Ville Spatiale/Raumstadt
Friedman und Schulze-Fielitz in Bregenz
Text: Meister-Klaiber, Dagmar, Ulm
Ville Spatiale/Raumstadt
Friedman und Schulze-Fielitz in Bregenz
Text: Meister-Klaiber, Dagmar, Ulm
Mit Yona Friedman und Eckhard Schulze-Fielitz präsentiert das Kunsthaus Bregenz zwei der prominentesten Vertreter der städtebaulichen Avantgarde der 60er Jahre.
Die Schau im Erdgeschoss des Kunsthauses, der sogenannten KUB Arena, ist beschränkt auf wenige Exponate aus dem Werk der beiden Architekten, weiteres Anschauungsmaterial von Projektiertem und Gebautem liefern Standbilder und Filme.
Wer aber nicht in den Genuss einer Führung kommt, wird an den vertikalen Raumgittern und brückenartigen Strukturen nicht ablesen können, was in den frühen 60ern Ausgangspunkt für die heute noch futuristisch anmutenden Konstruktionen war. Dass die Architekten aus mobilen Elementen Megastrukturen entwickelten, die sich über bestehende Städte legen sollten – als Antwort auf prophezeite Bevölkerungsexplosion, Wohnungsknappheit, Verkehrsproblematik und Verstädterung, dass ihr Hauptinteresse dabei anpassungsfähigen Infrastrukturen und der Partizipation der Nutzer galt, dass damit Sozialutopien verknüpft waren und dass sich insbesondere Schulze-Fielitz schon früh mit Themen wie Ressourcenmangel und Nachhaltigkeit beschäftigte – alle diese Aspekte vermittelt die Ausstellung nicht. Eine umfangreiche Darstellung ihrer Konzepte, Theorien und Manifeste bleibt den beiden gleichzeitig erschienenen dicken Bänden zur „Metasprache des Raums“ (Schulze-Fielitz) und „Drawings & Models 1945–2010“ (Yona Friedman) überlassen.
Da liegt der Gedanke nahe, ob aus dem dort zusammengetragenen, formidablen Material nicht eine Ausstellung hätte konzipiert werden können, die das ganze Haus bespielt. Räumliche Dimensionen von echter „Arena“-Qualität wären angemessen gewesen, um die beiden Visionäre und ihr Gesamtwerk zu würdigen und eventuell noch Vorläufer, Mitstreiter und Nachfolger aus Architektur und Kunst mit einzubeziehen. Das hätte die Möglichkeit eröffnet, die Arbeiten in einem ideengeschichtlichen, architekturhistorischen und gesellschaftspolitischen Kontext zu präsentieren – nachdem selbst in Fachkreisen Ideen und Werk der Beiden nicht eben geläufig sind.
Relevanz für die Gegenwart?
So ist es bezeichnend, dass heute nicht in erster Linie Architekten und Stadtplaner Yona Friedman und Eckhard Schulze-Fielitz neu für sich entdecken, sondern die zeitgenössische Kunst. Dort müssen die Strukturen keinen Praxistest bestehen, sie werden zum künstlerischen Statement, zur Referenz für die Prinzipien einer Idee. In dieser Lesart wird die konkrete Utopie „Raumstadt“ – als Modell im Kunsthaus gelandet – zur konkreten Kunst. Schulze-Fielitz’ Anliegen war jedoch nie eine Metamorphose seiner Arbeiten von dieser Art. Sein Fokus lag stets auf einer Realisierung der „Raumstadt“, die er auch heute noch für machbar hält. Yona Friedman dagegen ging es nicht primär ums Bauen. In der Zusammenarbeit mit Schulze-Fielitz war er der Verfasser theoretischer Raumkonzepte, während sein Kollege die Umsetzung in rationalisierte geometrische Formationen betrieb. So fällt bei Friedmans Zeichnungen zu „La Ville Spatial“ von 1959 oder dem erst jetzt entstandenen Modell „Space Chain Structure“ zuerst die künstlerisch-poetische Qualität auf, während bei Schulze-Fielitz’ „Raumstadt“ von 1959 oder den seit 1960 betriebenen Studien zum „Metaeder“ die geometrisch-mathematische Logik im Vordergrund steht, mit der er faszinierende Formen kreiert.
Fragen nach der Relevanz der Utopien von einst für die Gegenwart werden in der Ausstellung nicht thematisiert. Bestenfalls stellt sie sich der Betrachter selbst und kommt mit Blick auf aktuelle Krisen und Katastrophen zu der Erkenntnis, dass mobile Strukturen ein brauchbares Obdach für Notfälle bieten würden und die Konzepte dafür heute noch tragfähig wären, würden innovative Unternehmen eine realistische Variante weiterentwickeln.
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