Bauwelt

Endspiel in Córdoba

Congress Center

Text: Cohn, David, Barcelona

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Visualisierung: OMA

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Endspiel in Córdoba

Congress Center

Text: Cohn, David, Barcelona

Im März dieses Jahres fiel die endgültige Entscheidung: Rem Koolhaas’ CCC kommt nicht. Dieser Beschluss ist ein Paradebeispiel dafür, wie politisches Missmanagement und allzu hochtrabende Ambitionen ein attraktives Kulturprojekt wie das Córdoba Congress Center zu Fall bringen können – die derzeitige wirtschaftliche Krise samt der drastischen Kürzungen für öffentliche Aufträge seitens der spanischen Regierung spielte in dieser Geschichte eine eher marginale Rolle
Im Jahr 2001 stand der Entwurf von Rem Koolhaas als Sieger fest, die Jury gab OMA den Vorzug vor den Finalisten Zaha Hadid, Toyo Ito, Rafael Moneo und Cruz y Ortíz arquitectos. Das Nutzungsprogramm für das geplante 35.500 Quadratmeter große Kongresszentrum sah neben einer großen Ausstellungshalle drei Auditorien, ein Luxushotel, Ladengeschäfte und ein Besucherzentrum vor. OMA überzeugte die Jury mit einem Entwurf, der die Wirkung des neuen Zentrums auf der Halbinsel am Guadalquivir verstärkt und dafür über die Vorgaben der Ausschreibung hinausging.
Der Entwurf setzt das Kongresszentrum in die als Park angelegte Flussaue. Er greift auf eine Strategie zurück, die Koolhaas erstmalig 1972 bei seinem Diplomentwurf erarbeitet hatte: „Exodus, or the Voluntary Prisoners of Architecture“ nutzte die kompositorischen Verfahren des Suprematismus und Collagetechniken, um dem bestehenden Kontext eine Mega-Struktur überzustülpen. In Córdoba spannt der Architekt eine 360 Me­ter lange Gebäudescheibe über die gesamte Breite der Halbinsel. Die 28 Meter hohe Konstruktion aus Glas und Stahl wird von variablen Passagen durchzogen, die auf unterschiedlichen Ebenen die Flächen des Nutzungsprogramms umweben. Das Hauptauditorium kragt seitlich aus. Die Gebäudescheibe steht in einem schrägen Winkel zur Altstadt und konkurriert mit den harten Linien der Römerbrücke und der unter dem Kongresszentrum verlaufenden Magistrale.
Wie viele spanischen Städte hatte es sich Córdoba seinerzeit in den Kopf gesetzt, ein provokantes und kontroverses Kulturpro­jekt mit einem internationalen Star-Architekten zu bauen. Das Vorhaben basierte auf einem Finanzierungskonzept, das ohne öffentliche Gelder auskommen wollte. Als Gegenleistung für die Baukosten sollte das Gebäude für 25 Jahre dem Investor in Konzession überlassen werden, der sich seine Investitionen in Form von Nutzungsgewinnen wieder hereinspielen würde. Der Zuschlag für Bau und Betrieb des Kongresszentrums ging an den spanischen Bauunternehmer Ferrovial, der 2005 in ei­ner Presseerklärung verlauten ließ, dass das Unternehmen die geschätzten 80 Millionen Euro Baukosten in „10 bis 12 Jahren“ wieder eingefahren haben würde. Wenige Monate später, mit der Präsentation des finalen Entwurfs von OMA, war das Budget auf 158 Millionen geklettert. Zwischenzeitlich hatten die Stadtväter beschlossen, das Kongresszentrum solle auch Stammhaus für das Orquesta Sinfónica de Córdoba werden. Das hatte zur Folge, dass für die drei Auditorien eine spezielle Akustik und Bühnentechnik eingeplant werden musste. Dies und nicht einkalkulierte Steuerabgaben trieben die Baukosten weiter in die Höhe. Ferrovial konnte das Finanzkonzept nicht länger stemmen und zog sich 2008 im Zuge der spanischen Wirtschaftskrise ganz aus dem Projekt zurück. OMA erhielt den Auftrag, den Entwurf auf 21.000 Quadratmeter Fläche einzudampfen. Etwa 10 Millionen kostete die Stadt die Überarbeitung des Projekts, bereits durchgeführte Erdarbeiten und die Kompensationen an Ferrovial.
