Bauwelt

Hoffnungsschimmer für L’Aquila


Ein Auditorium von Renzo Piano


Text: Ciano, Angela, Rom


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    Foto: Marco Caselli Nirmal

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    Foto: Marco Caselli Nirmal

Eine Stradivari im Park! Ein Holzinstrument mit perfektem Resonanzkörper: das Auditorium in L’Aquila, entworfen von Renzo Piano – mehr noch, ein Geschenk des Architekten und der norditalienischen Autonomen Provinz Trento an die von dem schweren Erdbeben 2009 getroffene Stadt.
Die drei Kuben des Auditoriums – Renzo Piano deutet sein Projekt als drei Würfel, die auf das Gelände geworfen und gebaut wurden, so wie sie liegen geblieben sind –, die drei Kuben also sind nicht zufällig schon nach kurzer Zeit ein Anziehungspunkt geworden, ein Ziel für den täg­lichen Spaziergang oder die kleine Pause zwischen den Mühen des Tages. Die Idee des Architekten, sein Objekt genau in den Park an der Festung zu setzen, um den Bürgern der Stadt das historische Zentrum von L’Aquila wieder näher zu bringen, scheint zu funktionieren.
Den Leuten gefällt dieses merkwürdige Gebäude aus farbigen Holzleisten mit seinen messerscharfen Kanten und perspektivischen Verkürzungen; es gefällt, weil es einen anderen Geist verströmt als den einer Provinzstadt; es gefällt, weil es auf wunderbare Weise in Dialog tritt mit einem der symbolischen Monumente dieser Gegend und ganz Italiens: der Spanischen Festung. In diesem Gegensatz von Holz und Stein liegt eine Geschichte, die von der ruhm­reichen Vergangenheit der Stadt erzählt – und von einer Gegenwart, die nach ebensolcher Bedeutung strebt. Die Dichte des Castello und die „Leere“ des Auditoriums: „Wenn man ein Fresco restauriert“, erzählt Renzo Piano, „lässt man bei einem fehlenden Teil eine leere Stelle, daran habe ich bei diesem Objekt gedacht. Die Festung ist die Festung, das Auditorium aber stellt sich abseits zwischen die Bäume, es besteht aus Holz, einem Material, das so fragil ist und von Natur aus temporär.“
 Renzo Pianos Anwesenheit in L’Aquila ist wichtig. Wichtig für eine Stadt, die verzweifelt versucht, ihre Identität nicht zu verlieren, und die gleichzeitig eine neue finden möchte, um an den Faden der Geschichte, der so dramatisch durchtrennt wurde, wieder anzuknüpfen. „Ich denke“, sagt er, „wir haben unseren kleinen Beitrag für L’Aquila geleistet. Und wir werden oft wiederkommen, um zu sehen, wie der Bürgermeister das Objekt erden wird, ob er in den umliegenden Räumen Ordnung schafft usw.“ Aber wie sieht Renzo Piano die Zukunft dieser Stadt? „Die Zukunft“, antwortet er, „ist jetzt die Restaurierung der historischen Gebäude.“ Eine Arbeit, die nicht die großen Namen der Architektur braucht, weil, „man hier sehr gut weiß, wie die Gebäude zu restaurieren sind, es gibt eine spezielle italienische Begabung dafür“. Piano kommt nicht darum herum, doch anzudeuten, was in L’Aquila alles noch zu tun sei, dann jedoch spricht er wieder von seinem Auditorium, das er für gelungen hält: „Es ist sehr schön,“ schließt er lächelnd, „für mich ist es das jüngste Werk, und ich fühle mich wie ein Vater, der die größte Aufmerksamkeit seinem Letztgeborenen schenkt. So ist es mir von meinen Arbeiten die liebste.“
Darum wollte Piano bei der Einweihung am 7. Oktober in L’Aquila dabei sein. Hier haben wir ihn getroffen, zusammen mit seinen langjährigen Freunden: Claudio Abbado, der mit dem Mozart-Orchester aus Bologna der Stadt ein unvergessliches Konzert geschenkt hat; Giorgio Napolitano, der italienische Präsident, der in die Stadt zurückgekehrt ist, um sie noch einmal den Beistand des Staates spüren zu lassen und um zu bekräftigen, dass jetzt genau der Moment gekommen sei, in dem es mit der Rekon­struktion des historischen Zentrums von L’Aquila wieder vorwärts geht. Die Aquilaner hoffen es sehr. Vor allem aber hoffen sie, dass es vorangeht in der Qualität, die das Auditorium im Park vermittelt.
Aus dem Italienischen von Iris Lüttgert



Fakten
Architekten Piano, Renzo, Genua
aus Bauwelt 46.2012
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