Bauwelt

Emanzipierte Nachfolger

Steidle Architekten aus München über den Verlust ihres Mentors, über Folgeaufträge und gewonnene Wettbewerbe und über die Arbeit an der eigenen Identität nach dem plötzlichen Tod von Otto Steidle vor elf Jahren

Text: Friedrich, Jan, Berlin

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    Martin Klein, Johannes Ernst, Johann Spengler (von links) – im Büro von Steidle Archi-tekten in der Wohnanlage Genter Straße in München, Otto Steidles Erstling aus dem Jahr 1973
    Foto: Sascha Kletzsch

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    Martin Klein, Johannes Ernst, Johann Spengler (von links) – im Büro von Steidle Archi-tekten in der Wohnanlage Genter Straße in München, Otto Steidles Erstling aus dem Jahr 1973

    Foto: Sascha Kletzsch

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    Werksviertel München (in Planung), Funktionsplan
    Abb.: Steidle Architekten

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    Werksviertel München (in Planung), Funktionsplan

    Abb.: Steidle Architekten

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    Medienbrücke München (2010)
    Foto: Stefan Müller-Naumann

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    Medienbrücke München (2010)

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    Mittelbayerische Zeitung, Regensburg (2013)
    Foto: Stefan Müller-Naumann

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    Mittelbayerische Zeitung, Regensburg (2013)

    Foto: Stefan Müller-Naumann

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    Haus für die innere Mission, Am Harthof, München (2011)
    Foto: Reinhard Goerner

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    Haus für die innere Mission, Am Harthof, München (2011)

    Foto: Reinhard Goerner

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    Wohnhochhaus Ackermannbogen, München (2011)
    Foto: Reinhard Goerner

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    Wohnhochhaus Ackermannbogen, München (2011)

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    Sozialbürgerhaus Sendling, München (2013)
    Foto: Stefan Müller-Naumann

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    Sozialbürgerhaus Sendling, München (2013)

    Foto: Stefan Müller-Naumann

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    Unten: Wohn- und Geschäftshaus am Schinkelplatz, Berlin

    Visualisierung: steidle architekten/Elephant Green

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    Unten: Wohn- und Geschäftshaus am Schinkelplatz, Berlin

    Visualisierung: steidle architekten/Elephant Green

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    Boardinghouse studiomuc, München (2015)
    Foto: Stefan Müller-Naumann

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    Boardinghouse studiomuc, München (2015)

    Foto: Stefan Müller-Naumann

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    Hochschule München (2012, mit SAM Architekten)
    Foto: Stefan Müller-Naumann

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    Hochschule München (2012, mit SAM Architekten)

    Foto: Stefan Müller-Naumann

Emanzipierte Nachfolger

Steidle Architekten aus München über den Verlust ihres Mentors, über Folgeaufträge und gewonnene Wettbewerbe und über die Arbeit an der eigenen Identität nach dem plötzlichen Tod von Otto Steidle vor elf Jahren

