Bauwelt

Høyblokka Revisited

Ideen und Visionen für das Regierungsviertel in Oslo

Text: Förster, Niclas, Berlin

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H-Block (links) und Y-Block im April 2014
Foto: Niclas Förster

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H-Block (links) und Y-Block im April 2014

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Bienenfarm im H-Block
Eriksen Skaaja Arkitekter

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Bienenfarm im H-Block

Eriksen Skaaja Arkitekter


Høyblokka Revisited

Ideen und Visionen für das Regierungsviertel in Oslo

Text: Förster, Niclas, Berlin

Die norwegische Regierung hat Ende Mai Maßnahmen für das Regierungsviertel von Oslo angekündigt. Das betrifft insbesondere das spätmoderne Ensemble des norwegischen Architekten Erling Viksjø, das seit den verheerenden Anschlägen vom 22. Juli 2011 leer steht (Bauwelt 25.12).
Das Hochhaus, der sogenannte H-Block (Høyblokka) von 1959 wird demnach wohl erhalten bleiben. Stattdessen soll der elegante Nachbarbau von 1970, der fünfgeschossige Y-Block desselben Architekten – zur Überraschung vieler Experten – abgerissen werden.

Dies ist bedauerlich und skandalös, nicht zuletzt, weil beide Gebäude als spätmodernes Ensemble zusammenwirken. Das Hauptargument für den Abriss des Y-Blocks ist das erhöhte Sicherheitsrisiko, denn derzeit führt der Straßenverkehr unter Teilen des Gebäudes hindurch. Durch einen Abriss könnte ein öffentlicher Platz entstehen, der Kundgebungen in Regierungsnähe ermöglicht und die Verbindung zum umgebenden Stadtraum wieder herstellt. Jedoch steht zu befürchten, dass der Y-Block künftig durch ein erheblich höheres Gebäude ersetzt werden wird.
Rückblende: Schon kurz nach dem Anschlag auf das Regierungsquartier deutete eine Aussage der Staatsträtin Rigmor Aasrud („ein Gebäude ist nur ein Gebäude“) auf einen möglichen Abriss des Ensembles hin. Der anschließende Streit über die Zukunft der beschädigten Bauten führte zu einer Zuspitzung in zwei Richtungen: Entweder seien die Bauten zu erhalten und zu restaurieren oder es müsse der gesamte Komplex abgerissen und durch etwas Neues ersetzt werden.
Ende 2011 versuchte die norwegische Architekturzeitschrift Arkitektur N mit Essays und Kommentaren, diese einengende Polarisierung aufzulösen – zunächst ohne Erfolg. Im vorigen Jahr, zum zweiten Jahrestag des Attentats, publizierte sie das Projekt „Urban Bee Farm“ von Eriksen Skaaja Arkitekter. Der provokante Vorschlag, das noch immer verhüllte Hochhaus temporär als überdimensionalen Bienenstock mit integrierter Blumenwiese zu nutzen, gab den Anstoß für den Ideenwettbewerb „Høyblokka Revisited“. Um die Debatte wieder aufleben zu lassen und nach Alternativen zu den beiden Extremposi­tionen Rekonstruktion und Abriss zu suchen, initiierten Ingrid Helsing Almaas, Chefredakteurin von Arkitektur N, und Markus Richter, Direktor der Osloer Galerie 0047, im Februar dieses Jahres einen Open Call an Architekten, Künstler und die interessierte Öffentlichkeit. Es ging darum, Ideen für die Zukunft des Regierungsviertels zu entwickeln, insbesondere für das Viksjø-Ensemble. Der Open Call versucht, „die festgefahrenen Fronten aufzubrechen“, so Markus Richter. Außerdem möchten die Initiatoren damit die Ausschreibung des noch ausstehenden Architekturwettbewerbs beeinflussen.
Eine große Auswahl der eingereichten Arbeiten war kürzlich in den Räumen der Galerie 0047 aus­gestellt. Die Vorschläge reichten von Skizzen und Zeichnungen über Gedichte und Manifeste bis hin zu ausformulierten architektonischen Entwürfen. Sie bewiesen eindrucksvoll, so Richter, dass der bedeutende Komplex von Erling Viksjø weit mehr sei, als „nur ein Gebäude“ und dass die Zukunft des Quartiers offen diskutiert werden müsse, unter Beteiligung vieler Experten, aber auch der breiten Öffentlichkeit.
