Bauwelt

Istanbul 2010

Was dürfen die Kulturhauptstadt-Touristen erwarten?

Text: Bartels, Olaf, Hamburg

Istanbul 2010

Was dürfen die Kulturhauptstadt-Touristen erwarten?

Text: Bartels, Olaf, Hamburg

Auf den Titel „Kulturhauptstadt Europas 2010“, den Istanbul in diesem Jahr gemeinsam mit dem Ruhrgebiet und der ungarischen Stadt Pécs trägt, ist man stolz am Bosporus. Zu Recht, denn so manche Westeuropäer haben Schwierigkeiten damit, Istanbul überhaupt als europäisch anzusehen.
Dabei befinden sich die westlichen Teile der Stadt geographisch eindeutig in Europa. Und Byzanz oder Konstantinopel, also Istanbul, ist das alte Zentrum der oströmischen Kirche und kann mit Fug und Recht als eine Wiege der europäischen Kultur bezeichnet werden. Doch je weiter man heute vom Flughafen Atatürk in die Millionenmetropole vordringt, umso weniger ist zu spüren, dass sich die europäische Tradition weiterentwickelt hat.

Baustellen und Bildende Kunst

Im Vorfeld des Kulturhauptstadtjahres war vor allem kritisiert worden, dass viel Geld in die Restaurierung von Baudenkmälern fließen würde und kleine odertemporäre Kulturprojekte in der Programmplanung zu kurz kämen. Die Kulturtouristen in diesem Jahr se­hen nun weder das eine noch das andere. Die Sanie­run­­gen sind in der Mitte des Jahres noch immer im Gange. Baustellen sind die Mimar-Sinans-Sülemaniye-Moschee, die vom Mehmet, dem Eroberer Konstantinopels, errichtete und nach ihm benannte Fatih-Moschee, Teile des Archäologischen Museums und die griechisch-orthodoxe Pantokrator-Kirche. Das eigens aufgelegte Aktionsprogramm mit seinen vielenin der Stadt verteilten Ausstellungen, Konzerten, Theateraufführungen und Museumseröffnungen ist ­so kleinteilig, dass es in der brausenden Metropole schlicht untergeht.
Allein die Präsenz der Bildenden Kunst hat sich sichtbar verstärkt. In den alten Lagerhallen am Hafen in Tophane, in der Nähe des Kunstmuseums Istanbul Modern, sind sehenswerte Ausstellungen ein­gerichtet worden. An der Istiklal Straße in Beyoğlusind mit dem von der Koç-Stiftung finanzierten Kunstzentrum Arter und dem Musikhaus der Borusan Hold­ing zwei neue Adressen für zeitgenössische Kunst entstanden. Arter präsentiert mit der von René Block aus Berlin kuratierten Ausstellung „Strater“ noch bis 19. September Stücke seiner anschaulichen Sammlung moderner Kunst. Borusan zeigt mit der Schau „Madde-Işık“ Arbeiten, die auf Licht- und Soundeffekte spezialisiert sind (bis 9. Oktober). In den Obergeschossen bietet das vom Istanbuler Büro GAD Architecture aufwendig umgebaute Haus auch Proben- und Konzerträume für Musiker an.

Rigorose Kahlschlagsanierung

Architektur und Stadtentwicklung spielen im Programm der Kulturhauptstadt nur eine sehr untergeordnete Rolle. Das von Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk im Zusammenhang mit seinem jüngsten Roman angestrengte Projekt eines „Museums der Unschuld“ (Architekt: Ihsan Bilgin, Istanbul, Ausstellungsarchitektur: Sunder-Plassmann Architekten, Kappeln/Schlei) gehört nach einem Streit um die
Finanzierung nicht mehr zum Programm (Bauwelt 06.09). Es wird erst im nächsten Frühjahr eröffnen. Auch die große Ausstellung zur Stadtentwicklung im 20. Jahrhundert musste aufgrund der schweren Erkrankung des Hauptkurators auf nächstes Jahr verschoben werden.
Mit dem Thema Stadtplanung macht Istanbul, wenn auch etwas ungeschickt, dennoch Schlagzeilen. Riesige Infrastrukturprojekte werden derzeit realisiert, große Neubaugebiete entstehen, und alte inner­städtische Quartiere werden saniert und umgebaut. Das geschieht nicht immer sehr einfühlsam. Wegen der rigorosen Kahlschlagsanierung ganzer Straßenzüge und Quartiere und des Baus einer Metro­brücke über das Goldene Horn sieht die UNESCO das Weltkulturerbe Istanbuls bereits in Gefahr. Der Verlust dieses Titels konnte in dem Jahr gerade noch abgewendet werden. 

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