Bauwelt

Mehrfamilienhaus in Kassel


In Kassel ist der sogenannte „Vordere Westen“ seit jeher ein Ort des „gehobenen Wohnens“. Im Quartier aus dem späten 19. Jahrhundert entstand ein Mehrfamilienhaus entlang der Reginastraße. Das ortsansässige Architekturbüro foundation 5+ gab ihm selbst den Titel „Moderne Gründerzeit“


Text: Kasiske, Michael, Berlin


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    In den vertikalen, leicht geformten Holzstäben vor der Fassade ...
    Foto: Constantin Meyer

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    In den vertikalen, leicht geformten Holzstäben vor der Fassade ...

    Foto: Constantin Meyer

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    ... befinden sich die Schienen für den Sonnenschutz.
    Foto: Constantin Meyer

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    ... befinden sich die Schienen für den Sonnenschutz.

    Foto: Constantin Meyer

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    Raumhohe Verglasungen ...
    Foto: Constantin Meyer

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    Raumhohe Verglasungen ...

    Foto: Constantin Meyer

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    ... und großzügig einge­schnittene Loggien bestimmen den Wohnbereich.
    Foto: Constantin Meyer

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    ... und großzügig einge­schnittene Loggien bestimmen den Wohnbereich.

    Foto: Constantin Meyer

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    Zueinander versetzte Kuben strukturieren das Dachgeschoss
    Foto: Constantin Meyer

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    Zueinander versetzte Kuben strukturieren das Dachgeschoss

    Foto: Constantin Meyer

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    Die Dachgeschosswohnungen haben zusätzlich ei­­nen 1-Raum-Wintergarten.
    Foto: Constantin Meyer

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    Die Dachgeschosswohnungen haben zusätzlich ei­­nen 1-Raum-Wintergarten.

    Foto: Constantin Meyer

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    Es sind verschiedene Wohnungstypen entstanden, u.a. auch Maisonettewohnungen.
    Foto: Constantin Meyer

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    Es sind verschiedene Wohnungstypen entstanden, u.a. auch Maisonettewohnungen.

