Bauwelt

Altarraum in Mexico-Stadt


Nach langen Jahren Wartezeit durfte die Familie Trigueros Olivares endlich den Niñopa, eine der am meisten verehrten Christuskind­figuren Mexikos, beherbergen. Dafür ließ sie ihr Haus in Xochimilco in Mexico-Stadt vorübergehend in einen Altar verwandeln.


Text: Rodríguez, Pedro


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    Der Stufensockel des Hauptaltars erlaubt es, ...
    Foto: Andrés Cedillo

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    Der Stufensockel des Hauptaltars erlaubt es, ...

    Foto: Andrés Cedillo

Xochimilco ist ein traditionsreiches Viertel in Mexiko-Stadt, in dem sich viele lokale Bräuche und religiöse Feste erhalten haben, die auf den Synkretismus nach der spanischen Eroberung im 16. Jahrhundert zurückgehen. Die Verehrung des Niñopa, „Kind des Dorfes“, ist eine der bedeutendsten religiösen Traditionen dort. Der Niñopa, eine hölzerne Christuskindstatue, hat keinen festen Schrein, sondern wechselt seinen Standort. Für die Dauer eines Jahres ist die Pilgerfigur jeweils im Haus ihrer ernannten mayordomos (Haushofmeister) untergebracht.
In einer Region, in der selbst gebaute Häuser die Norm sind – nicht nur bei Neubauten, sondern auch bei Renovierungen – spiegeln religiöse Feste wie die mayordomías, der Wechsel der Haushofmeister, die den Aufenthalt des Niñopa begleiten, diesen Kontext wider. Familien müssen ihre Häuser umgestalten, um die verehrte Figur ein ganzes Jahr lang zu beherbergen. Seit 1984 wartete die Familie Trigueros Olivares auf den Augenblick, in dem sie die mayordomos des Niñopa werden kann.
Um die Feierlichkeiten zu verschönern, haben die Architekturbüros Taller Popular de Diseño und Taller Unoauno den Wohnraum der Familie umgestaltet, um ihn in das vorübergehende Zuhause der Figur zu verwandeln. „Abgesehen von der technischen Notwendigkeit ist dieses Projekt ein Beweis dafür, dass gutes Design sogar eine temporäre religiöse Tradition aufnehmen kann – und das in einem Teil der Stadt, der normalerweise nicht in den Medien auftaucht, zumindest nicht wegen seiner architektonischen Werke“, sagen Jhonatan Blancas und Gabriela Trigueros von Taller Popular de Diseño.
Das Projekt, eine Gemeinschaftsarbeit der beiden Büros mit dem Architekten Alejandro Alemán und Herstellerfirmen wie Novaceramic und Habitación 116, ist ein bemerkenswertes Beispiel von kollektiver Arbeit, die zeitgenössisches Design mit einem temporären sozialen Bedürfnis verbindet. Darüber hinaus wurden im Rahmen des Projekts ausrangierte Boote aus den Kanälen von Xochimilco geborgen und zu Möbeln verarbeitet, etwa den Bänken, auf denen die Menschen während des Gebets im Innenhof Platz nehmen konnten.
„Wir mussten mit zwei grundlegenden Themen arbeiten“, erklärt das Planungsteam. „Erstens musste das Projekt ein Jahr lang als Wohnsitz für den Niñopa dienen und alle Aktivitäten sowie die große Anzahl von Besucherinnen und Besuchern aufnehmen können, die sich in diesem Raum aufhalten würden. Zweitens mussten wir den Raum nach dem Ende der mayordomía wieder in seiner ursprünglichen Bestimmung als Wohnhaus zurückführen.
Aus diesem Grund besteht das Projekt aus drei Hauptelementen: dem Innenhof, der zu einem Lichtraum wird, in dem die Menschen Kerzen aufstellen und gemeinsam beten; dem Hauptaltar im Inneren des Hauses, wo die Figur den ganzen Tag über zur Verehrung aufge-stellt wird; und schließlich einem kleinen Schlafzimmer im Obergeschoss, in dem sich der Niño-pa ausruht und auf seine täglichen Aktivitäten vorbereitet.“
Die öffentlichen Bereiche des Projekts, Altar und Innenhof, wurden mit 16.000 Ziegeln verkleidet – dem wichtigsten visuellen Element des Projekts. „Wir haben einen funktionalen Raum geschaffen, der alle Besucherinnen und Besucher näher an die Figur heranbringt“, erklären Blancas und Trigueros. „Aktuell arbeiten wir da-ran, die Räume so umzugestalten, dass sie wieder Teil eines Zuhauses werden.“

Aus dem Englischen von Beate Staib



Fakten
Architekten Taller Popular de Diseño, Meyiko-Stadt; Taller Unoauno, Meyiko-Stadt; Alejandro Alemán, Mexiko-Stadt
aus Bauwelt 9.2025
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