Bauwelt

Jüdischsein im Hier und Jetzt

Der Wettbewerb auf dem Gelände der Berliner Synagoge am Fraenkelufer ist entschieden. 86 Jahre nach der Zerstörung des Hauptgebäudes durch Nationalsozialisten soll die Jüdische Gemeinschaft der Stadt ein neues Zentrum bekommen.

Text: Kraft, Caroline, Berlin

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    Berliner Synagoge am Fraenkelufer, historisches Foto.

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    Berliner Synagoge am Fraenkelufer, historisches Foto.

Jüdischsein im Hier und Jetzt

Der Wettbewerb auf dem Gelände der Berliner Synagoge am Fraenkelufer ist entschieden. 86 Jahre nach der Zerstörung des Hauptgebäudes durch Nationalsozialisten soll die Jüdische Gemeinschaft der Stadt ein neues Zentrum bekommen.

Text: Kraft, Caroline, Berlin

Man erkennt sie. Kameras oder einen Sicherheitszaun gibt es, mindestens, häufig auch Polizeipräsenz. Jüdische Einrichtungen haben in allen Bundesländern Sicherheitsauflagen, die seit dem antisemitischen Anschlag auf die Synagoge in Halle 2019, und jüngst seit dem Terrorangriff der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 noch verschärft wurden. Kurz vorher eröffnete in Berlin das bisher größte jüdische Bauprojekt in Deutschland: der Jüdische Campus in Wilmersdorf nach Plänen Sergei Tchobans, geschützt durch Betonmauern und Panzerglas.
Am Fraenkelufer in Berlin-Kreuzberg soll ebenfalls Neues entstehen. Die als Basilikatypus errichtete „Synagoge am Kottbusser Ufer“, wie sie damals hieß, gehörte bei ihrer Fertigstellung 1916 zu einer der größten Berlins. Der deutsch-jüdische Architekt Alexander Beer plante ein dreischiffiges Gotteshaus. In Nebenkomplexen waren eine Wochentagssynagoge, ein Saal für Jugendgottesdienste, ein Trausaal, Wohnräume und solche für Verwaltung, Büros und Bildung untergebracht. Später kamen ein Kindergarten mit Hort und ein Jugendheim hinzu. Schon damals war es ein Zentrum für jüdisches Leben.
Heute gibt es das Haus in dieser Form nicht mehr. Der Gebetssaal, bereits in den frühen 1930er Jahren von den Nazis geschändet, war nach den Pogromen vom 9. November 1938 nicht mehr nutzbar. Die Feuerwehr hielt die Ausbreitung der Flammen zumindest etwas in Schach; der angrenzenden Schule zum Schutz. Fortan (und bis jetzt) versammelte sich die Gemeinde in der Jugendsynagoge. Ab 1941 lagerte der Nazi-Apparat geraubte jüdische Besitztümer auf dem zertrümmerten Areal. Später nutzte die Gestapo es zum Abstellen von Miltärfahrzeugen. Nach dem Krieg war es die kaum zerstörte Jugendsynagoge, die rechtzeitig zu Rosh ha-Schana, dem jüdischen Neujahrsfest, ab 1945 wieder genutzt wurde – als erste in Berlin. Wo Ende der 1950er die Trümmer des Haupthauses abgetragen wurden, soll heute genau hier ein neues Zentrum für die wachsende und sehr aktive, internationale Gemeinde entstehen.
Der Verein Jüdisches Zentrum Synagoge Fraenkelufer e.V. gründete sich kurz nach ihrem hundertjährigen Bestehen. Die Gemeinde war zu diesem Zeitpunkt klein und hatte Nachwuchsprobleme. Fast wäre der Standort wegen Unternutzung aufgegeben worden. Der Verein lobte daraufhin den Wettbewerb zum Neubau am historischen Standort aus. Inzwischen sind die Räumlichkeiten am Fraenkelufer zu klein. Trotz wachsender Initiativen gibt es in Deutschland neben den notwendigen Gedenkorten zu wenig Platz für die jüdische Gegenwart. Das Jüdische Zentrum Fraenkelufer (JZF) soll so ein Ort werden. Neben der Einbindung der historischen Jugendsynagoge als primären Ort des Gebets setzte die Auslobung den Neubau eines Gemeinde- und Kulturzentrums mit Fest- und Veranstaltungssaal, koscherem Café, Co-Working-Space, Ausstellungsräumen sowie einer Kita zum Ziel. Klingt alles normal und nett – bedeutet in Deutschland aber auch einen 2,40 Meter hohen Sicherheitszaun mit Übersteig- und Unterkriechschutz und Sicherheitsschleuse. Die Auslobung verlangte nach einem „safe-space“, der anders auch 2025 nicht gewährleistet ist.
Der Berliner SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh steht dem Kuratorium für den Wieder­aufbau vor, Stadtplaner Engelbert Lütke Daldrup wurde zum Baubeauftragten gewählt. Es fällt schwer, von einem „Wiederaufbau“ zu sprechen, denn was 1938 und später zerstört wurde, kann nicht wiederkommen. Für Saleh vermittelt das JZF vor allem eine Botschaft: Jüdisches Leben ist in Berlin zuhause und bleibt integraler Bestandteil der Stadtgesellschaft.
Gegen 17 bewertete Arbeiten konnten sich die Kreuzberger Staab Architekten mit Atelier Loidl Landschaftsarchitektur durchsetzen. Die drei Kuben mit Mauerwerk-Fassade erzeugen mit vielfältig bepflanzten Freiräumen eine Einheit. Das Team plant stellenweise reversible Grundstücksmauern – ein hoffnungsvoller Gedanke, wenn auch utopisch. Grundsteinlegung soll der 9. November 2026 sein.

Einphasiger nicht-offener Realisierungswettbewerb mit Ideenteil
1. Preis (55.000 Euro) Staab Architekten mit LOIDL Landschaftsarchitekten, beide Berlin
2. Preis (35.000 Euro) DFZ Architekten mit Y-LA Ando Yoo Landschaftsarchitektur, beide Hamburg
3. Preis (22.000 Euro) ARGE hope Architekten, Hamburg und Johannes Arolt Architekt, Berlin mit 317 Stadt- und Freiraumplanung, Landsberg
Anerkennung (14.000 Euro) Peter W. Schmidt + Assozi­ierte, Pforzheim/Berlin mit FUGMANN JANOTTA PARTNER, Berlin
Anerkennung (14.000 Euro) Georg Scheel Wetzel Architekten, Berlin mit Dietz & Partner Landschaftsarchitekten, Elfershausen
Ausloberin
Jüdisches Zentrum Synagoge Fraenkelufer e.V., begleitet von Berlinovo Immobilien Gesellschaft
Fachpreisjury
Donatella Fioretti, Ulrike Lauber (Vorsitz), Engelbert Lütke Daldrup, Tobias Micke, Jórunn Ragnarsdóttir
Koordinierung
C4C | competence for competitions, Berlin

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