Die problematische Lage des Y-Blocks in Bezug auf den Stadtraum war ein zentraler Aspekt in der Ausstellung. Das Osloer Architekturbüro Transborder Studio entfernt den Y-Block zugunsten eines Platzes von der Größe des zentralen Youngstorget (Young-Platz), fragt aber auch, ob ein einheitlicher Regierungskomplex am selben Ort in Anbetracht der hohen Sicherheitsanforderungen überhaupt noch möglich ist.
Die Arbeit „Y NOT?“ von Framifrå Arkitekter zeigt, dass der Y-Block in seinen fünf Etagen fast soviel Platz, wie der gesamte H-Block bietet. Würde er um 15 Geschosse aufgestockt, deckte dies ein Viertel des gesamten Platzbedarfs aller Ministerien. Die Aufstockung sowie das vollständige Entfernen des H-Blocks ist ein Gedankenexperiment, das provoziert, um die Bedeutung und das Potenzial des Y-Blocks zu verdeutlichen und damit die Aufmerksamkeit auf den weniger prominenten Nachbarn des Høyblokka zu lenken.
Das Projekt von Superunion Architects heißt „Arne Garborgs Plass 1940–2020“. Bis 1969 befand sich nördlich des H-Blocks ein begrünter Platz, der mit dem Bau des Y-Blocks unter einem Betondeckel verschwand, um das erhöhte Verkehrsaufkommen zu kaschieren. Wer heute den direkten Weg vom Youngstorget zur Akersgate wählt, muss durch einen Tunnel voller Abgase laufen. Wie der öffentliche Raum, so leidet nach Meinung der Architekten auch die architektonische Qualität des Y-Blocks unter der künstlich geschaffenen Ebene. Eleganter erscheint er ihnen auf Pilotis, die bei einem Rückbau der Betonschale und der Revitalisierung des ursprüng­lichen Platzes die Distanz zum tiefer liegenden Straßenniveau ausgleichen würden.
Lernen von Ground Zero
Bestandteil von Høyblokka Revisited war auch eine Debatte, die Anfang April im Literaturhaus von Oslo stattfand. Kjetil Traedal Thorsen, Partner von Snø­hetta Arkitekter, empfahl bei dieser Gelegenheit den Politikern, ihre Lehren aus dem Prozess um die Gestaltung von Ground Zero in New York zu ziehen. Solch ein Entwurfsprozess sei ohne die Annäherung an die Sache in langen Diskussionen mit den Betroffenen nicht möglich. Dies benötige viel Zeit, darin war er sich mit Fabian Stang, dem Bürgermeister von Oslo, einig. „Es wäre eine Katastrophe, jetzt eine schnelle Entscheidung herbeizuführen“, so Stang, der außerdem beschwor: „Das Hochhaus wird stehen bleiben, dessen bin ich mir absolut sicher.“
Hege Ulstein, Journalistin der norwegischen Tageszeitung „Dagsavisen“, forderte, die beiden Bauten so schnell wie möglich unter Denkmalschutz zu stellen. Diese seien als zwei kraftvolle Symbole der norwegischen Nachkriegsdemokratie unverzichtbar. Die Direktorin des Hennie Onstad Kunstsenter, Tone Hansen, war sich sicher, dass allein schon die hohe Qualität der Viksjø-Bauten mit ihrer Kunst am Bau, u.a. von Pablo Picasso und Odd Tanberg, einen Abriss ausschließe. Markus Richter von 0047 ruft derzeit in seinem Blog dazu auf, die öffentliche Debatte weiterzuführen: Stadtplanung sei „zu wichtig, um sie den Experten zu überlassen“.
Undotierter offener Ideenwettbewerb
Teilnehmer (Auswahl) Transborder Studio, Oslo | Eriksen Skajaa Arkitekter, Oslo | José Ramos, Berlin | NJBA Architecture & Urbanism, Dublin | BEandM – Brownlie Ernst and Marks Limited, Kopenhagen | Hans Martin Frostad Halleraker, New York | Lund Hagem Arkitekter, Oslo | Superunion Architects, Oslo | Kaleidoscope, Bergen/Helsinki | Framifrå Arkitekter AS, Oslo | Kollaboratoriet, Oslo | Magnus Nilsson, Berlin | U67 (Fabio Gigone/Angela Gigliotti), Oslo | Toni Kauppila, Oslo/Helsinki

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