    Foto: Constantin Meyer

Das Neue ist unverkennbar, gleichgültig, ob man aus der Querallee von Osten oder der Olga­straße von Südwesten in die kleine Wohnstraße einbiegt. Anders als die vorhandenen Gründerzeitbauten oder deren Nachfolger aus der Nachkriegszeit wirkt die horizontal gegliederte Fas­sade mit den repetitiven Elementen eher wie aus der Strangpresse. Es war wohl dieses Serielle, das schon vor Baubeginn Unmut in der Nachbarschaft erzeugt hat; Schmähungen wie „verglaster Plattenbau“ stammen allerdings von Anwohnern, die Großtafelbau allenfalls vom Hörensagen kennen.
Die Reginastraße liegt inmitten des Quartiers „Vorderer Westen“, das der Textilunternehmer Sigmund Aschroff ab 1860 entwickelt hatte. Die großen Ost-West-Verbindungen sind nahezu parallel zur südlich gelegenen Wilhelmshöher Allee ebenfalls auf den „Herkules“ ausgerichtet, mit diagonal angelegten Querverbindungen, um angesichts des südlich stark abfallenden Geländes sanftere Steigungen zu ermöglichen. Trotz einiger Neubauten der Nachkriegszeit ist die geschlossene Bebauung gut erkennbar. Im vergangenen Jahrzehnt hat sich hier eine gut verdienende Klientel niedergelassen, die den un­gewöhnlich diversifizierten Einzelhandel an der zentral verlaufenden Friedrich-Ebert-Straße stützt. Auch die auf öffentlichen Nahverkehr, Fahrradfahrer und Fußgänger ausgerichtete Straßengestaltung trägt zur hohen Qualität des Umfeldes bei.
So überrascht es nicht, dass von den 24 Wohneinheiten der „Modernen Gründerzeit“ innerhalb von drei Monaten 20 verkauft waren. Das „vermarktungsfähige Gebäude“, das der Bau­träger mit dem programmatischen Namen „Urbanes Wohnen Vorderer Westen“ von foundation 5+ erbeten hatte, trug dazu bei: Eine Kombination aus klassischem Flurgrundriss mit einem offenen Wohnbereich, organisiert als Zwei- und Dreispänner; eine weitgehend offene Innengestaltung machte die Wohnungen auch für konservative Interessenten anziehend.
Der Baukörper bildet im Knick der Straße den Blockrand; er nimmt die Traufhöhe der Nach­barbebauung auf, sodass es vier Geschosse, ein Staffelgeschoss sowie noch weiter zurückgesetzte Aufbauten auf dem Dach gibt. Der Sockel mit der in den Hang eingefügten Parkgarage ergab sich aus der Historie. Auf dem Grundstück standen zuvor die 1952 erbauten „Regina-Ga­ragen“. Die seinerzeit modernste „Groß-Garage“ der Stadt war zweistöckig gewesen, wobei die obere Ebene von der östlichen, die untere von der tiefer liegenden westlichen Grundstückskante erschlossen wurde. Dieses Prinzip übernahm foundation 5+, auch um innerhalb der Ebenen platzfressende Rampen zu vermeiden. Die Abstellanlage, die das Grundstück bis zur Grenze einnimmt, bietet 50 Plätze, wodurch über den Bedarf hinaus eine erkleckliche Anzahl zu vermietender Einstellplätze geschaffen wurde.
24 Einfamilienhäuser
In den Wohnungsgrundrissen waren lediglich einige Stützen und der Installationskern festgelegt. Zwar hatte der Bauträger einen Ausstattungskatalog zusammengestellt, doch schnell zeigte sich, dass die zukünftigen Bewohner sehr klare Vorstellungen von ihren eigenen vier Wänden hatten. Das reichte von wertkonservativen, funktional zugeordneten Ausstattungen, die man eher in einem britischen Terrace House vermuten würde, bis hin zu gesamtheitlich konzipierten, im Erdgeschoss sogar die Terrasse einbeziehenden Wohnlandschaften, bei denen die Funktionen in einer raumhaltigen Wand verborgen werden.
Die Aufteilung einer Wohnung wird klassisch vorgegeben: Zur Straße nach Norden können abgeschlossene Kinder, Schlaf- oder Büroräume gelegt werden, zum Garten nach Süden der offene Wohnbereich. Das Loft, also das offene Wohnen um Küche- und Sanitärkern, wäre in den Augen der Architekten jedoch das Ideal gewesen. Stattdessen gewannen sie zwischenzeitlich den Eindruck, 24 Einfamilienhäuser zu entwerfen – was letztlich die Qualität alter Bürgerwohnungen widerspiegelt, nämlich durch Größe und Höhe vielfältige Möglichkeiten individuellen Wohnens zu bieten.
Während die Straßenfassade nach Norden nur Fenster aufweist, sind auf der Südseite Loggien eingeschnitten. Der übliche Fassadenschmuck wird in die erwähnten Bänder übersetzt, zwischen denen Holzstäbe im Rhythmus der Fenster und Eingänge stehen. Die Architekten bezeichnen sie als „funktionale Ornamente“, denn in den Stäben befinden sich die Schienen für den Sonnenschutz. Die sogenannten „Senkrechtmarkisen“, hinter dem Gesims geschützt be­festigt, sind weiß und stehen dadurch im Kon­trast zum farbigen Putz. Das Wärmedämm­verbundsystem ummantelt den Bau. Mit der Körnung und einer Nuance im Farbton wird zwischen Sockel und den Wohnetagen dezent unterschieden.
Die mit dem Denkmalschutz abgestimmte Farbe ist Sandfarben mit einem leichten Grünanteil, wodurch der Bau kühl, aber nicht so kalt wie etwa reines Grau wirkt. Innerhalb des Büros foundation 5+ war lange diskutiert worden, ob das Haus monochrom oder kontrastreich erscheinen soll. Mit den vorgesetzten Holzstäben und dunklen Fensterrahmen aus Holz hat man sich für letzteres entschieden, was die unterschiedlich geformten Stäbe ausgezeichnet wirken lässt. Für das Staffelgeschoss und die Kuben auf dem Dach wurden Aluminiumprofile als Verkleidung gewählt. Ihr helles Grau erinnert an traditionelle Dacheindeckungen aus Metall.
Auch bei den beiden Hauseingängen ist die Verschränkung von Moderne und Gründerzeit zu spüren. Der von den Architekten beabsichtigten „Portaloptik“ wird mit der großzügigen Verglasung über eineinhalb Geschosse Rechnung getragen. Sie drückt sich aber leider nicht in den Straßenraum aus. Auch die Treppenräume, die durch einen rot gestrichenen Aufzugsschacht einen Akzent gegen die gedeckten Farben der Fassade setzen sollen, treten hinter die Fassadenbänderung zurück.
Auf dem Dach wechseln sich Terrassen und Grünflächen ab. Die Einraumaufbauten sollten ursprünglich als leichte Konstruktion errichtet werden, wurden dann aber mit den Lüftungsrohren zu massiv wirkenden Kuben zusammengefasst. Nun erscheinen sie wie kleine Häuser, verbergen dafür die übliche Dachtechnik und stehen, Ruhe ausstrahlend, im Schornsteingewimmel der alten Häuser.
An vielen Punkten des Hauses kommen die Vorteile von Bauten der Moderne mit denen der Gründerzeit zusammen, doch es stellt sich weder das Gefühl von Stringenz der einen noch von Großzügigkeit der anderen ein.



Fakten
Architekten foundation 5+ architekten, Kassel
Adresse Reginastraße 9-11, 34119 Kassel


aus Bauwelt 31.2016
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