Bauwelt

Paradigmenwechsel am Nil?

Kairo nach der Revolution

Text: Redeker, Cornelia, Kairo; Seidel, Florian, Kairo

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    "Baladilab", gegründet 2011, ist ein Team von Architekten, das die „versteckten Potenziale ägyptischer Städte entdecken“ will und Konferenzen, Workshops und universitäre Entwurfsprojekte initiiert.
    Baladilab

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    "Baladilab", gegründet 2011, ist ein Team von Architekten, das die „versteckten Potenziale ägyptischer Städte entdecken“ will und Konferenzen, Workshops und universitäre Entwurfsprojekte initiiert.

    Baladilab

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    Schwerpunkte der Arbeit liegen im Bereich lebendiger Baugeschichte (Downtown Cairo) und partizipatorischer Freiflächenplanungen in Elementarschulen in Kairo (Learn-Move-Play-Ground).
    www.baladilab.com

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    Schwerpunkte der Arbeit liegen im Bereich lebendiger Baugeschichte (Downtown Cairo) und partizipatorischer Freiflächenplanungen in Elementarschulen in Kairo (Learn-Move-Play-Ground).
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    "Cairobserver" ist eine Onlineplattform für Architekten, Journalisten, Historiker, Künstler und Stadtbewohner. Gemeinsames Ziel: Kairo neu denken und verbessern.
    Cairobserver

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    "Cairobserver" ist eine Onlineplattform für Architekten, Journalisten, Historiker, Künstler und Stadtbewohner. Gemeinsames Ziel: Kairo neu denken und verbessern.

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    Die Seite verbindet persönliche Anekdoten, aktuelle Neuigkeiten, Links und Erfahrungsberichten von anderen Orten.
    cairobserver.com

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    "Nile Taxi" hat im Jahr 2013 seinen Betrieb aufgenommen, um dem chronischen Verkehrsstau auf den Straßen Kairos eine eigentlich naheliegende Lösung entgegenzusetzen:

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    "Nile Taxi" hat im Jahr 2013 seinen Betrieb aufgenommen, um dem chronischen Verkehrsstau auf den Straßen Kairos eine eigentlich naheliegende Lösung entgegenzusetzen:

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    Ein schnelles Taxiboot entlang des Nils, während der Rush Hour im fahrplanmäßigen Liniendienst, sonst mit telefonischer Vorbestellung.
    niletaxi.com

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    Ein schnelles Taxiboot entlang des Nils, während der Rush Hour im fahrplanmäßigen Liniendienst, sonst mit telefonischer Vorbestellung.
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    "icecairo" ist ein sozial orientiertes Unternehmen und Teil eines internationalen Netzwerks, das mit "iceaddis" in Äthiopien und "icebauhaus" begann. Unternehmensziel ist es, ökologische und soziale Herausforderungen gemeinschaftlich anzugehen ...

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    "icecairo" ist ein sozial orientiertes Unternehmen und Teil eines internationalen Netzwerks, das mit "iceaddis" in Äthiopien und "icebauhaus" begann. Unternehmensziel ist es, ökologische und soziale Herausforderungen gemeinschaftlich anzugehen ...

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    ... und daraus Geschäftsideen zu entwicklen. "icecairo" betreibt in Kairo unter anderem ein "Fablab", einen Co-Working-Space und organisiert Veranstaltungen.
    icecairo.com

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    ... und daraus Geschäftsideen zu entwicklen. "icecairo" betreibt in Kairo unter anderem ein "Fablab", einen Co-Working-Space und organisiert Veranstaltungen.
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    CLUSTER (Cairo Lab for Urban Studies, Training and Environmental Research) wurde kurz nach der Revolution im Januar 2011 gegründet. Die erste Publikation des Büros, "Archiving the City in Flux", ...

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    CLUSTER (Cairo Lab for Urban Studies, Training and Environmental Research) wurde kurz nach der Revolution im Januar 2011 gegründet. Die erste Publikation des Büros, "Archiving the City in Flux", ...

