Bauwelt

Kornspeicher


Den Raum gliedern und aktivieren


Text: Gabler, Christiane, Basel


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    Foto: Milos Keller

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Ein alter Kornspeicher in einem Ort nahe Lausanne diente schon lange als Wohnstätte und sollte modernisiert werden. 2b architectes haben sein verschachteltes Innere aufgeräumt und um einen Einbau ergänzt, der die verbliebenen Geschossflächen gliedert und funktional bedient.
Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, in einem Turm zu wohnen? Und erst recht in einem Kleinod wie diesem, eingebettet in ein Ensemble mit romantischem Schlösschen, verwunschenen Plätzen in einem großen Garten und einem Hang voller Weinreben. In Echandens, einem 2000-Seelen-Ort  nahe  Lausanne, steht dieser ehemalige Kornspeicher aus dem 16. Jahrhundert, der bereits seit etwa 100 Jahren bewohnt wird. Doch die auf der geringen Grundfläche über zwei Etagen verteilten, eng verschachtelten Räume ließen das Wohnen im Turm eher zur  Notlösung werden. Dann kam eine Bauherrengemeinschaft mit der Bitte um Modernisierung auf die jungen Lausanner Architekten 2b architectes zu – ohne eine Vorstellung davon zu haben, welches Potential in diesem Gebäude steckt. So zeigten sie sich offen gegenüber dem verblüffend einfachen Konzept, dem Turm eine Kleinarchitektur zu implantieren, die die Architekten „le Parasit“ nennen. Das skulpturale Objekt,  welches sich nun über die drei Etagen der Wohnung erstreckt, ist ein multifunktionaler Tausendsassa. Er beherbergt nicht nur eine kompakte Wendeltreppe, sondern auf jeder Etage auch die jeweils dienenden Funktionen. So ist der Parasit ein kleiner Eingriff mit großer Wirkung: Er aktiviert die Fläche des jeweiligen Geschosses, zoniert sie und inszeniert den Weg durch den Turm. 
Über eine kleine Außentreppe gelangt man direkt hinein in dieses Objekt, das aus Dreischichtplatten in einheimischem Lärchenholz gebaut worden ist. Im Erdgeschoss trennt der Einbau den Essplatz und den Küchenbereich voneinander.  Ein schmaler Geschirrschrank, Vorratsschränke und eine Nische für die Waschmaschine bilden die innere „Fassade“ des großen Objekts.
In der darüber liegenden Schlafebene nimmt der Einbau die Nischen für Waschbecken und Dusche auf. Große Spiegel dienen als Spritzschutz und lassen das Holz auch im Nassbereich optisch dominieren. Die Decke über diesem Geschoss wies zur Dachkonstruktion nur eine lichte Höhe von 1.60 Meter auf – zu wenig, um das Dachgeschoss ebenfalls bewohnen zu können. Das eingestellte Holzobjekt faltet sich nun über dem Obergeschoss zu einer neuen sichtbaren Deckenscheibe auf und erzeugt dadurch dreißig Quadratmeter zusätzliche Nutzfläche. Unter der sichtbar gebliebenen, aber in dezentem Weiß gestrichenen Dachkonstruktion befindet sich jetzt eine Wohnebene, entlang deren Wände sich der „Parasit“ nacheinander in eine Sitzbank, ein Sideboard und einen Schreibtisch verwandelt. Dieser Raum wirkt sehr intim, da er ausschließlich über zwei neue Dachfenster belichtet wird und somit keinen Ausblick gewährt.
Schnittverwandlung statt Oberflächenkosmetik
Der „Eindringling“ wird durch die Architekten stark inszeniert, die Intervention deutlich gezeigt. Die gerichtete, lebendige Maserung des Lärchenholzes dominiert den Raum. Dem ordnet sich sogar die Möblierung optisch unter. Alle Bestands­oberflächen dagegen erscheinen zurückhaltend in Weiß und Hellgrau. Keine Renovierung im üblichen Sinne, über Oberflächenveredelung oder neue Materialien, wurde hier vorgenommen, stattdessen eine Transformation, die dem Schnitt durch das Gebäude ihren Stempel aufdrückt. Fassade und Dach des Turms sind dabei nahezu unberührt geblieben, nur die Fenster wurden erneuert. Der Turm, der an eine kleine Remise angebaut ist, bietet jetzt konzentrierte Blicke in alle Richtungen: auf die hügelige Landschaft, den Weinberg und das kleine Schloss. „Le Parasit“ entpuppt sich am Ende als Symbiont, von dem auch der „Wirt“ profitiert.



Fakten
Architekten 2b architectes, Lausanne
aus Bauwelt 20.2011
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