Bauwelt

Kindertagesstätte in Berlin


Steckspiel auf schwierigem Grundstück: In Berlin-Lichtenberg haben Ludloff Ludloff Architekten eine Kita aus CNC-gefrästen, ­trocken gefügten Holzelementen errichtet.


Text: Friedrich, Jan , Berlin


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    Die Kita steht so auf dem Grundstück, dass sie sich den Lärm der Bahntrasse gewissermaßen selbst vom Leib hält.
    Foto: Jan Bitter

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    Die Kita steht so auf dem Grundstück, dass sie sich den Lärm der Bahntrasse gewissermaßen selbst vom Leib hält.

    Foto: Jan Bitter

Selbstverständlich: Vor allem ist es wichtig, über solche Hintergründe wie städtebauliche Situation, Größenordnung, Funktion, Konstruktion, architektonisches Konzept, Bauherrschaft und so weiter Bescheid zu wissen. Doch um zu verstehen, warum ein Gebäude genau so geworden ist und nicht anders, sollte man ab und an als erstes die Frage stellen: Womit waren die Architekten eigentlich noch beschäftigt, während sie dieses Bauvorhaben auf dem Tisch hatten?
Die kürzlich fertiggestellte Kindertagesstätte in der Gudrunstraße in Berlin-Lichtenberg ist ein solcher Fall. Denn die Konstruktion des Hauses – und damit ein entscheidender Aspekt seiner Gestalt – verdankt sich zu einem erheblichen Teil dem Umstand, dass das Büro Ludloff Ludloff Architekten etwa zur selben Zeit auch das IBA-Thüringen-Projekt „Seesport- und Erlebnispä­dagogisches Zentrum“ (SEZ) in Saalburg-Ebersdorf bearbeitete. Was die Projekte verbindet: Beide sind Holzbauten.
Was sie unterscheidet: Beim Bau des SEZ hatten sich die Architekten zum Ziel gesetzt, möglichst kein Leimholz zu verwenden, sondern, im Gegenteil, vor allem mit Schadholz aus der unmittelbaren Umgebung zu arbeiten. Um das zu bewerkstelligen, mussten die Zimmerleute zahllose Verbindungselemente aus Metall einsetzen. Bei der Berliner Kita, erster Preis eines 2019 von der Senatsbauverwaltung für das Bezirksamt Lichtenberg ausgelobten Wettbewerbs, stand hingegen von Beginn an fest, dass Standardbauholz, also Leimholzbinder, Leimholzwände und Brettschichtholz, zum Einsatz kommen würden. Und so lag es Laura Fogarasi-Ludloff und Jens Ludloff am Herzen, wenigstens auf all das Metall zu verzichten – so erzählen sie.
Das Schöne an Leimholz: Es ist ungeheuer maßhaltig. Das bedeutet: Man kann die Holzelemente und ihre Verbindungsstellen mit der CNC-Fräse so präzise bearbeiten, dass sie sich „trocken“ – also ohne Leim – zusammenfügen und, wenn man irgendwann möchte, auch wieder auseinandernehmen lassen. So entwickelten Architekten und Tragwerksplaner für die Kita ein System aus Stützen, Balken und Wänden, das sich mittels einfacher Fügungen wie Schwalbenschwanz- oder Scherzapfenverbindungen zusammenstecken ließ. Mit diesen wenigen Kon­struktionselementen konnte der Holzbauer die ungewöhnliche Geometrie des zweigeschos­sigen Baukörpers problemlos realisieren.
Die besondere Geometrie des Hauses ist dem seltsam geschnittenen Grundstück geschuldet – ein Dreieck, das zwischen Wohnbauten aus der Gründerzeit, den 1930er und schließlich den 2000er Jahren übriggeblieben ist. Für Wohnungsbau war es ungeeignet, weil es ungeschützt dem Lärm der südlich vorbeiführenden Bahntrasse ausgesetzt ist. Wie also dort ausgerechnet eine Kita für 185 Kinder unterbringen? Eine Lösung: das Gebäude in die südwestliche Ecke schmiegen und es in eine Form bringen, die an eine Arena erinnert. Auf diese Weise schirmt das Gebäude sich gleichsam selbst vom Lärm der vorbeifahrenden Züge ab – ebenso die Freiflächen, die es umschließt.
Diese Dualität von schützendem Äußeren und geschütztem Inneren spiegelt sich auch in der unterschiedlichen Gestaltung der beiden Gebäudeseiten wider. Die mit Lerchenholzleisten verkleideten Straßenfassaden, durchbrochen von quadratischen Öffnungen unterschiedlicher Größe und Position (festverglaste Fenster sitzen außen-, Öffnungsflügel innenbündig) vermitteln ihre Funktion als Abschirmungselement – ohne jedoch abweisend zu wirken. Ein ganz anderes Bild auf der geschützten Innenseite der Kita: Hier liegen die Gruppenräume der Kinder, die sich durch geschosshohe Verglasung freigiebig zur Grünfläche beziehungsweise zur Spielterrasse im Obergeschoss öffnen. Im Gegensatz zur holzsichtigen Außenseite sind hier Fensterrahmen und geschlossene Fassadenteile in einem warmen Rotton gestrichen. Raue Schale, feiner Kern, wenn man so will.
Überhaupt: Farbe und Feinheit – beides spielt auch im Innern des Hauses eine wichtige Rolle. Seien es die in hellem Lavendelblau gestrichenen Deckenbalken oder Wände (immer dort, wo das Holz aus akustischen Gründen verkleidet werden musste), seien es die Intarsien im Kautschukboden, die kräftigeren Töne in den Sanitärzellen, die elegant gewendelte Holztreppe ins Obergeschoss oder die Möbel aus Eschenholz – alles ist fein aufeinander abgestimmt. Und mit einer Freude am Detail entworfen und ausgeführt, wie man sie nur noch selten findet.



Fakten
Architekten Ludloff Ludloff Architekten, Berlin
Adresse Gudrunstraße 14, 10365 Berlin


aus Bauwelt 14.2025
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