Bauwelt

Investment an der High Line

Der High Line Park ist zu einer der größten Attraktionen New Yorks geworden. Er trifft das Lebensgefühl von Einheimischen und Touristen und ist das große Vorbild für ähnliche Orte in anderen Städten. Nun wird er immer mehr mit Luxusimmobilien zugebaut.

Text: Schittich, Christian, München

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Gated Community an der High Line: der Neubau 520 West 28th Street mit Edelstahlfassade von Zaha Hadid Architects.
Foto: Christian Schittich

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Gated Community an der High Line: der Neubau 520 West 28th Street mit Edelstahlfassade von Zaha Hadid Architects.

Foto: Christian Schittich


Investment an der High Line

Der High Line Park ist zu einer der größten Attraktionen New Yorks geworden. Er trifft das Lebensgefühl von Einheimischen und Touristen und ist das große Vorbild für ähnliche Orte in anderen Städten. Nun wird er immer mehr mit Luxusimmobilien zugebaut.

Text: Schittich, Christian, München

New York sei mittlerweile so langweilig geworden wie nie zuvor in seiner Geschichte beklagt Kevin Baker in der Juli-Ausgabe von Harper‘s Maga­zine. In seiner Titel-Story „The Death of a Once Great City” gibt er der sich rasant ausbreitenden Gentrifizierung die Schuld dafür, dass vieles von dem, was die Stadt bislang lebenswert machte, verloren geht. Ganz Manhattan würde zusehends zur Gated Community verkommen. Reiche Russen, Araber und Chinesen haben die Stadt als Anlage- und Spekulationsobjekt entdeckt und pumpen nun Unsummen in deren Immobilienmarkt. Aber auch die einheimischen Investmentbanker legen seit der Wirtschaftskrise ihre nach wie vor satten Boni lieber in Prunkwohnungen an, statt in ihre Spekulationspapiere. Wer sich in New York nach aktueller Architektur umsieht, stößt so fast ausschließlich auf Luxuswohnanlagen, unter deren Planern die großen Namen der Szene von Ando bis Zaha.
Zugegeben: Manche der neuen Projekte zeigen eine hohe Architekturqualität, wie „56 Leonard Street“ von Herzog & de Meuron, das den Typus des Wohnhochhauses vollkommen neu interpretiert. In der Summe aber fügen sie der Stadt doch erheblichen Schaden zu. Nirgendwo sonst in Manhattan indes verläuft der Gentrifizierungsprozess mit all seinen Folgen so drastisch wie im Bereich des so erfolgreichen High Line Parks.
Seit die Stadtverwaltung im Jahr 2005 den Beschluss gefasst hatte, die ehemalige Hochbahntrasse zu erhalten und darauf eine Grünanlage zu errichten, sind die Immobilienpreise in ihrer Umgebung drastisch nach oben gesprungen. Gigantische Mietpreissteigerungen haben die eingesessene Bevölkerung bereits beinahe komplett verdrängt und die vormals lebendige städtische Struktur aus kleinen Läden und Handwerksbetrieben wird nach und nach durch Kunstgalerien und Touristenshops ersetzt. Bezeichnenderweise stieg im gesamten Stadtgebiet trotz des vielen Gelds und des Wohnbaubooms parallel der Bevölkerungsanteil der Armen sowie die Obdachlosenquote auf seit Jahrzehnten nicht mehr gekannte Rekordhöhen. Als im Juni 2009 der erste Abschnitt des High Line Parks fertiggestellt wurde, wird er umgehend zum Riesenerfolg (Bauwelt 34.2009). Vom ersten Tag an übertreffen die Besucherzahlen die Erwartungen bei Weitem und noch vor der Vollendung des dritten Bauabschnitts im September 2014 ist die Grünanlage längst eine der größten Attraktionen der Stadt. Sie trifft perfekt das Lebensgefühl von Einheimischen und Touristen und wurde zum Vorbild für