Bauwelt

Architecture in the Netherlands | Jahrbuch 2009/10

Text: Klauser, Wilhelm, Berlin

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Architecture in the Netherlands | Jahrbuch 2009/10

Text: Klauser, Wilhelm, Berlin

Jahrbücher haben immer Bilder: Kompakter Abriss des Projekts, Grundriss, einmal von vorne, einmal von der Seite und irgendwie auch noch was von innen. Und mit Glück gibt es dann auch noch die relevanten Daten. Zu kurz, um über das Projekt tatsächlich zu informieren, zu gut, um sich wirklich zu ärgern, und zu einfach, um sich wirklich zu freuen. Außerdem sind Jahrbücher natürlich schön: Man kann damit Architektur, wie Wein, nach Jahrgängen im Keller ablegen. Das macht niemand. Irgendwas stimmt am Konzept nicht...
Ich empfehle, das Jahrbuch zu lesen. Denn die Herausgeber dieses Jahrbuchs haben ein Problem erkannt, und sie machen es in mehreren Essays zum Thema. Das ist die Frage: Was eigentlich soll ein Jahrbuch, wenn infolge der Finanzkrise ein Drittel der holländischen Architekten den Job verloren hat, wenn große Büros pleite sind und wenn die Bautätigkeit zu 80 Prozent eingebrochen ist? Was macht ein Jahrbuch, wenn es durchaus möglich ist, dass in den kommenden Monaten sogar 50 Prozent der Architekten ihren Job verlieren? Was macht ein Jahrbuch, wenn es feststellt, dass die Ausbildung einer neuen, „vergessenen“ Generation bevorsteht, die aller Wahrscheinlichkeit nach keine Chance hat,­ ih­­ren Beruf unter den vertrauten Vorgaben auszuüben? Was, wenn es Arbeitsbeschaffungsprogramme für Architekten kommentieren soll? Was, wenn es erkennt, dass es mit seinen Bildern etwas darstellt, das es so gar nicht mehr gibt? Dann muss ein Jahrbuch tatsächlich darüber nachdenken, ob das ganze System noch funktioniert. Dann muss es nachdenken, wie es weitergehen kann und was die Rolle des Architekten ist. Ich empfehle deshalb, diese Texte zu lesen. Das, was hier angesprochen wird, lässt sich mit großer Sicherheit auch auf die Situation in Deutschland projizieren.
„Holland goes research“ – das ist die Tendenz. Es gibt handfeste wirtschaftliche Interessen, um das Metier neu zu denken, denn das, was heute nicht geplant wird, wird morgen nicht gebaut. Die wesentliche Frage, die sich stellt, ist die nach dem Beitrag, den Design und Architektur im weitesten Sinn zur gesellschaftlichen Entwicklung leisten können. Die Architektenkammern haben Reserach-Laboratorien aufgelegt: Unter dem Überbegriff „Niederland wird anders“ werden arbeitslose Architekten in staatlich finanzierten Workcamps bei Laune gehalten, und
die Developer sollen doch tatsächlich an neuen Ideen interessiert sein und aus eigenem Antrieb ihre Rolle überdenken! Und weil es wirklich ernst gemeint ist, richtet das Bauministerium in Delft eine Stiftungsprofessur ein: Architektur und Politik, die mit einem prominenten Querdenker besetzt wird. Ob das trägt – und was dabei rauskommt, das ist offen. Es ist möglich, dass dann, wenn die Krise vorbei ist, die alten Reflexe die Oberhand gewinnen und Architek­ten wieder bauen. Es ist aber auch möglich, dass dann, wenn die Krise eben nicht vorbei geht, die Architekten plötzlich andere Entwicklungsmöglichkei­ten sehen. Wie dem auch sei: In diesem Jahrbuch taucht nicht einmal der Begriff „Baukultur“ auf. Das zeugt von einem gewissen Realitätssinn. Und natürlich auch von einer gewissen Experimentierfreude.
Fakten

Verlag NAi Publishers, Amsterdam 2010
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aus Bauwelt 34.2010

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