Tiny Church in Kopenhagen
Die temporäre Tiny Church im Kopenhagener Nordhavn wurde vom Architekten Julius Nielsen als Zwölfeck entworfen und in ihrer Nutzung als Mischung aus sakralem und profanem Raum angelegt.
Text: Bruun Yde, Marie, Berlin
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Über die Bank auf dem überdachten Holzdeck läuft eine Hutablage, die zur Nischenhaftigkeit beiträgt. Die zwölfeckige Form der Rotunde verweist auf die zwölf Apostel.
Über die Bank auf dem überdachten Holzdeck läuft eine Hutablage, die zur Nischenhaftigkeit beiträgt. Die zwölfeckige Form der Rotunde verweist auf die zwölf Apostel.
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Die winzige Kirche befindet sich an der nördlichen Spitze des Nordhafens ...
Foto: Hampus Berndtson
Die winzige Kirche befindet sich an der nördlichen Spitze des Nordhafens ...
Foto: Hampus Berndtson
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... im kleinteiligen Skudehavn zwischen Sportboothafen, Schiffsbauwerften und Klubhäuschen.
Foto: Hampus Berndtson
... im kleinteiligen Skudehavn zwischen Sportboothafen, Schiffsbauwerften und Klubhäuschen.
Foto: Hampus Berndtson
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Das runde Ornament setzt sich im Innenraum fort, ...
Foto: Hampus Berndtson
Das runde Ornament setzt sich im Innenraum fort, ...
Foto: Hampus Berndtson
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... zieht sich als Motiv durch die Bodendetails und findet im Altar seinen Abschluss.
Foto: Hampus Berndtson
... zieht sich als Motiv durch die Bodendetails und findet im Altar seinen Abschluss.
Foto: Hampus Berndtson
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Der intime Innenraum kann allein durch Kerzenlicht erhellt werden und bietet Platz für 50 Menschen.
Foto: Hampus Berndtson
Der intime Innenraum kann allein durch Kerzenlicht erhellt werden und bietet Platz für 50 Menschen.
Foto: Hampus Berndtson
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Die Gesamtfläche der Kirche beträgt 76 Quadratmeter.
Foto: Hampus Berndtson
Die Gesamtfläche der Kirche beträgt 76 Quadratmeter.
Foto: Hampus Berndtson
Nach Jahrzehnten ohne Neubau von Kirchen werden im wachsenden Kopenhagen wieder welche gebaut. Im neuen Stadtteil Ørestad entsteht eine Kirche, die eher nach Konzertsaal als Sakralbau aussieht, für den Sydhavn und den Nordhavn sind auch neue in Planung. Während der Planungs- und Bauzeit finden die kirchlichen Aktivitäten in temporären Räumen statt, in Sydhavn gibt es übergangsweise eine Kirche auf dem Schiff, in Nordhavn wurde eine Tiny Church errichtet.
Fährt man vom organisch gewachsenen Østerbro durch das glatte Neubauquartier von Nordhavn, geht der Weg noch weit über indus-triell geprägte Hafenbassins und -gelände, be-vor man fast an der Spitze des Nordhavns die Minikirche erreicht. Sie befindet sich an der Ecke einer Wiese in einer kleinen Enklave von Fischerhäuschen, Containerbauten und Werkstätten. Um das freistehende, fast runde, jedoch kastenartige, schwarze Gebäude läuft eine Veranda mit Holzdeck und einer Bank an der Fassade, wie ein Zelt, eine Kulisse oder Bühne im Freiraum, ein Sommerwohnzimmer für die Nachbarschaft.
Verschiebbar
In Dänemark hängen Kirche und Staat eng zusammen, Pfarrer sind beispielsweise Angestellte des Staats. Siebzig Prozent der Däninnen und Dänen sind Mitglieder der evangelisch-lutherischen Volkskirche, und die Kirche spielt weiterhin eine kulturelle und rituelle Rolle. Doch immer weniger Menschen meinen, an Gott zu glauben, oder besuchen die Kirche, und die Institution versucht sich neu zu erfinden.
