Bauwelt

New York City is dead?

Die Ratlosigkeit über die weitere Entwicklung der Stadt New York wächst. Die Preise für Mieten und Immobilien zielen auf eine win­zige Minderheit und das neue Milliardärsquartier rund um die Kultur-Zitadelle „The Shed“ markiert einen weiteren Schritt in diese Richtung. Wie solche Orte des globalen Eventkapitalismus städtebaulich funktionieren, macht die riesige Shoppingmall deutlich, die Hudson Yards von der Stadtstruktur von Manhattan abschneidet.

Text: Geipel, Kaye, Berlin

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    Acht der geplanten 16 Hochhäuser von Hudson Yards sind bereits realisiert. The Shed und The Vessel wirken wie Spielzeug zwischen den Türmen.
    Foto: courtesy Hudson-Yards, NewYork.com

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    Acht der geplanten 16 Hochhäuser von Hudson Yards sind bereits realisiert. The Shed und The Vessel wirken wie Spielzeug zwischen den Türmen.

    Foto: courtesy Hudson-Yards, NewYork.com

New York City is dead?

Die Ratlosigkeit über die weitere Entwicklung der Stadt New York wächst. Die Preise für Mieten und Immobilien zielen auf eine win­zige Minderheit und das neue Milliardärsquartier rund um die Kultur-Zitadelle „The Shed“ markiert einen weiteren Schritt in diese Richtung. Wie solche Orte des globalen Eventkapitalismus städtebaulich funktionieren, macht die riesige Shoppingmall deutlich, die Hudson Yards von der Stadtstruktur von Manhattan abschneidet.

