Bauwelt

Was tun mit Le Corbusiers Kahn der Armée du Salut?

Text: Kabisch, Wolfgang, Paris

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    Die 80 Meter lange "Louise Catherine" wurde 1915 als Kohlekahn gebaut.
    Wolfgang Kabisch

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    Die 80 Meter lange "Louise Catherine" wurde 1915 als Kohlekahn gebaut.

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Was tun mit Le Corbusiers Kahn der Armée du Salut?

Text: Kabisch, Wolfgang, Paris

Nahe der Gare d’Austerlitz und der neuen Nationalbibliothek von Paris liegt ein alter Lastkahn vertäut. Le Corbusier hatte ihn im Auftrag der Heilsarmee 1929 ausgebaut. Das Schiff ist leer und marode. Für die Sanierung müsste man viel Geld in die Hand nehmen. Wie es danach genutzt werden könnte, ist auch noch zu klären.
Die Taxifahrer schimpfen, die Freizeitsportler jubeln. Seit es sich die Stadt Paris unter dem bis April amtierenden Bürgermeister Bertrand Delanoë zur Aufgabe gemacht hat, die linke Seine-Seite vom Autoverkehr zu befreien und die Quais den Einwohnern zurückzugeben, vergnügen sich Pariser und Touristen zunehmend am Wasser. Doch damit nicht genug. Zwischen der neuen Nationalbibliothek und dem Bahnhof Austerlitz hat sich eine Szene etabliert, die zwar schon lange in Ansätzen vorhanden war, aber erst mit der Renovierung der Quais ein beständiges Leben entwickelt. Auf umgebauten Lastkähnen und an Land treffen sich unterschiedlichste Bevölkerungsgruppen, die in der Innenstadt kaum mehr Platz finden, sich zu entfalten.
Direkt unterhalb des Gare d’Austerlitz liegt auf der Seine ein Frachtkahn, leicht vergammelt, 80 Meter lang, aus Beton: die „Louise Catherine“. 1915 gebaut, während des Kriegs, als Metall für den Schiffsbau rar war. Bisher kaum beachtet, gerät sie mit der Umnutzung der Ufer in den Blick der Öffentlichkeit. Inzwischen ist sie denkmalgeschützt. Doch das besondere ist nicht unbedingt das Material, aus dem der Schiffsrumpf ist. Es ist der Architekt, der den Kohlekahn 1929 für die Heilsarmee zu einer Asylunterkunft umgebaut hat – Le Corbusier.
Die Geschichte ist wirklich verrückt. 1928 verkauft eine Ma­deleine Zillhardt ein auf einer Art Flohmarkt gefundenes Gemälde für 1500 Francs. Sie spendet die damals immense Summe der Heilsarmee für den Erwerb des Kahns. Einzige Bedingung: Er muss den Namen ihrer verstorbenen Lebensgefährtin, der Malerin Louise Catherine Breslau tragen. Diese wiederum war früher mit Winnaretta Singer, Prinzessin Edmond de Polignac, der Erbin des Nähmaschinenkonzerns, liiert, die eine Bewunderin von Le Corbusier war. Sie brachte als Mäzenin den Schweizer als Architekten ins Spiel, der sich der primär sozialen Aufgabe annahm und für die Heilsarmee 1929 den Hauptsitz – die Cité de Refuge – entwarf und den Umbau des Lastkahns vornahm. Was Corbu interessierte, war – wie man es sich vorstellen kann – zunächst die reine Betonkonstruktion. Er erhielt den Rumpf, fügte ein Deck hinzu, das er auf schlanke Eisenstützen setzte. Zwischen zwei Stützen passten jeweils zwei Etagenbetten, 160 insgesamt, in drei Reihen. Treppen und Durchgänge versetzte er leicht neben die Mittelachse. Die Treppenaufgänge aus Betonplatten entsprechen in ihren Dimensionen und Durchgangshöhen späteren Entwürfen für seine Cités Radieuses. Dazu eine Küche, einen Speisesaal und zwei Wohnräume. Rechteckige große Fenster, draußen, auf dem Dach, ein Garten. Für damalige Zeiten war das ein Luxushotel. Corbusier wollte eine funktionale, moderne Architektur mit maximalem Komfort, Licht und Belüftung für Obdachlose schaffen, mit fließend Wasser und Elektrizität: ein „Palais du peuple“, einen Volkspalast, wie er ein späteres Projekt für die Heilsarmee nannte.
Um den anekdotischen Teil zu Ende zu führen: Die „Louise Catherine“ fungierte bis in die neunziger Jahre als Behelfs­unterkunft, im Winter für die Obdachlosen, im Sommer für Kin­der als Ferienlager. 1994 wurde sie aus Sicherheitsgründen geschlossen, nachdem größere Wassermengen eingedrungen waren. Keinesfalls aufgrund porösen Betons, wie man später herausfand, der hält bis heute. Man hatte schlicht verschiedenen Reparaturen an Deck unsachgemäß ausgeführt. So stand die „Louise Catherine“ zwölf Jahre lang leer. Die Heilsarmee wollte sie loswerden. Die Hafenbehörde versuchte, sie klammheimlich abzuschleppen. 2006 wurde sie dann von den Eignern der Nachbarschiffe gekauft und so gerettet.
Die Kernfrage, die sich heute stellt, ist nicht die nach der Finanzierung der weiteren Renovierungsarbeiten. Vielmehr stellt sich die Frage nach einer sinnvollen Nutzung. Für die Fondation Le Corbusier handelt sich um kein lupenreines Denkmal. Der Lastkahn wurde ursprünglich ja nicht vom Meister selbst entworfen – nur sein Umbau! Also beobachtet man die Aktivitäten bisher aus einer gewissen Distanz. Dabei gibt es nicht sehr viele „begehbare Corbusiers“ in Paris. Die Besitzer stellen sich eine Veranstaltungsstätte vor, die für Architektur-, Design- und sonstige Kulturdebatten genutzt wird. Das Konzept bleibt sehr vage. Die verkehrsberuhigten Quais bieten nach ihrem Umbau immerhin die besten Voraussetzungen, die „Louise Catherine“ aus ihrem Dornröschenschlaf zu erwecken. Doch dazu braucht man bis zur geplanten Eröffnung im nächsten Jahr, am fünfzigsten Todestag des Architekten, noch eine überzeugende Idee. 

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