Text: Friedrich, Jan, Berlin

Das Büro von Otto Steidle (1943–2004) hieß zwar Steidle + Partner, doch Partner im juristischen Sinne gab es keine, als Otto Steidle im Februar 2004 unerwartet starb. „Virtuelle Partner“ seien sie gewesen, erzählen Johann Spengler, Martin Klein und Johannes Ernst. Die drei gründeten gemeinsam mit Verena von Gagern-Steidle, Steidles Witwe, und Hans Kohl (1952–2007), einem langjährigem Mitarbeiter des Büros, 2005 die „Steidle Architekten Gmbh“, um das Büro weiterführen zu können – erfolgreich, wenn man sich die Liste prämierter Wettbewerbsbeiträge und realisierter Bauten der letzten Jahre anschaut. So musste Johann Spengler unser Gespräch vorzeitig verlassen, um bei der Stadt München die Fassaden eines Wohnungsbauprojekts auf dem ehemaligen Paulaner Areal vorzustellen – ein 2013 gewonnener Wettbewerb, der nun umgesetzt wird.
Als sie seinerzeit bei Otto Steidle anfingen, war er selbst, seine Person, der Grund dafür?
Johannes Ernst
Ich hatte ihn in Berlin bei einem Vortrag gesehen und dachte, das ist sensationell: Dass es einen Typen gibt, der dermaßen dem entspricht, wie du dir vorstellst: Ideal!
Martin Klein Bevor ich herkam, hatte ich ihn nie persönlich erlebt. Mich faszinierte sein Konzept vom industrialisierten Bauen im Wohnungsbau.
Johann Spengler
Ich studierte an der Akademie der Künste in München, als er dort Gastprofes-sor war. Offensichtlich gefiel ihm ganz gut, was ich gemacht habe. Er fragte mich, ob ich bei ihm einen Wettbewerb machen wolle. Die Universität Ulm haben wir dann gewonnen und realisiert. Das Schöne war: Bei Otto Steidle bekam man als engagierter Unerfahrener viel Verantwortung und konnte gleich loslegen.
Johannes Ernst
Vielleicht war das der Grund, warum wir, als er so plötzlich starb, in der Lage waren, ohne ihn zu arbeiten und die Geschichte hier weiterzuschreiben. Wir kannten das gut,
ins kalte Wasser geworfen zu werden.
Und Sie sind nicht untergegangen.
Johann Spengler
Zunächst waren wir mit ganz banalen Dingen beschäftigt. Wir waren 40 Leute im Büro – wie geht es finanziell weiter? Was geschieht mit unseren Bauherren, was mit unseren Projekten? Eine große Unsicherheit. Da hat uns sehr geholfen, dass ein paar Bauherren gesagt haben: „Leute, wir machen mit euch weiter.“
Johannes Ernst
Was Otto Steidle von den meisten Chefs unterschied: Er hat uns den Zugang
zu den Auftraggebern ermöglicht, zu denen wir eine Vertrauensbasis aufbauen konnten. Als
vom einen auf den anderen Tag die Galionsfigur nicht mehr da war, wussten unsere Gegenüber, sie haben es mit verlässlichen Partnern zu tun.  
Martin Klein
Ein wichtiger Punkt war vermutlich auch, dass wir uns nicht in Grundsatzdebatten verloren. Ich erinnere mich: Nachdem wir die Beerdigungszeremonie hinter uns hatten, gingen wir am Montag ins Büro und arbeiteten da weiter, wo wir eine Woche vorher aufgehört hatten.  
Johannes Ernst
Wir sind bis heute nicht richtig zum Nachdenken gekommen. Das ist vielleicht das eigentliche Geheimnis.
Aufträge weiterbearbeiten, die es noch gibt, ist das eine, das andere: Wie geht es dann weiter?
Johannes Ernst
Natürlich, die große Frage war: Können wir in der neuen Konstellation ähnliche Qualität entwickeln? Und wie bekommt ein Büro Steidle ohne Otto Steidle einen Auftrag? Das wurde dadurch beantwortet, dass uns einige Auftraggeber Folgeaufträge gaben – was es vorher selten gab – und dass wir dann irgendwann auch plötzlich wieder Wettbewerbe gewannen.
Dann aber die noch wesentlich spannendere Frage: Was ist ein Büro Steidle ohne Otto Steidle inhaltlich? Wir wussten zunächst überhaupt nicht, wo das hingeht. Sowohl architektonisch als auch menschlich – er war jemand, der auf Grund seiner Ausstrahlung eine Wirkung hatte, das sprang ja nicht einfach auf uns über.
Sie hatten mit einem Mal auch andere Bauaufgaben: die Lenbachgärten, den Angerhof ...
Johann Spengler
Ja, das waren Superluxuswohnungen, wir mussten uns erst reindenken, wie
ticken die Leute, die dort wohnen werden.
Johannes Ernst
Vorher hatten wir Projekte im einfachen oder geförderten Wohnungsbau. Jetzt konnten wir Geld ausgeben und wussten gar nicht, was wir damit anfangen sollen. Plötzlich kamen Themen wie Wertigkeit, Materialität, Naturstein, mit denen wir noch nicht zu tun hatten. In der Rückschau waren die Projekte wichtig, weil sich Türen in neue gestalterische Richtungen geöffnet haben.
Wie haben Sie die Frage schließlich beantwortet: Was ist das Büro Steidle ohne Otto Steidle?
Johannes Ernst
Roger Diener sagte mir nach Otto Steidles Tod – wir arbeiteten damals gemeinsam am Olympischen Dorf in Turin, wo wir den Masterplan gemacht haben und er ein Haus gebaut hat  – Roger Diener sagte mir: „Ihr müsst Otto als eine Art Batterie begreifen, die Energie spendet. Aus dieser Energiequelle heraus aber müsst ihr euch selbst definieren.“ Das ist der Weg, auf den wir uns gemacht haben.
Das Haus, in dem Sie Ihr Büro haben, Otto Steidles Erstlingswerk von 1972, spielt das eine Rolle für Ihre Identität?
Martin Klein
Es ist ein Bezugspunkt, aber man leidet auch manchmal daran ...
Johannes Erns