Text: Geipel, Kaye, Berlin

„New York is dead?“ – so der plakative Titel einer Konferenz in Manhattan, die im April an der Columbia University abgehalten wurde. Ein Fragezeichen als Hoffnungsschimmer für eine Stadt ohne Zukunft? Hintergrund dieser und einer Vielzahl ähnlicher Veranstaltungen und Veröffent­lichungen ist der Befund einer Stadt des ökonomischen Größenwahns, die von globalen Handelsketten, nadeldünnen Hochhäusern mit Luxuswohnungen und einer politisch nicht mehr kon­trollierten Gewinnsucht beherrscht wird. Jeder Quadratzentimeter städtischen Bodens wird zu Traumpreisen vermarktet und nur noch gut situierte Touristen auf der schnellen Durchreise lassen sich blenden.
Das Thema der „Toten Stadt“ kommt damit mehr als 50 Jahre nach Jane Jacobs Streitschrift „Tod und Leben großer amerikanischer Städte“ (Bauwelt Fundamente Nr.4, 1963) an ihren Ausgangspunkt New York zurück. Einer Stadt, aus der die Kritikerin der modernen Stadtplanung damals auch die Instrumente für ihre Gesundung abzuleiten wusste – räumliche Nachbarschaft und sozialer Zusammenhalt. Diesmal aber kommt der prognostizierte Tod von innen, er hängt zusammen mit dem für die übergroße Mehrheit der Bewohner nicht mehr funktionierenden Immobilienmarkt der Stadt New York selbst. Kevin Baker, neben Michael Sorkin heute einer der schärfs­ten Kritiker dieser Entwicklung, hat die Befunde in seinem Bericht „The Death of a Once Great City“ zusammengetragen. Während New York „im Ganzen“ heute unbestreitbar sicherer, gesünder, wohlhabender und weniger korrupt sei als in der Nachkriegszeit, so Baker, habe die Stadtplanung völlig versagt, was die soziale Ungleichheit betrifft. Die Obdachlosigkeit ist auf einem Rekordniveau, und die Zahl der Haushalte, die an respektive unter der Armutsgrenze leben, hat sich von 11,5 Prozent im Jahr 1970 auf nahezu die Hälfte aller Haushalte erhöht. Die entscheidende Frage sei daher die Wohnungsfrage.
Better, bigger and greener New York
Alle diese Feststellungen sind nicht neu, sie haben sich lange angekündigt. Sie basieren auf einer Entwicklungsgeschichte, die weit vor Donald Trumps Zeit als Präsident begann. Sie hängen auch mit der von vielen als beispielhaft betrachteten Planungspolitik des langjährigen Bürgermeisters Michael Bloomberg (2002–2013) zusammen. Doch sein Versprechen, mit dem Umbau der Stadt auch genügend „affordable housing“ zur Verfügung zu stellen und für einen Ausgleich zwischen Reich und Arm zu sorgen, muss heute als gescheitert betrachtet werden. Mit Bloombergs Stadtregierung kam das Wachstum der Stadt als große Herausforderung. Bis 2030, so die Prognose, würde die Stadt von 8,3 Millionen Einwohner um mehr als eine Million wachsen. Bloomberg, der ursprünglich als Investor gearbeitet hatte und dann mit seiner Finanzdatenagentur ein Vermögen machte, hat die Leitung der Stadt als unternehmerische Herausforderung verstanden. Er ist auch von internationalen Planern lange Zeit sehr dafür gelobt worden, dass er seinen engagierten Wachstumsplan New Yorks auch mit dem Ziel verknüpft hat, eine vorbildliche städtebauliche Klimapolitik zu betreiben: „Better, bigger and greener New York“. Seine ausführende Baudirektorin Amanda Burden, die das New Yorker City Planning Department leitete, benennt das Dilemma so: „Wie lässt sich ein Wachstum von einer Million Einwohner bewerkstelligen, wenn keine Fläche vorhanden ist? Wir mussten in die Höhe bauen.“ Die drei Schwerpunkte des Bloomberg’schen Umbaukonzepts lauteten deshalb: Neue Zonierungspläne, Verdichtung und Public Space Making. 124 Nachbarschaften und 40 Prozent der Fläche erfuhren ein „Rezoning“, damit verknüpft war ein massiver Ausbau der Infrastruktur. Bewusst in Kauf genommen wurde die Gentrifizierung der verdichteten Quartiere. Daniel Doctoroff, damals stellvertretender Bürgermeister für Wirtschaft und heu­te CEO der Sidewalk Labs, kommentierte es so: „Wenn sie das Problem der Gentrifizierung lösen wollen, wird es mehr Kriminalität geben, die Schulen werden schlechter und die Parks schmutziger. Gentrifzierung ist das natürliche Ergebnis der Kräfte des Markts.“
Hudson Yards
Das Quartier, in dem The Shed liegt, ist das jüngste und spektakulärste Ergebnis dieser Verdichtungs-Strategie. Es liegt auf einem U-Bahn-Abstellgelände, von dem Liz Diller im Interview sagt, es hätte noch vor gut zehn Jahren als unbebaubar gegolten. Mit den endlos steigenden Immobilienpreisen aber war nichts mehr unmöglich. Zugelassen wurde auch, dass sich die neuen Planungen über das hinwegsetzen, was lange Zeit der eine, gemeinsame Maßstab der Stadtentwicklung war: die trotz aller Höhenexzesse verbindliche Struktur des „Grids“. Das Duchlässig-Verbindende dieses Bebauungsrasters lag darin, dass die hohen Türme längs der Avenues angeordnet sind, die Querstraßen aber niedriger bebaut wurden. Das Bild oben macht deutlich, warum Hudson Yards heute so gut wie nichts mehr mit Manhattan, dafür aber viel mit Dubai zu tun hat: Die neue Bebauung zerbricht dieses System einer orthogonalen Stadtstruktur. Realisiert wurde eine losgelöste Hochhauskrone, die Manhattan den Rücken kehrt. Die bis zu 360 Meter hohen Türme umstehen einen abgetrennten halböffentlichen Raum und orientieren sich zum Wasser.
Im Zentrum dieser Entwicklung steht die riesige Luxusmall Neiman Marcus, die wie ein großes Nadelöhr funktioniert, durch das die Besucher hindurch müssen, wenn sie von der 11th Avenue kommen. Michael Kimmelmann, Architekturkritiker bei der New York Times, charakterisierte Hudson Yards kürzlich als überdimensionalen Büropark „im Vorstadtstil, mit einem Einkaufszentrum und einer quasi-geschlossenen Luxuswohnanlage, die auf die Zielgruppe von 0,1 Prozent ausgerichtet ist“. Goldene Zeiten für die, die in diesem Roulette mitspielen. Dazu gehören auch einige der großen Architekturbüros. Im Verkaufssalon der Apartments in der Mall, eingereiht zwischen Rolex- und Louis-Vutton-Boutiquen, sieht man auf einem großen Bildschirm William Pedersen von KPF entspannt auf einem Sofa sitzen und möglichen Käufern entgegenlächeln. Allein die monatlichen Hausgeldkosten für den Service der kleinsten Eigentumswohnung betragen knapp 4000 Dollar, für die großen Wohnungen liegen sie dreimal so hoch. Das erfährt der Kaufinteressent auf einer Liste, die er hier in die Hand gedrückt bekommt.

Adresse Hudson Yards, New York City, New York 10001


aus Bauwelt 11.2019
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