Bauwelt

Gärten und Politik

Vom Kultivieren der Erde

Text: Fibich, Peter, Tautenhain

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Gärten und Politik

Vom Kultivieren der Erde

Text: Fibich, Peter, Tautenhain

Auf den ersten Blick scheint die Frage nach dem Kontext von Gärten und Politik so bemüht wie jene, etwa die Musik nach ihren politischen Zusammenhängen zu befragen. Auf den zweiten Blick ist sie so notwendig wie diese. Gärten haben in erster Linie schön zu sein, das ja: Aber die vorrangig ästhetisch empfundenen, vermeintlich apolitischen Beete werden selbstverständlich auch von der Politik bestellt, ihre Ernte von dieser eingeholt, die Beteiligten sind politisch beeinflusst.
Das vorliegende Buch lässt erahnen, wie vielfältig das Beziehungsgeflecht zwischen Gärten und Politik ist. Dabei ist der Garten freilich als Synonym für sehr vielseitige Themen der Landschaftsarchitektur, des Gartenbaus, auch der weiter gefassten Landschaft zu verstehen.
Nun ist aber das Thema „Gärten und Politik“ ein weites Feld. Als Klammer einer Publikation spreizt sich die interessante Fragestellung nach den politischen Implikationen von Gärten ungemein weit. So reicht denn auch das zeitliche Spektrum dieses überaus gehaltvollen Buches von der italienischen Renaissance bis zur Gegenwart. Thematisch wird der Bogen von barocken Linden in der Kulturlandschaft bis hin zu den im Zuge der Stadtschrumpfung entstehenden Brachen gespannt, die Wolfgang Kil in ei­nem gewohnt pointierten Beitrag erörtert.
Mehrere Betrachtungen zur Geschichte der Gartenkunst in Deutschland erzählen den politischen Kontext anhand von biographischen Betrachtun-gen. So sind aufschlussreiche Texte zu den Reformern Fritz Schumacher (Hartmut Frank) und Leberecht Migge (Britta Olényi von Husen) zu lesen. Die Kunsthistorikerin Brita Reimers widmet sich der schillernden Gestalt der Hamburger Reformpädagogin Alma de l’Aigle, die im Garten einen entscheidenden Ort der Lebens- und Gemeinschaftserfahrung sah.
Einige Themen lassen ihre politische Konnotation bereits in der Fragestellung erahnen. Der deutsche Kleingarten etwa, von dem Historiker Hartwig Stein erörtert, lässt sich selbst als idyllischer Fluchtort und alternative Nischenökonomie politisch ausdeuten. Ein genuin politisches Thema legt sich auch die Journalistin Renate Hücking vor, indem sie den Blick hinter Mauern und Stacheldraht wagt. Sie untersucht die Gartenambitionen von Strafgefangenen, für die der politische Gefangene Nelson Mandela ein besonders prominentes Beispiel war. Auch die Gemeinschaftsgärten in den heutigen Großstädten, von der Geographin Marit Rosol betrachtet, offenbaren ihren politischen Gehalt spätestens dann, wenn sie um ihren Fortbestand kämpfen müssen.
Besonders lehrreich ist das Buch immer dann, wenn Vertreter fachfremder oder benachbarter Disziplinen einen Blick auf die Gartenkunst wagen. Wenn etwa der Philosoph Horst Günther mit hartnäckigen Legenden aufräumt, die sich etwa um den Landschaftsgarten im England des 18. Jahrhundert ranken, wird wieder einmal offenbar, wie sehr die Gartenkunstgeschichte den interdisziplinären Diskurs nötig hat.
In diesem Buch wird vielfach fündig, wer zur Geschichte und Gegenwart der Landschaftsarchi­tektur mehr als rein formal-ästhetische Betrachtungen sucht. Im Ergebnis einer gleichnamigen Vortragsreihe in Hamburg ist ein breit gefächerter, substanzreicher Sammelband entstanden, der sich zu lesen lohnt. Geht er doch einer Frage nach, die wir noch zu selten gegenüber dem Schönen zu stellen bereit sind.
Fakten
Autor / Herausgeber Brita Reimers (Hrsg.)
Verlag oekom Verlag
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aus Bauwelt 20.2011
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