t  ... wenn es im Sommer drei Wochen lang 40 Grad hat. Gleichzeitig erleben wir täglich den Charme dieser Architektur. Es ist aber auch riskant, Bauherren hierher einzuladen.
Johann Spengler
Die Jüngeren, die sind begeistert.
Johannes Ernst
 Andere sagen: „Das geht gar nicht bei euch“, weil die Räume so dermaßen nicht-repräsentativ sind. Wir sitzen hier ja in einer Wohnung, das ist ein Wohnhaus. Und mehr als
39 Arbeitsplätze bekommt man keinesfalls unter. Falls wir größer werden wollen, können wir das hier nicht machen.
Martin Klein
Wir sind emotional mit den Räumen verbunden. Auf der anderen Seite hätte man schon Lust, einmal in einem anderen Zusammenhang zu arbeiten, in dem sich vielleicht andere Konstellationen der Zusammenarbeit ergeben. Hier ist das alles ziemlich eingefahren, Johann Spengler sitzt, seit er da ist, auf dem gleichen Stuhl, ich auch.
Johannes Ernst
Diese Welt, in der wir hier arbeiten, die bauen wir ja nicht mehr. Da steht uns schon die Energieeinsparverordnung im Weg. Die Frage ist, ob man etwas findet oder – am Besten natürlich – selber etwas bauen kann, das als Energiequelle, als inspirativer Ort taugt.
Otto Steidle war kein ausgesprochener „Handschriftenarchitekt“. Das hat es Ihnen vielleicht erleichtert, sich selbst zu definieren.
Martin Klein
Jedenfalls sind wir nicht in einer formalen Sprache gefangen. Im Rückblick ist das Werk von ihm ziemlich vielfältig. Es hat eine persönliche künstlerische Handschrift, aber es gibt Öffnungen in unterschiedliche Richtungen. Er ging eher situativ ein auf das, was ein bestimmter Ort erforderte. Und das machen wir auch. Wir haben sehr unterschiedliche Sachen, wenn man die Medienbrücke im Werksviertel betrachtet oder aktuell den Schinkelplatz in Berlin, wo wir in einer ganz anderen Sprache arbeiten.
Johannes Ernst
Einer unserer Ansatzpunkte war, zu schauen: Was ist das Repertoire, die Basis, und in welchem Bereich liegen Entwicklungsmöglichkeiten, die uns interessieren? Eine wichtige Grundlage ist Struktur und Ausnahme. Wir versuchen im Architekturmaßstab wie auch im Städtebaumaßstab zunächst immer, ein strenges, ein logisches Prinzip zu entwickeln, um dann in dieses Prinzip unter einer bestimmten Fragestellung – Erschließung, Brüche etc. – Themen zu integrieren, die dem Ganzen wieder eine Frei-heit geben. Mit dieser Grundphilosophie kann man Dingen immer neue Aspekte, immer neue Erscheinungsformen abgewinnen.
Es gibt trotz allem ein bestimmtes Erscheinungsbild, das man mit Steidle assoziiert: die bewegt gelochte, farbig gestaltete Fassade.
Johannes Ernst
Das beschäftigt uns nach wie vor. Es gibt viele unterschiedliche Wege, wie wir das Thema interpretiert haben, mit verschiedenen Materialien. Zum Teil wird das von uns auch erwartet. Es gibt Auftraggeber, die sagen, da wollen wir schon einen „echten Steidle“ sehen. Manchmal muss man ihnen antworten: Das geht in dem Fall leider nicht, du bekommst einen echten Steidle, aber der sieht anders aus.
Sie drei können sich immer einigen, wie „ein Steidle“ aussehen soll?
Johannes Ernst
Gelegentlich klafft die Schere schon mal so weit auseinander, dass einer „Autsch“ sagt: Wenn hier auf der einen Seite repräsentative Sachen entstehen, Stichwort Na-turstein, auf der anderen Seite eher Informelles produziert wird. Man muss genau darauf achten, dass es nicht beliebig wird. Die Zeiten dieser kohärent durchgehenden Handschrift eines Büros sind meines Erachtens aber insgesamt vorbei.
Wenn Sie an Projekten sitzen, fragen Sie sich manchmal: Wie hätte Otto Steidle das gelöst? Wie würde er finden, was wir machen?
Johannes Ernst
 Immer wieder mal träume ich davon, wie er an einem unserer Projekte vorbeifährt und sagt: „Was habt’s denn da g’macht?“ Aber im ernst: Es gibt zwei Aspekte. Der eine ist der Stil. Wir haben in den letzten Jahren sehr daran gearbeitet, uns über das alte Repertoire hinaus neue Welten zu erschließen, die Welt so
zu bauen, wie wir sie uns vorstellen – und nicht, wie Otto Steidle sie sich vorgestellt hat. Und ich glaube, dass er, egal ob es ihm gefallen würde oder nicht, genau das gut fände.
Der andere Aspekt?
Johannes Ernst
Die Haltung, wie man die Dinge angeht, wie man mit den Auftraggebern umgeht. An welcher Stelle man stark ist, dafür kämpft, eine Idee durchzusetzen, an welcher Stelle man aber auch ganz bewusst sagt: Okay, da bringt es nichts, in den Kampf zu ziehen, weil wir den gar nicht gewinnen können. Dafür hatte er ein unglaublich gutes Gespür. Da denke ich oft an ihn.
Die Frage der Nachfolge wird in allen Büros irgendwann Thema. Wenn der Gründer, anders als bei Ihnen, nicht nur im Traum vorbeikommt und „die Jungen“ zurechtweist ...
Johannes Ernst
 Ich kenne einige Büros, in denen die Nachfolger es schwer haben, sich zu emanzipieren. Wir sind eher eine Art Waisenkinder.
Gibt es Dinge, über die Sie sich freuen, weil sie selbst Otto Steidle nicht besser gelungen sind?
Martin Klein
Unser Projekt am Schinkelplatz in Berlin, das ist ein großer Erfolg. Das hat Otto Steidle in seiner Berliner Zeit nicht geschafft, an einer so besonderen Stelle seine Spuren zu hinterlassen. Darauf sind wir mächtig stolz.

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