Entsprechend betonte die Ausschreibung von der Hans-Egede-Gemeinde, dem Kirchendis-trikt Holmen-Østerbro und dem Kirchenfond die Notwendigkeit einer doppelten sakralen und sekulären Funktion. Ästhetisch sollte die Kirche als Kirchenraum erscheinen können, musste aber nicht klassisch wie eine Kreuz- oder Prozessionskirche aussehen, umgekehrt sollte der Raum für Yoga oder Vorlesungen sich nicht als Kirchenraum anfühlen. Altar und Taufbecken sollten deshalb verschieb- oder verdeckbar sein, die Küche ebenso. Als Inspiration nannten die Auftraggeber die Tiny Church in Almere, die auf eine Drehscheibe steht und sich immer nach der Sonne richtet.
Julius Nielsen ging als Sieger des offenen Wettbewerbs hervor. Sein Bau ist von Symbolik und Ikonografie befreit, insbesondere das Exterieur tritt nicht als Kirche auf, strebt nicht nach oben, sieht eher wie ein Gemeinschaftshaus oder ein Theater aus. Während die pavillonhafte, eigenartige Gestaltung einen Kulturbau andeutet, der sich vom schrebergartenähnlichen Kontext abhebt, fügt sich das Gebäude durch die günstigen Holzbretter und das einfache Handwerk in die Umgebung ein. Dass Architektur bautechnisch lesbar ist, sei ihm wichtig, erzählt Julius Nielsen, für den der Auftrag bisher der wichtigste seiner Laufbahn war. Die Kirche sollte aber auch ernsthaft aussehen: Was sie an Höhe nicht hat, leistet die schwarze Farbe, die zur Monumentalität und zum Objektcharakter beiträgt.
Die nicht so kirchlich aussehende Kirche steht auf 17 Schraubpfählen, sollte möglichst wenig das Gelände belasten und ist für Demontage und Wiederaufbau vorgesehen. Durch den Einsatz von biobasierten und erneuerbaren Materialien – vor allem die Holzkonstruktion – soll der ökologische Fußabdruck minimiert werden.
Szenenwechsel
Im Innenraum kontrastiert die schwarze eine weiße Farbschicht. Hier passiert der Szenenwechsel, es wird feierlich. Unten hängen braune Vorhänge hinter dem Säulenring, oben sind Wand und Decke weiß gestrichen, gekrönt wird der Raum von einer Oberlichtöffnung, die den Raum mit einer Ahnung von Transzendenz erfüllt. Dieser Übergang, die Besucherinnen und Besucher in eine andere Stimmung zu versetzen, musste bei dem kleinen Bauwerk, in dem kein Mittelschiff vorhanden ist, erklärt Julius Nielsen, schnell und allein durch die unmittelbare Raumwirkung erfolgen. Ansonsten scheint das Interieur nicht ausgeprägt heilig: Hinter den Gardinen befinden sich Nischen mit Toilette, Küche und Stauraum für Stühle und Abendmahlstisch. Ohne kirchliche Ausstattungselemente wirkt der Raum unaufgeladen.
So verkörpert die Tiny Church eine zeitgenössische kirchliche Architektur in Veränderung: weg von monumental-heroischen Gesten, hin zu Pragmatismus, Gemeinschaftsnutzen und bescheidener, aber sichtbarer Präsenz, die aus feiner Materialität und subtilen Details erwächst. Statt auf Repräsentation zu zielen, rückt Zugänglichkeit in den Vordergrund – zumindest so lan-ge sie noch steht.
Fakten
Architekten
Julius Nielsen Office, Kopenhagen
Adresse
Vesterhavsvej 2, 2150 København, Dänemark
aus
Bauwelt 25.2025
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