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    ... dokumentiert die Veränderungen des Alltags in Kairo nach der Revolution. CLUSTER will die unscharfen Grenzen zwischen formellen und institutionellen Regeln und der täglichen Informalität neu verhandeln.
    clustercairo.org

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    ... dokumentiert die Veränderungen des Alltags in Kairo nach der Revolution. CLUSTER will die unscharfen Grenzen zwischen formellen und institutionellen Regeln und der täglichen Informalität neu verhandeln.
    clustercairo.org

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    "egyptbuildingcollapses" ist die erste Dokumentation eingestürzter Gebäude in Ägypten, zusammengestellt anhand von Interviews und Zeitungsberichten.

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    "egyptbuildingcollapses" ist die erste Dokumentation eingestürzter Gebäude in Ägypten, zusammengestellt anhand von Interviews und Zeitungsberichten.

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    Die englisch-arabische Dokumentation wurde von "Shadow Ministry of Housing" und der "Egyptian Initiative for Personal Rights (EIPR)"erstellt und listet die Anzahl von Todesfällen, Verletzten und Obdachlosen und die Ursache des Einsturzes.
    egyptbuildingcollapses.org

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    Die englisch-arabische Dokumentation wurde von "Shadow Ministry of Housing" und der "Egyptian Initiative for Personal Rights (EIPR)"erstellt und listet die Anzahl von Todesfällen, Verletzten und Obdachlosen und die Ursache des Einsturzes.
    egyptbuildingcollapses.org

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    "Green Arm" ist Teil der NGO Nahdet El-Mahrousa und beschäftigt sich mit den ökologischen Herausforderungen Ägyptens. Einige Mitglieder haben die ägyptische Fahrradbewegung mitbegründet.

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    "Green Arm" ist Teil der NGO Nahdet El-Mahrousa und beschäftigt sich mit den ökologischen Herausforderungen Ägyptens. Einige Mitglieder haben die ägyptische Fahrradbewegung mitbegründet.

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    Green Arm fordert nachhaltige Verkehrslösungen und besteht aus einem Think Tank und einem "Outreach Program".
    greenarm.org

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    Green Arm fordert nachhaltige Verkehrslösungen und besteht aus einem Think Tank und einem "Outreach Program".
    greenarm.org

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    "madd" wurde 2011 von jungen Architekten und Stadtplanern gegründet und arbeitet unter anderem in dem vom Abriss bedrohten Stadtviertel "Maspero Triangle" am Nil.

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    "madd" wurde 2011 von jungen Architekten und Stadtplanern gegründet und arbeitet unter anderem in dem vom Abriss bedrohten Stadtviertel "Maspero Triangle" am Nil.

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    "madd" (arabisch für: Erweiterung) ist eine Plattform, die Projekte umsetzt, indem sie Projektbeteiligte, Initiativen, interessierten Experten und mögliche Förderer zusammenbringt.
    MADD auf Tumblr

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    "madd" (arabisch für: Erweiterung) ist eine Plattform, die Projekte umsetzt, indem sie Projektbeteiligte, Initiativen, interessierten Experten und mögliche Förderer zusammenbringt.
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    "Megawra" ist eine Architekturplattform für Studierende und junge Architekten, die eine breite Öffentlichkeit erreicht. Neben Vorträgen und Workshops bietet Megawra auch Arbeitsplätze.

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    "Megawra" ist eine Architekturplattform für Studierende und junge Architekten, die eine breite Öffentlichkeit erreicht. Neben Vorträgen und Workshops bietet Megawra auch Arbeitsplätze.

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    Im Fokus steht die Rolle von Architektur auf dem Weg zu einer nachhaltigen und sozial verantwortlich gebauten Umwelt.
    www.megawra.com

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    "Nawaya" ist ein Team junger Experten, die, inspiriert durch die Revolution, mit Partnern an Projekten im ländlichen Ägypten arbeiten. Nachhaltige Landwirtschaft wird als treibende Kraft für produzierende Gemeinden gesehen.

