Bauwelt

Lausitzer Seenland

Text: Meyer, Friederike, Berlin

Lausitzer Seenland

Text: Meyer, Friederike, Berlin

Eine Attraktion der künftigen Ferienregion sollen schwimmende Häuser sein. Die drei bisher realisierten Beispiele zeigen, welche Hürden Investoren bei der Genehmigung überwinden müssen. Technische Details und die Vermarktungsfähigkeit lassen offenbar kaum Kapazitäten für eine anspruchsvolle Architektur übrig.
Es braucht noch ein wenig Vorstellungsvermögen. Wenn im Jahr 2020 alle Tagebaurestlöcher geflutet sind, ist in der Lausitz die größte künstlich geschaffene Wasserlandschaft Europas entstanden. 19 Seen sind es in Brandenburg, 12 in Sachsen, zehn mit einer schiffbaren Verbindung. Diese Vorstellung hätte längst ein Gerangel um die Seegrundstücke aus­lösen können, doch der Andrang blieb bisher aus, vielerorts fehlen einfach noch die Voraussetzungen, die das Interesse steigern könnten. Die Eigentumsverhältnisse im Übergang zwischen der LMBV und den Kommunen sind mitunter kompliziert, der Baugrund im Uferbereich ist nicht befestigt, Strom- und Wassererschließung fehlen. Vor allem aber hapert es am Baurecht, denn seit dem Ende des Bergbaus sind alle Bebauungs- und Flächennutzungspläne hinfällig geworden, und vielen Gemeinden fehlt das Geld für die Erarbeitung von neuen.
Dabei hat die IBA schon recht früh eine bildmächtige Idee kommuniziert: schwimmende Häuser – das Alleinstellungsmerkmal der Lausitzer Seenkette, wie es IBA-Projektleiter Michael Feiler formuliert, der zugibt, dass die Häuser angesichts der freien Flächen nicht unbedingt auf dem Wasser schwimmen müssten. In Amsterdam zum Beispiel seien sie das Ergebnis eines Dichteproblems, in der Lau­sitz stehe die Attraktion im Vordergrund, erläutert er den Unterschied zu den Vorbildern in Nordeuropa. Mit der Hochschule Lausitz und der LMBV hat Feiler das „Kompetenzzentrum Schwimmende Architektur“ gegründet und ei­nen Wettbewerb organisiert, bei dem Konzepte für mobile schwimmende Häuser gesucht wa­ren (Heft 42.08).   
Doch gerade einmal drei solcher Häuser sind bisher realisiert worden, zwei davon im Nachbarland Sachsen, das sich an der IBA nicht beteiligen wollte. Für die Bilanz im Abschlussjahr werden das Ferienhaus am Partwitzer See (siehe Seite 40) und das Musterhaus der Fe­riensiedlung im Geierswalder See dennoch mit aufgeführt. Ihre Erbauer sind keine Millionäre mit Sinn für Experimente. Sie sind allesamt Idealisten aus der Region.
Einer von ihnen ist der Existenzgründer Gunter Walter, Inhaber der schwimmenden Tauchschule auf dem Gräbendorfer See. Für das Modellprojekt hat die IBA die Unterstützung des Landesbergamtes Brandenburg, der LMBV und der Stadt Vetschau eingeworben. Den anliegenden Gemeinden gehört das gesamte See­ufer – ein großer Vorteil im Hinblick auf die Projektentwicklung. Ein weiterer Vorteil ist derSee selbst. Als einer der wenigen ist er seit 2007 fertig geflutet, hat mit 6,2 einen idealen ph-Wert, eine gute Wasserqualität, Sandstrand und einen Radweg.
Für die Fränkischen Planer und Bauträger, die das Haus in Holzständerbauweise auf ei­nem Ponton aus Styrodur mit Betonummantelung auf eigene Kosten entwickelt haben und  die schwimmende Architektur zu ihren wirtschaftlichen Standbein machen wollten, hat essich bisher noch nicht gelohnt. Vielleicht, so hofft Feiler, steigen sie ja wieder ein, wenn der Bebauungsplan für die geplante Feriensiedlung nebenan, die Grundlage für ernst zu nehmendes Investoreninteresse, erst einmal verabschiedet ist.
Tauchlehrer Gunter Walter freut sich auf den Tag, an dem der Ferienpark eröffnet wird. Hauptsache, er rückt nicht so nahe ran, denn Walter genießt die Stille rund um die Tauchschule – ein Konflikt, der für alle schwimmen­den Häuser gilt: Die Einsamkeit ist zwar ro­mantisch, aber nicht eben wirtschaftlich. An einem guten Sommersonntag, schätzt Walter, kamen vergangenes Jahr rund 400 Besucher, Tauchschüler inbegriffen. Der Ferienpark würde seiner Beachbar einen deutlich besseren Umsatz bringen, von dem er vielleicht auch im Winter leben könnte.
Am Geierswalder See, im sächsischen Teil des Lausitzer Seenlandes außerhalb des IBA-Gebiets, hat Thomas Wilde ein großes Grundstück gekauft. 20 schwimmende und neun landseitige Stahlhäuser will der Geschäftsführer eines Metallbaubetriebes darauf errichten, seine Mitarbeiterin führt derzeit Interessen­ten durch das schwimmende Musterhaus, ausgezeichnet mit einem Design-Preis, wie sie ­betont, und eingerichtet wie im Schöner-Wohnen-Katalog. Es ist für Kunden gedacht, die „was anderes wollen“ und dem Wassersport verbunden sind. Jedes Haus hat seinen eigenen Bootsliegeplatz, eine Dachterrasse und Fußbodenheizung. 297.000 Euro soll die 60 Tonnen schwere Stahl-Glas-Konstruktion kosten, Küchen- und Badeinrichtung inklusive. Hinzu kommen 50.000 Euro für die Erschließung – nicht wenig für eine Zweitwohnung auf dem Wasser.