Im März 2011 stellte die Stadtregierung den zusammengestrichenen Entwurf mit einem Budget in Höhe von 79 Millionen vor. Die Stadt selbst wollte 52 Millionen Euro zur Verfügung stellen, 9 Millionen hatte die spanische Regierung zuge­sichert, während die Region Andalusien mit einem Zuschuss von 18 Millionen dabei war. Doch bei den lokalen Wahlen im folgenden Mai verlor die regierende Linke ihre Mehrheit an die konservative Partido Popular, bei der das Projekt wegen der hohen Kosten in heftigem Verruf stand. Die neue Stadtregierung verzögerte erst den Baubeginn und zog im vergangenen März schließlich die Notbremse. Als Ersatz für den Koolhaas-Entwurf will die Stadt nun den CajaSur-Pavillon umnutzen. Die Messe- und Ausstellungshalle, 2004 in einem Industrie­gebiet durch die mittlerweile bankrott gegangene katholische CajaSur-Bank für 35 Millionen errichtet, wird derzeit nicht genutzt und weist darüber hinaus schwerwiegende konstruktive Mängel auf. Kritische Stimmen betonen, dass der CajaSur-Pavillon – von der mehr als problematischen Lage einmal ganz abgesehen – mit dem Flair des Koolhaas-Entwurfs nicht im entferntesten konkurrieren kann.
Welche Auswirkungen der Entwurf von Rem Koolhaas für die Stadt gehabt hätte, werden wir nun nie erfahren. Das CCC ist nur eines von vielen Kulturprojekten, die in einem Sumpf aus Problemen versinken, wie zum Beispiel Peter Eisenmans immens kostspielige, unausgelastete und unvollendete City of Culture von Santiago de Compostela; Herzog & de Meurons La Ciudad del Flamenco in Jeréz de la Frontera (seit 2004 angekündigt und derzeit ohne Finanzierung); Zaha Hadids Univer­sitätsbibliothek Sevilla, deren halbfertiger Rohbau nach massiven Anwohner-Protesten wegen der Zerstörung eines öffent­lichen Parks per Gerichtsbeschluss abgerissen werden musste; Oscar Niemeyers Centro Niemeyer in Aviles (sechs Monate nach Eröffnung aufgrund heftiger politischer Auseinandersetzungen um den Stiftungsvorstand wieder geschlossen) und Selgascanos Kongresszentrum in Plasencia (Baustopp wegen mangelnder Finanzierung). Auch Santiago Calatravas 2006 fertiggestellte Ciutat de les Arts i les Ciències muss sich einer neuerlichen Buchprüfung wegen der mehr als 1,1 Milliarden Euro Baukosten stellen – davon 94 Millionen allein für Calatravas Honorare.
Eines steht fest: Spaniens Lokalpolitik hat noch eine Menge dazuzulernen, wenn es darum geht, große Bauvorhaben verantwortungsvoll zu managen. Doch auch die Architekten, Komplizen einer verschwenderischen Bauherrenherrlichkeit, sind in die Verantwortung zu nehmen: Für die Zunft ist es an der Zeit für eine gründliche Selbstkritik. Architektur – ist das nun grellbuntes Spielzeug für Neureiche, ob in der Politik oder in Investorenkreisen, oder ein ernsthaftes und tragfähiges Angebot an die Gesellschaft?
Aus dem Englischen von Agnes Kloocke
Fakten
Architekten OMA, Rotterdam

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