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    Nawaya verfolgt Entwicklungsziele, die die Armen begünstigen und soziale und ökologische Gerechtigkeit fördern.
    nawayaegypt.org

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    Nawaya verfolgt Entwicklungsziele, die die Armen begünstigen und soziale und ökologische Gerechtigkeit fördern.
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    "Egypt 712" der Remal Foundation ist eine strategische Vision für ganz Ägypten (im Bild das Nildelta).

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    "Egypt 712" der Remal Foundation ist eine strategische Vision für ganz Ägypten (im Bild das Nildelta).

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    Ein Team von Experten schlägt ein neues Städtenetzwerk vor: als Gegenmodell zur Zentralisierung Kairos und der Beschränkung auf den Nilkorridor als Entwicklungsraum.
    Präsentation Egypt 712

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    Ein Team von Experten schlägt ein neues Städtenetzwerk vor: als Gegenmodell zur Zentralisierung Kairos und der Beschränkung auf den Nilkorridor als Entwicklungsraum.
    Präsentation Egypt 712

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    "Schaduf Microfarms" unterstützen einkommensschwache Nachbarschaften bei der Errichtung und Bewirtschaftung von Dachgärten und errichten private Gärten für eine Klientel, die sich für den Eigenanbau gesunder Nahrung interessiert.

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    "Schaduf Microfarms" unterstützen einkommensschwache Nachbarschaften bei der Errichtung und Bewirtschaftung von Dachgärten und errichten private Gärten für eine Klientel, die sich für den Eigenanbau gesunder Nahrung interessiert.

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    Schaduf ist auch die erste Firma in Ägypten, die Wände, Decken und Busdächer zum Leben erweckt - mit Hydrokulturen, um den Wasserverbrauch zu minimieren.
    www.schaduf.com

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    Schaduf ist auch die erste Firma in Ägypten, die Wände, Decken und Busdächer zum Leben erweckt - mit Hydrokulturen, um den Wasserverbrauch zu minimieren.
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    Shadow Ministry of Housing ist ein kritischer Blog zur Planungspolitik Ägyptens und wurde 2008 gegründet. Der Blog adressiert in erster Linie eine arabischsprachige Klientel, ...

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    Shadow Ministry of Housing ist ein kritischer Blog zur Planungspolitik Ägyptens und wurde 2008 gegründet. Der Blog adressiert in erster Linie eine arabischsprachige Klientel, ...

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    ... da kaum Texte zur bebauten Umwelt Ägyptens auf Arabisch existieren.
    blog.shadowministryofhousing.org/

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    "Takween", eine 2009 gegründete private Stadtentwicklungsgesellschaft, hat im Rahmen eines UNESCO-Projekts eine Bestandsaufnahme von Hassan Fathys Siedlung New Gourna bei Luxor im Rahmen eines UNESCO-Projekts gemacht ...

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    "Takween", eine 2009 gegründete private Stadtentwicklungsgesellschaft, hat im Rahmen eines UNESCO-Projekts eine Bestandsaufnahme von Hassan Fathys Siedlung New Gourna bei Luxor im Rahmen eines UNESCO-Projekts gemacht ...

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    ... und arbeitet an vielen anderen Projekten, die auf eine nachhaltige soziale und wirtschaftliche Entwicklung zielen.
    www.takween-eg.com

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    ... und arbeitet an vielen anderen Projekten, die auf eine nachhaltige soziale und wirtschaftliche Entwicklung zielen.
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    Urban Collective Cairo ist ein 2014 gegründeter Blog mit einer Fotosammlung der Megastadt.

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    Urban Collective Cairo ist ein 2014 gegründeter Blog mit einer Fotosammlung der Megastadt.

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    Fotos von Urban Collective Cairo finden Sie auch in Bauwelt 26.2014, die einige der hier vorgestellten Akteure des postrevolutionären Kairo zu Wort kommen lässt.
    urbancollectivecairo.tumblr.com

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    Fotos von Urban Collective Cairo finden Sie auch in Bauwelt 26.2014, die einige der hier vorgestellten Akteure des postrevolutionären Kairo zu Wort kommen lässt.
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Foto: Vlatka Seremet

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Foto: Ahmed Maged/Urban Collective Cairo

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Paradigmenwechsel am Nil?

