Bauwelt

DDR-Architektur in der Leipziger Innenstadt

Forschungen zum baukulturellen Erbe der DDR, N° 5

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

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DDR-Architektur in der Leipziger Innenstadt

Forschungen zum baukulturellen Erbe der DDR, N° 5

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

Leipzig gilt als heimliche Hauptstadt des Historismus mit hochrangigen Einzelbauten und großflächig erhaltenen Wohnquartieren. In diesem Kontext wird das ostdeutsche Erbe ambivalent wahrgenommen. Viele der nachkriegsmodernen Bauten wurden (wie das Hauptgebäude der Karl-Marx-Universität am Augustusplatz und die Wohnbauten am Brühl) seit der Wende ab-­ge­rissen. Die „Altstadtplatten“ der Spätphase der DDR standen dagegen nie zur Disposition. Höchste Zeit, hier einmal genauer hinzuschauen.
Dieser aus zwei völlig unterschiedlichen Beiträgen bestehende Band beleuchtet anhand von zwei größeren Ensembles den Wandel der sozialistischen Planungskonzepte von der Ostmoderne zur „komplexem Rekonstruktion“ und streift dabei auch den aktuellen Umgang mit diesem Erbe. Katja Weise fokussiert nach einem kurzen Überblick über die während der DDR-Zeit im Leipziger Stadtzentrum entstandenen Bauten das in den letzten Jahren wieder nachverdichtete Areal des früheren Sachsenplatzes (auf dem sich heute das Museum der bildenden Künste sowie vier weitere Gebäude befinden). Hier entstand in den späten 60er Jahren auf einer Kriegsbrache in unmittelbarer Nachbarschaft zu einigen noch erhaltenen Alt- und mehreren Neubauten ein mit Pavillons, Kunstwerken und Brunnenanlagen gestalteter Platzraum, dessen städtebauliche Ideen nach der Wende wieder revidiert wurden.
Juliane Richter beleuchtet anschließend das Kolonnadenviertel näher: ein während des Zweiten Weltkriegs stark zerstörtes Wohnquartier in der Inne­ren Westvorstadt, das nach einer jahrzehntelangen Beplanung mit ständig wechselnden städtebaulichen Konzepten in den 1980er Jahren „komplex rekonstruiert“ wurde: als Ensemble aus Alt- und experimentellen Neubauten in Plattenbauweise mit einer zentralen Fußgängerzone und mehreren Platzan-lagen. Dabei zeichnet Richter neben der historischen Quartiersentwicklung auch die zunehmend intensiver geführten Diskussionen über den Wert der althergebrachten Stadtstruktur und Bausubstanz nach und präsentiert Archivfunde wie die nicht realisierten Planungen der Deutschen Bauakademie von Hermann Henselmann und Günter Stahn für eine „sozialistische Rekonstruktion“ (1970) der Westvorstadt in Kahlschlagmanier nach Vorbild des Berliner Leninplatzes.
Viele zeitgenössische Fotos, Pläne und Schaubilder veranschaulichen die intensiven Bemühungen der Stadtplaner und Architekten um Horst Siegel, Dietmar Fischer, Siegfried Kober und Frieder Hofmann, auch innerhalb des engmaschigen Systems der zentralisierten Bauwirtschaft ein urbanes, dauerhaft funktionierendes neues Stadtquartier zu erschaffen: mit Typenbauten, die den überlieferten Maßstab und die althergebrachte Dachform aufnehmen, ansonsten aber zeitgenössisch-moderne Details haben. Dieses Ziel haben sie – ohne Frage – erreicht. Denn das Wohnviertel rund um die Kolonnadenstraße hat sich seit der Wende dank seiner atmosphärisch ansprechenden Stadträume sowie der gelungen Kombination aus Neu- und Altbauten zum immer hipper werdenden Szene-Viertel entwickelt.
Auch wenn die etwas dröge Aufmachung (sowie die teilweise haarsträubenden aktuellen Schnappschüsse) nicht gerade zur Lektüre einladen – dieser Sammelband bietet dem interessierten Leser viele neue Hintergrundinformationen: Dabei werden die verschiedenen Kontinuitäten und Brüche in der Leipziger Stadtentwicklung schlüssig analysiert und die entscheidenden stadtplanerischen Wendepunkte der DDR-Zeit anhand von bislang meist noch unpubliziertem Archivmaterial kenntlich gemacht. Ergänzende Interviews mit beteiligten Akteuren (wie den beiden Leipziger Chefarchitekten Siegel und Fischer) geben Einblicke in die damaligen Planungsabläufe und zeitgenössischen Fachdiskurse. Dies bietet neben neuen Argumenten für die aktuellen Debatten über diese Bauten auch Anknüpfungspunkte für weitergehende Forschungsarbeiten.
Fakten
Autor / Herausgeber Juliane Richter, Katja Weise
Verlag Bauhaus Universitätsverlag, Weimar 2015
aus Bauwelt 6.2017
Artikel als pdf

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