ähnliche Orte in anderen Städten. Was die Menschen daran fasziniert ist nicht allein die gelungene Gestaltung durch Diller Scofidio + Renfro und James Corner Field Operations, sondern das beson­dere Erlebnis der Stadt in ihrer ganzen Vielschichtigkeit, dass die erhöhte Lage und die bislang sehr heterogene Umgebung ermöglichen. Doch auch dies ist nun in Gefahr, denn mit ihrer Umgebung ändert sich auch die High Line selbst. Auf ihren 2,3 Kilometern Länge wird sie zusehends von oftmals gesichtslosen und über weite Zeiträume im Jahr leerstehende Neubauten zugebaut. Das beginnt am nördlichen Ende wo gerade „Hudson Yards“ entsteht, das größte Entwicklungsprojekt in der Geschichte der Stadt. Dessen eintönig blauschimmernde Hochhaustürme reichen bis an den Park heran und bilden aus zahlreichen Blickwinkeln und Perspektiven betrachtet nun den Hintergrund für den Besucher.
Besonders dramatisch aber zeigt sich die Situation im mittleren Abschnitt in Chelsea, das seinerzeit zusammen mit dem Beschluss für den Park von der Stadtverwaltung offiziell als neuer Standort für „Luxury Condominiums“ ausgewiesen wurde. Mit einem stattlichen Geldbetrag kann ein Investor hier „Luftrechte“ kaufen und damit die Forderungen der Abstandsflächenregelung umgehen, mit der Folge, dass die Neubauten so eng beisammenstehen wie nirgendwo sonst an der Strecke. In Chelsea befindet sich auch das seit einigen Monaten fertiggestellte Projekt „520 West 28th Street“ von Zaha Hadid Architects, dessen Gebäudehülle aus 900 organisch geformten Edelstahlelementen die Fassadenbau-Firma drei Jahre lang beschäftigt haben soll. Die teuerste Wohnung kostete hier knapp 50 Millionen Dollar. Doch das ist noch nicht der Spitzenwert. Gleich schräg gegenüber im „The Getty“ legte ein amerikanischer Börsenmakler 59 Millionen Dollar für ein 930 Quadratmeter großes Penthouse auf den Tisch. Das Haus stammt von Peter Marino, einem Architekten, der in der Welt der Superreichen zuhause ist und sich überwiegend mit dem Design von Flagship-Stores für Luxusmarken beschäftigt. Immerhin kann man Marino zugutehalten, dass sein Baukörper mit den großen und filigranen Glasfassaden zu den optisch ansprechenderen Neubauten an der High Line gehört. Um Aufmerksamkeit und vor allem Fernwirkung scheint es auch Bjarke Ingels bei seinen „Twisting High Line Towers“ zu gehen, die sich ein Stück weiter südlich gerade im Rohbau befinden. Die Visualisierungen lassen kaum ein Mehrwert zu erkennen, der die verdrehte Form der beiden Hochhäuser rechtfertigen würde.
Wie zu hören ist, geht auch den Initiatoren des High Line Parks die Entwicklung mittlerweile entschieden zu weit. Im letzten Jahr haben sie deshalb ein Netzwerk gegründet, dass die Entwickler ähnlicher Projekte andernorts unterstützen soll, eine starke Gentrifizierung zu vermeiden. Doch auch wenn sie sich heute von den Auswirkungen des Erfolgs überrascht zeigen: Eine nicht unerhebliche Wertsteigerung der umliegenden Grundstücke war bei dem Projekt von vorneherein einkalkuliert. Schließlich haben die Initiatoren den damaligen Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg, vor allem mit dem Argument überzeugt, dass die Baukosten von etwa 200 Millionen Dollar locker mit den daraus resultierenden Steuermehreinnahmen finanziert werden könnten. Dass diese Mehreinnahmen bis 2038 gleich auf 900 Millionen anwachsen würden, wie es neueste Schätzungen prognostizieren, damit hatte aber wohl niemand gerechnet.

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