Kairo nach der Revolution

Text: Redeker, Cornelia, Kairo; Seidel, Florian, Kairo

Seit dem Sturz des Mubarak-Regimes im Januar 2011 in Ägypten hat sich auch das Umfeld für Architekten und Stadtplaner verändert. Sie versuchen, die historische Situation zu nutzen und fordern mehr Öffentlichkeit und Beteiligung
Dreieinhalb Jahre nach dem Beginn des Arabischen Frühlings hat der öffentliche Raum in Kairo die Rolle des Politischen verloren. Der Wunsch einer ermüdeten Gesellschaft nach Normalität birgt die Gefahr einer Rückkehr zu Selbstzensur und zu politischen Strukturen, die Auslöser der Demonstrationen im Januar 2011 waren. Und dennoch hat die Revolution gerade auch in den dringlichen Fragen des Wohnungsbaus und der Stadtentwicklung ihre Spuren hinterlassen: Architekten, Stadtplaner und Denkmalschützer fordern, unterstützt von internationalen NGOs und Hilfsorganisationen, einen Paradigmenwechsel in der Planungskultur. Sie versuchen, aus den informellen Siedlungen und den Strategien ihrer Bewohner zu ler­nen, und das Vakuum der formellen Planung zu füllen, das dreißig Jahre Mubarak-Regime und die rasch wechselnden Regierungen hinterlassen haben. Einige dieser Akteure wollen wir in diesem Heft vorstellen.
Leerstand und Fehlplanung
Mit 20 Millionen Einwohnern erscheint die Megastadt Kairo beispielhaft für die so oft prognostizierte, aber nie eintretende urbane Apokalypse. Trotz städtischer Armut, Umweltverschmutzung jenseits aller Grenzwerte (laut WHO liegt Kairo auf Platz 2 gleich hinter Beijing), Dauerstau bis zum Stillstand, unterlegt mit der typischen Soundcollage aus Hupgeräuschen und den Rufen der Muezzine, funktioniert diese Stadt „außer Kontrolle“ auf magische Art und Weise weiter. Kairo oder „Oum al Dunja“ (Mutter der Welt) ist ein Teppich dicht gewobener städtebaulicher Muster islamischer, kolonialer, sozialistischer und nicht zuletzt eklektischer Prägung. Hinzu kommen die informellen Siedlungen aus Stahlbeton­strukturen mit einschaliger Ziegelfüllung, in denen 60–80 Prozent der Bevölkerung wohnt. Als sich ausbreitende urbane Baumasse stellen sie insbesondere im Niltal eine Bedrohung dar: Bewirtschaftbare Flächen sind eine knappe Ressource in Ägypten, nur vier Prozent des Landes (das Niltal und das Nildelta) sind agrarisch nutzbar, der Rest ist Wüste und nur unter enormem Aufwand zu kultivieren. Durch das Ausbleiben formeller Planungen und Investitionen hat die informelle Stadtentwicklung seit der Revolution eine bisher ungekannte Dynamik erreicht. Das Wachstum dieser Siedlungen hat sich nach Erhebungen des Stadtökonomen David Sims seit 2011 um den Faktor 4,5 beschleunigt. Mit geschätzten 20.000 Personen pro Quadratkilometer hat „Greater Cairo“ eine der höchsten urbanen Dichten weltweit und mit eineinhalb Quadrat­metern pro Einwohner einen der niedrigsten Grünflächenanteile. Wer es sich leisten kann, wählt das Modell Suburbia.
So zieht die wachsende Mittelklasse aus den zentralen Stadtteilen in die Entlastungsstädte in der Wüste. Die „New Urban Communities“ werden seit den siebziger Jahren auf ehemals militärischen Flächen geplant, um den Druck auf die Flächen des Niltals zu mindern. Dies hat einen spekulativen Immobilienmarkt generiert, der weder räumlich noch sozial auf die bestehenden Bedürfnisse der meisten Wohnungssuchenden eingeht. Werbetafeln der Projektentwickler entlang der erst 2005 fertiggestellten „Ringroad“, der Stadtautobahn von Kairo, preisen in englischer Sprache lauschig-grüne Gated Communities an. Oft kaufen Familien mehrere Wohnungen in ei­nem Gebäude, um für die nächste Generation vorzusorgen. Das typische Modell des Mehrgenerationenwohnens entspricht der vorherrschenden Gesellschaftsform Großfamilie. Immobilien werden als einzig sichere Anlage gesehen. Der exorbitant steigende Bodenpreis gibt den Käufern bisher recht.