Präzedenzfall | Sechs Meter fehlen noch, dann ist der See voll. Trotzdem haben Frau und Herr Mietke schon mal ein Ferienhaus aufs Was- ser geschoben. Das war 2006, ganze zehn Jahre nachdem die LMBV das Ufergrundstück am Partwitzer See zum Verkauf ausgeschrieben hatte. Mietkes haben damals rund einen Kilometer Ufer gekauft. Gleich nebenan betreiben sie einen Reiterhof, den wollten sie um Ferienhäuser zum See hin erweitern. DieIdee der IBA von schwimmenden Häusern gefiel ihnen. Doch als es um die Genehmigung des Entwurfs ging, erklärte man ihnen im sächsischen Bauamt, dafür gebe es keine Gesetze. Mietkes ließen nicht locker, immer wieder fuhren sie zum Amt, ließen Wasser-, Wellen-, Böschungs-, Gebäude- und schließlich auch ein Steggutachten erstellen und mussten lernen, dass sie nicht nur das Baurecht, sondern auch das Wasserrecht und das Bergrecht beachten müssen. Im April 2006 kam die Genehmigung. Die Familie hat Nach ahmern den Weg geebnet, zumindest denen in Sachsen.
Seit Juli 2006 vermieten sie das Ferienhaus mit Erfolg. Viele Sommerwochenenden sind auch für 2010 schon ausgebucht. Inzwischen hat die LMBV das künftige Hafenbecken mit Gabionen markiert, in der Bucht weiter hinten ist eine Ferienhausssiedlung geplant.Ferienhäuser seien gefragt in der Region, erklärt Frau Mietke: wetterfest, mit Dusche, lieber Qualität und dafür fünf Euro mehr. Was sie sich für die Zukunft wünscht? Finanzkräftige Investoren mit mehr als 100.000 Euro inder Tasche. Die Nachfrage sei da, doch die Un­terstützung durch die Wirtschaft fehle.
Fakten
Architekten Kuhn & Uhlig, Hassfurt; steeltec37, Berlin, WilDesign; [a96] Architekturbüro Stein, Stuttgart
aus Bauwelt 17-18.2010
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