Bauwelt

Dröhnendes Schweigen in Köln

Moscheestreit

Text: Winterhager, Uta, Bonn

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Foto: Uta Winterhager

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Dröhnendes Schweigen in Köln

Moscheestreit

Text: Winterhager, Uta, Bonn

Paul Böhm, dem Architekt der Kölner Moschee, ist vom Bauherrn der Vertrag gekündigt worden. Vordergründig geht es um eine absurd lange Liste von Mängeln, obwohl die Baustelle noch längst nicht abgeschlossen ist. Doch es geht auch um Ikonographie und Integration, um Symbolik und Politik. Die Fronten sind verhärtet. Ein Scheitern des Projekts dürfte nicht ohne Auswirkungen auf ähnliche Bauvorhaben in anderen deutschen Städten bleiben.
Erleichterung war zu spüren, als am 7. November 2009 endlich der Grundstein für die Kölner Zentralmoschee gelegt werden konnte. Nicht nur der dreieinhalb Jahre zuvor entschiedene Wettbewerb, sondern jede der zähen Überarbeitungs- und Verhandlungsphasen, an denen neben dem Büro Böhm und der Bauherrin DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.) auch die Stadt und diverse Interessengruppen beteiligt waren, sind mit großer öffentlicher Anteilnahme begleitet worden (Bauwelt 32.2007). Doch immer wieder gab es Zweifel, ob denn die kulturelle Offenheit, die das Vorhaben mit großem Enthusiasmus vorangetrieben hatte, in der Praxis Bestand haben werde.
Nach der Grundsteinlegung ging es zunächst schnell voran, und mit jedem Meter, den der eindrucksvolle Rohbau wuchs, mit jeder Schale, die die Kuppel zum Raum werden ließ, wurde deutlicher, dass es richtig war, die Moschee aus dem Hinterhof zu holen, dass es richtig war, den Kölner Kirchenbaumeister Böhm mit dem Bau zu beauftragen, und dass es richtig war, an genau dieser Stelle zu bauen. So wurden die Zweifel weniger, die Kritiker verstummten, und die Freude darüber, dass Köln ein so vielversprechendes Gebäude mit kulturellem Mehrwert erwarteten konnte, nahm stetig zu.
Doch mit einem Mal ist es vorbei mit der Euphorie. Am 21. Oktober hat die DITIB, die unter Aufsicht des staatlichen Präsidiums für Religiöse Angelegenheiten in Ankara steht und damit indirekt auch des türkischen Ministerpräsidenten, den Architektenvertrag mit dem Büro Böhm gekündigt. Seitdem macht die Moschee fast täglich Schlagzeilen. Mit großen Worten und großen Zahlen eröffnete die DITIB eine Diskussion. Pressereferentin Ayse Aydin zog ein provokantes Fazit: „Als Künstler hat Herr Böhm brilliert, als Baumeister hat er leider versagt“, und belegte dies mit einem mehr als 2000 Mängel umfassenden Gutachten, in der einzelne Nägel, Drahtstücke und Dreckflecken aufgeführt werden. Zwar betont die DITIB immer wieder, dass allein das Geschehen auf der Baustelle zur Vertragskün­digung geführt hat. Doch der Bau einer Moschee ist in Deutschland noch keine Selbstverständlichkeit – durch einen Vorgang wie diesen wird er unweigerlich zu einem politischen und da­mit auch zu einem ideologischen Thema.
Böhm sieht in der Mängelliste ein „bewusstes Aufblähen, um das Konfliktpotential zu erhöhen“. Wären die Mängel, die sich nach seiner Erfahrung „nicht in einem unüblichen Rahmen bewegt haben“, wie in vergleichbaren Projekten in Gruppen zusammengefasst, käme man auf gerade zehn Systemmängel. Auch übernimmt Böhm keine Verantwortung für die von 17 auf 39 Millionen Euro gestiegenen Baukosten, sondern verweist auf die teils grundlegenden Umplanungen, welche die DITIB zu verantworten habe. So berichtete etwa die taz am 9. November, dass die Architekten aus Ankara aufgefordert wurden, die dreiteilige Kuppel, in der Ankara die Heilige Dreifaltigkeit der christlichen Kirchen erkannt zu haben meinte, neu zu planen. Die daraufhin aus vier Teilen zusammen­gesetzte Kuppel fiel jedoch ebenso durch, da die Behörde aus einer Art explodierten Aufsicht nicht nur ein Kreuz, sondern das Christusmonogramm „XP“ heraus lesen wollte. Realisiert wurden schließlich zwei Schalen, die von oben betrachtet einen Halbmond bilden. Ob es sich hierbei um übliche liturgische Vorschriften oder kryptografische Spitzfindigkeiten handelt, ist eine Frage des Standpunktes. Das Büro Böhm hatte sich bis zur Kündigung des Vertrags nicht zu dieser gut zwei Jahre zurückliegenden Angelegenheit geäußert – wohl wissend, dass diese von oben verordneten Korrekturen einen weiten Interpretationsspielraum bieten und den öffentlichen Diskurs einmal mehr auf die ideologische Ebene verlagern würden. Obwohl Böhm auch von seiner Seite eine Vertragskündigung, unter anderem wegen ausstehender Honorarzahlungen, angekündigt hat, möchte er vor allem eines: „Ich habe nach wie vor den Ehrgeiz, dieses Haus bis zur Fertigstellung zu begleiten. Ich möchte das schon allein deshalb, weil ich mich der Gemeinde dieser Moschee und auch den Bürgern der Stadt Köln verpflichtet fühle.“
Paul Böhm, die DITIB und die Kölner Zentralmoschee statuieren nun nicht mehr nur für Köln, sondern für ganz Deutschland ein Exempel praktischer Integrationspolitik. Ein fragiles Konstrukt, das nur in der Waage bleibt, wenn alle Beteiligten Einmütigkeit praktizieren. Niemand möchte eine Bauruine dieses Formats als Mahnmal des Scheiterns mitten in der Stadt sehen, und niemand möchte eine Moschee, die ohne ihren Architekten und entgegen aller Vereinbarungen durchgeboxt und fertiggestellt wurde. Die DITIB baut die Moschee mit Spendengeldern – fraglich ist, ob diese auch im Krisenfall weiter fließen. Eine Refinanzierung über Schadensersatzklagen ist zwar denkbar und in Köln durchaus verbreitet, trägt aber nicht zur politischen Konsolidierung bei. Wenn die Kölner Moschee scheitert, wird sich so bald keine deutsche Großstadt solch ein Projekt zumuten wollen.
Fast drei Wochen nach der Kündigung tagte am 10. November der Moscheebeirat, ein etwa 40-köpfiges Gremium aus Vertretern von Politik, Verwaltung, Religionsgemeinschaften und Kirchen, Gewerkschaften, Bürgerinitiativen, Unternehmern und Personen des öffentlichen Lebens. Doch dies geschah erst, nachdem der Beirat selbst die DITIB öffentlich dazu aufgerufen hat, dieses Instrument zur Vermittlung auch zu nutzen. Von dort kam ein klares Bekenntnis zu neuen Gesprächen: „Die über lange Jahre bewährte vertrauensvolle Zusammenarbeit in und für die Stadtgesellschaft“ solle fortgesetzt werden, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung von Böhm und DITIB. Bis es zur Einigung kommt, hat der Mediator, der ehemalige Oberbürgermeister Fritz Schramma, beiden Parteien ge­boten zu schweigen.
Fakten
Architekten Böhm, Paul, Köln
aus Bauwelt 46.2011
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