 Gleichzeitig gelingt es dem Staat nicht, mit seinen Wohnungsbauprojekten, die schon in den fünfziger Jahren ein­geführt wurden und seit den Neunzigern auch in den neuen Wüstenerweiterungen realisiert werden, die eigentlich Bedürftigen zu erreichen. Es fehlen ein nachvollziehbares Vergabesystem, öffentliche Verkehrsanbindungen, Arbeitsmöglichkeiten und Grundrisse, die multifunktional nutzbar sind. Ägyptens staatliche Wohnungsbauprogramme, von Sims als „endlos anhaltende Liebesaffäre“ bezeichnet, werden in großem Umfang geplant, ihr Erfolg leider nur in gebauten Wohneinheiten gemessen. Tatsächlich fehlt ein Konzept für die wirklich Bedürftigen, die auf lokale Mikroökonomien und damit auf eine höhere städtebauliche Dichte angewiesen sind. Die Einwohnerzahlen der neuen Wüstenstädte bleiben daher weit hinter den Erwartungen zurück. Trotz des enormen Bedarfs an bezahlbarem Wohnraum gibt es geschätzt eine Million unbezogene Wohnungen sowohl in den zentralen Stadtteilen als auch im Großraum Kairo. In den älteren Vierteln steht der Wohnungsbaubestand aufgrund von fehlenden Mieteinnahmen leer, eine Folge des Fixmietensystems, das unter Gamal Abdel Nasser in den fünfziger Jahren eingeführt wurde und teilweise einstellige Mieten auch in priviligierten Lagen hervorgebracht hat. In den informellen Siedlungen, wo die Mieten deutlich höher liegen, fehlt oftmals die Infrastruktur, während in den Satellitenstädten in der Wüste Rohbauten neben nur teilweise bewohnten Prunkvillen stehen und vorübergehend von Wanderarbeitern und ihren Familien bewohnt werden. Dem Verfall von Downtown, dem kolonialen Teil der Innenstadt, versucht seit 2006 die Immobilienwirtschaft durch den strategischen Ankauf einzelner Gebäuden Einhalt zu gewähren.
Clanstrukturen versus Bildungselite
Sechzig Prozent der etwa 85 Millionen Einwohner Ägyptens sind jünger als 29 Jahre, fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung sind Analphabeten. Alle zehn Monate steigt die Einwohnerzahl um eine Million an – alleine seit 2011 ist sie um vier Millionen Menschen gewachsen, während das Land in eine tiefe Krise stürzte. Es fehlt nicht nur ein funktionierender Arbeitsmarkt, auch das Ausbildungssystem bleibt hinter den Notwendigkeiten zurück. Gleichzeitig gibt es eine westlich orientierte Geld- und Bildungselite, die sich eine repräsentative Stadt wünscht, eine Stadt, die ihrer Historie und Internatio­nalität gerecht wird. Der vorerst letzte Versuch des Wohnungsbauministeriums, dieser Klientel zu entsprechen, war die Planung „Cairo 2050“ aus dem Jahr 2008, ein neoliberalistisches Modell, das den informellen Bestand der Stadt leichtfüßig überschreibt (siehe Seite 29). Es steht für eine Entwicklung, die sich eher an den Golfstaaten als an den tatsächlichen Gegebenheiten orientiert. In diesen Parallelwelten, die zum Teil mittelalterlich wirken (wie die selbstregierten Clanstrukturen auf den innerstädtischen, vorwiegend landwirtschaftlich genutzten Nilinseln), zum Teil an die segregierten Gesellschaftsstrukturen des 19. Jahrhunderts in Europa erinnern, agiert eine Armada von NGOs, internationalen Hilfsorganisationen, und anderen urbanen Akteuren.
