man der Natur abgeschaut hat.
 
Egal übrigens, für wie überzeugend man die parametrische Entwurfsmethode hält: Manche der Modelle besitzen eine jugendstilhafte, „klassische“ Formschönheit – wenn dieses altmodische Wort auf sie denn anwendbar ist.
Fakten
Architekten Zaha Hadid Architects, London
aus Bauwelt 6.2012
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