Bauwelt

Mies gerahmt

Siebdruck auf Glas: Veronika Kellndorfer zeigt ihre Aufnahmen der Neuen Nationalgalerie in Berlin

Text: Kasiske, Michael

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    Das Mies-van-der-Rohe-Haus spiegelt sich in den großformatigen Arbeiten der Künstlerin.
    Foto: Stefan Meyer

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    Das Mies-van-der-Rohe-Haus spiegelt sich in den großformatigen Arbeiten der Künstlerin.

    Foto: Stefan Meyer

Mies gerahmt

Siebdruck auf Glas: Veronika Kellndorfer zeigt ihre Aufnahmen der Neuen Nationalgalerie in Berlin

Text: Kasiske, Michael

Die Auflagen aufgrund der Corona-Pandemie zwingen die Besucher, das Mies-van-der-Rohe-Haus über die Gartenseite zu erschließen. Informell, gleichsam wie Freunde des Hauses, treten sie von der Terrasse in den einstigen Wohnraum. An der gegenüberliegenden Wand lehnt Veronika Kellndorfers größte ausgestellte Arbeit, deren visuelle Komplexität innehalten lässt.
Der vierteilige Siebdruck auf Glas zeigt einen Fassadenausschnitt der Neue Nationalgalerie in Berlin, exakt vier Türen und teilweise die darüber liegende durchgehende Scheibe, deren Wiederbeschaffung im Übrigen eine wesentliche Aufgabe der aktuellen Sanierung gewesen ist. In diesem Rahmen spiegelt sich die Umgebung innen und außen so spannend wider, als seien die schwarzen Profile nur geschaffen worden, um den Bildern von der Nachbarschaft und dem Bau selbst einen Rahmen zu geben.
Die Berliner Künstlerin hat mit ihrer Plattenkamera den Kunsttempel des 20. Jahrhunderts just in dem Moment auf Planfilm gebannt, als er bereits geräumt war, die Bauarbeiten jedoch noch nicht begonnen hatten. Schon zuvor arbeitete Kellndorfer bei Bauwerken etwa von Charles und Ray Eames, Lina Bo Bardi oder Angiolo Mazzoni die Bedeutung der Glasflächen in der modernen Architektur heraus, nämlich als transparente und gleichzeitig reflektierenden Raumabschlüsse.
Die fotografisch aufgenommenen visuellen Schichtungen und Überlagerungen widerlegen die These des schweizerischen Architekten Bernhard Hoesli, bei den Bauten Ludwig Mies van Rohes handele es sich um „buchstäbliche Durchsichtigkeit“, da die „Lesart der räumlichen Verhältnisse eindeutig bleibt.“ Damit ignoriert
er die visuelle Dichte der Spiegelungen und Widerspiegelungen von Glaswänden.
Diese findet sich auch in den beiden kleineren Glasarbeiten wieder, die im früheren Schlafzimmer des Mies-van-der-Rohe-Hauses hängen. Nebenan präsentiert sich in kräftigem rotem Rahmen und blauem Gewebe die Siebdruckschablone wie ein Pop-Art-Werk; das „Werkzeug“ bildet in seiner grafisch auf die Oberfläche fokussierten Ausstrahlung – ob bewusst oder unbewusst – einen äußerst reizvollen Kontrast zu den Glasarbeiten. Durch die aktuelle Begrenzung auf maximal fünf Besucher wird die beschützende Wohnatmosphäre des Hauses erlebbar. Sie gibt auch den Kunstwerken einen räumlichen Rahmen, zweifellos in gänzlich anderer Form, als ihn der gläserne Teil der Neuen Nationalgalerie bereitstellt. Auf beide trifft freilich das Diktum der Architekturtheoretikerin Beatriz Colomina zu: „Das Wunder von Mies’ Architektur besteht darin, dass man ständig und auf vielfältigste Weise gerahmt wird.“

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