Die zukünftige Entwicklung Kairos wird davon abhängen, inwieweit sich die staatliche Planung öffnen wird, um die bestehenden informellen Siedlungen und deren Potenzial der Selbstorganisation in eine langfristige Planung zu integrieren – so wie es unsere Gesprächspartner bereits tun. Der Großraum Kairo unterliegt nicht einer Verwaltungseinheit, sondern gleich dreien, die Stadt Kairo gibt es in dem Sinn nicht. Die Stadt bedarf jedoch einer Gesamtstrategie, die Fragen der Ressourcenknappheit in verschiedensten Bereichen (Wasser, Elek­trizität, Diesel, Bildung und Jobs) als Ausgangspunkt nimmt, um nachhaltige Lösungen entwickeln zu können. Auch die Architektenausbildung muss sich mit der wachsenden Informalität beschäftigen; die Projekte und Ansätze in diesem Heft beschreiben neue Handlungsfelder für unsere Disziplin, die in einem Großteil der sich urbanisierenden Welt relevant sind.
Die Schlacht um Referenzrahmen
Nach Revolution, Absetzung der ersten demokratisch legitimierten, aber (zum Missfallen liberaler und sekulärer Kräfte) islamischen Regierung und den Neuwahlen im Juni dieses Jahres bleibt die weitere Entwicklung der Stadt unklar. Seit dem Sturz des Mubarak-Regimes haben sich in schneller Folge drei politische Systeme abgewechselt: Einer Regierungszeit des Militärrats folgte die kurzlebige Herrschaft der Muslimbruderschaft, 2013 übernahm wiederum ein vom Militär eingesetzter Übergangspräsident die Macht. Die Straßen Kairos, die zunächst als Bühne einer friedlichen Revolution dienten, wurden zum Schauplatz oft blutig ausgetragener politischer Auseinandersetzungen. Der öffentliche Raum der Stadt wurde von Straßenverkäufern und fliegenden Straßencafés übernommen, die Kriminalität hat in der Wahrnehmung der meisten Beobachter zugenommen, und das vom Verfall bedrohte Ägyptische Pfund wurde in immer rasanterem Tempo in Betongold angelegt. Die Zeit schneller Systemwechsel hat mit dem neuen, abermals aus dem Militär stammenden Präsidenten Abdelfat­tah El Sisi wahrscheinlich ein Ende gefunden. Lösungen für die tiefgreifenden demographischen und sozio-ökonomischen Probleme des Landes sind damit nicht ein­facher geworden.
Die Herausforderung, die sich für Kairo und für Ägypten nach wie vor stellt, benennt der Urbanist Omar Nagati als „die Schlacht um Referenzrahmen“. Sie zieht sich durch alle gesellschaftlichen Bereiche und reflektiert die Identitätskrise eines durch äußere Einflüsse geprägten Landes: Scharia oder Neufert? Oder gibt es einen neuen Wertekanon jenseits von fundamentalistischem und modernistischem Entweder-Oder? Welche Wertevorstellungen treffen den Nerv der Zeit? Es bleibt zu hoffen, dass die jüngsten politischen Entwicklungen eine Diskussion zulassen anstelle einer Schlacht, beziehungsweise, wie es seit der jüngsten Wahl scheint, einer Zensur. Ein mögliches Modell dafür gibt es. Auf dem World Urban Forum in Medellín Anfang des Jahres präsentierte sich Ägypten mit drei Akteuren: Die staatlichen Planungsinstitutionen teilten sich einen Präsentationsstand mit UN Habitat und einigen Akteuren dieses Heftes. Ein Schulterschluss zwischen Think Tanks, Architekten und Stadtplanern, gemeinnützigen Plattformen und den offiziellen Institutionen nicht nur zu Repräsentationszwecken – das kann eine produktive Perspektive für Kairos Stadtentwicklung sein.

Adresse Kairo


aus Bauwelt 26.2014
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