Alles fließt
Siedlungsformen mit Ablaufdatum: Eine Ausstellung im Architekturmuseum der TU München feiert den ephemeren Städtebau
Text: Friedrich, Jan, Berlin
Alles fließt
Siedlungsformen mit Ablaufdatum: Eine Ausstellung im Architekturmuseum der TU München feiert den ephemeren Städtebau
Text: Friedrich, Jan, Berlin
Weshalb sind Architekten und Stadtplaner eigentlich so fasziniert vom Temporären, wo sie doch den ganzen Tag lang an überwiegend Dauerhaftem arbeiten?
Unweigerlich kam mir diese Frage (wieder einmal) in den Sinn, nachdem ich die insgesamt zwei Dutzend temporären Stadtstrukturen aus der ganzen Welt begutachtet hatte, die im Architekturmuseum der TU München zur Ausstellung „Does Permanence Matter? Ephemeral Urbanism“ zusammengetragen sind. Die präsentierten Beispiele reichen von der Sukka, der Hütte für ein bis zwei Personen, die anlässlich des siebentägigen jüdischen Laubhüttenfests aus Ästen, Zweigen, Laub und Stroh gebaut wird, über das Flüchtlingslager Dadaab in Kenia, das seit den 1990er-Jahren besteht und zu Spitzenzeiten einer halben Million Menschen aus Somalia und Äthiopien Zuflucht bot, bis hin zu einer Megafestivalstadt für 30 Millionen Pilger, die das hinduistische Fest Kumbh Mela feiern, das seit dem Jahr 642 n. Chr. alle zwölf Jahre für jeweils 55 Tage im indischen Allahabad stattfindet.
Liegt es vielleicht daran, dass temporäre Strukturen so unglaublich fehlertolerant sind – ganz anders als das meiste, das Planer sonst so planen? Mein Lieblingsbeispiel aus der Ausstellung ist der Markt im thailändischen Samut Songkhram. Der ist über die Jahre so sehr gewachsen, dass die Händler ihre Ware inzwischen sogar auf einem Bahngleis feilbieten. Acht Mal am Tag, wenn der Zug durch den Markt zuckelt, muss schnell die Auslage beiseite geräumt, müssen die Stände eingeklappt werden. Im Grunde ist das schon der nächste faszinierende Schritt: nicht mehr temporäre, sondern elastische Stadt.
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