Bauwelt

Viel Ornament, wenig Detail

Die 13. Dortmunder Architekturtage

Text: Rumpf, Peter, Berlin

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Viel Ornament, wenig Detail

Die 13. Dortmunder Architekturtage

Text: Rumpf, Peter, Berlin

Fassaden, Treppen, Hauseingänge, Straßenfenster, Materialien, das Ensemble. In den vergangenen Jahren hatten die Teilnehmer der Dortmunder Architekturgespräche unter der Regie von Christoph Mäckler und seinem Deutschen Institut für Stadtbaukunst vor Studenten und einer treuen Kollegengemeinde über solche „Grundelemente qualitätvoller Architektur“ ­laut nachgedacht. Diesmal, Ende November, standen Ornament und Detail auf dem Programm.
„Es gibt Gefängnisse, in denen 80 Prozent der Häftlinge tätowiert sind. Die Tätowierten, die nicht in Haft sind, sind latente Verbrecher oder degenerierte Aristokraten. Wenn ein Tätowierter in Freiheit stirbt, so ist er eben ein Jahr, bevor er einen Mord verüben konnte, gestorben.“ Dies und einiges andere schrieb Adolf Loos 1908 in seinem Traktat Ornament und Verbrechen. Und ohne Adolf Loos kam fast keiner der acht Referenten der 13. Dortmunder Architekturtage über die Runden. Zu verlockend aber auch bei dem diesjährigen Thema.
Adolf Loos also. Und mit ihm bzw. gegen ihn Otto Wagner, sein Wiener Intimfeind, Gottfried Semper und natürlich Mies. Überhaupt gruben die Vortragenden viel – zu viel – in der Baugeschichte, bis hinunter zu Leon Battista Alberti, bei dem vor allen Jasper Cepl von der TU Berlin zum Thema ornamentum fündig wurde und ihn ausgiebig zu zitieren wusste. Den Einstieg in die Historie jedoch bot Ruth C. Hanisch, Dortmund: Sie analysierte die Majolikafassade von Otto Wagners Wohn- und Geschäftshaus an der Linken Wienzeile und erklärte deren Ornament zum „integralen Bestandteil der Architektur“. Noch elementarer ging es bei Rainer Morawietz – in der Rolle des Künstlers – zu. Bei seinem Feldzug gegen die Moderne und deren „schleichender Verarmung der Form, in der das Bild keinen Platz mehr hat“ offerierte er dem Auditorium seinen Keller als Anschauungsmaterial: eine ehemalige Kegelbahn, gefüllt mit einer Sammlung eigener Plastiken, Friese und zweckfreier, meist floraler Erfindungen aus kostbaren Materialien. Auch bei ihm kaum Detail, viel Ornament.
Ornament und Sauerstoffmangel
Mit Ornamenten kann der Schweizer Architekt Meinrad Morger (ehemals Morger & Degelo) erklärtermaßen wenig anfangen. Nachdem auch er sich seiner Pflicht in Theorie entledigt hatte, führte er am Kunstmuseum Liechtenstein in Vaduz vor, wie er seine Fassaden „verziert“: Der kubische Baukörper mit den Ausmaßen 60 x 25 x 13 Meter besteht aus fugenlosem Beton mit Zuschlagstoffen wie Basalt und bunten Rheinkieseln (Bauwelt 42.00). Zehn Mann waren nach dem Ausschalen ein halbes Jahr lang damit beschäftigt, die Außenschicht von Hand abzuschleifen. So entstand eine dunkle und höchst lebendige Oberfläche; die ist alle fünf Jahre zu polieren. Die Kraft liegt in der Beschränkung, nicht in der Reduktion, so Morger.
Mit dem „ornamentlosen“ Loos ging, die Geschichte wieder aufgreifend, Christoph Mäckler ins Gericht; er führte die Innenräume des Hauses Müller in Prag von 1930 vor: bis zur Schwülstigkeit mit Edelhölzern und Marmor ausstaffierte Boudoirs, die im ideologischen Kontrast zum kargen, würfelförmigen Baukörper stehen. Arno Lederer ergänzte, dass bei Führungen durch das Baudenkmal heute auch gern der Heizungskeller gezeigt wird, in dem der Hausherr einst, wegen Sauerstoffmangels erstickt, tot aufgefunden wurde. Ornament und Verbrechen?
Dem Ornament als solchem in seinem eigenen Werk keineswegs abgeneigt, beklagte auch Lederer dessen Verfall am Beispiel des Horten-Kaufhauses von Egon Eiermann oder – ins gigantisch Groteske gesteigert – bei Schöpfungen von Zaha Hadid und Gesinnungsgenossen. Wie schon gesagt, viel Theorie, wenig architektonische Praxis und fast keine Details. Außer bei Wouter Suselbeek, der in Dortmund lehrt und in Berlin baut und zum Beispiel das Oberstufenzentrum für Farbtechnik und Raumgestaltung in Steglitz vorstellte, speziell dessen senkrechte Gebäudefugen im 62,5er Massiv-Ziegelmauerwerk.
Wäre da nicht die jährliche Allzweckwaffe Jean-Christophe Ammann, lange Jahre Leiter des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt. Er, der immer noch wendige, witzige und neugierige Schöngeist, nahm das Auditorium mit auf einen Ausflug in die Welt der ganz großen Ornamente, wie sie seit 1978 vor allem in England als Konfigurationen in Getreidefeldern auftauchen: Kornkreise – über Nacht, mit bis zu 240 Meter Durchmesser, fraktale Geometrien von unnachahmlicher Präzision, rätselhafte Figuren und verschachtelte Muster, ohne Fußspuren, alle nur aus der Luft lesbar, von Schöpfern, die unerkannt bleiben, jährlich Hunderte. Keine Lausbubenstreiche, wie Ammann warnend betonte: „Sie haben eine Botschaft. Nur welche?“ Viel Applaus.

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