Bauwelt

Hagen Stier: Mies Splitting SEA/B

Position Nr. 03

Text: Elser, Oliver, Frankfurt am Main

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Hagen Stier

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Hagen Stier


Hagen Stier: Mies Splitting SEA/B

Position Nr. 03

Text: Elser, Oliver, Frankfurt am Main

Mit einem präzis gesetzten Schnitt und den richtigen ­Kamerapositionen von Mies zum Über-Mies.
Was ist hier zu sehen? Ein Glaspavillon, im Innern völlig stützenfrei? Doch da gibt es diese Lücke in der Bildmitte. Und der rechte Hintergrund zeigt andere Bauten als der linke. Ist das links außen nicht das Lever House von SOM?
Richtig: Wir schauen hier auf einen guten alten Bekannten – allerdings auf nie gesehene Weise. Rechts wie links blickt man in das Foyer des Seagram Building in New York von Mies van der Rohe. Doch es handelt sich um zwei Fotos: um Schuss und Gegenschuss. Für die linke Aufnahme stand die Kamera auf der Südseite des Gebäudes an der 52nd Street, für die rechte auf dessen Nordseite an der 53rd Street. Da das Hochhaus streng symmetrisch ist, existiert zu jeder möglichen Kameraposition, von der aus man es fotografieren kann, eine Spiegelposition auf der anderen Seite. Dieses Phänomen hat den Fotografen Hagen Stier zu einer ganzen Se­rie von Bildpaaren rings um die Mies-Ikone inspiriert.
Ein wichtiger Teil des Konzepts ist die Aufnahmetechnik. Mit Hilfe eines Shift-Objektivs hat Stier den Fluchtpunkt aus der Bildmitte heraus an den Bildrand verlegt. Weil unser Auge den Fluchtpunkt aus Gewohnheit im Zentrum des Bildes verortet, versuchen wir, die „korrekte“ Perspektive wieder herzustellen – und deuten die beiden Bilder als eine einzige Aufnahme.
Hagen Stier hat mehrere Jahre lang als Architekt in New York gearbeitet. Bei Martini-Cocktails an der Bar des „Four Seasons“-Res­taurants im Seagram Building erzählt er aus­schweifend von seiner Bewunderung für Mies’ Spätwerk. Die Fotoserie ist für ihn eine Hommage und zugleich Teil eines größeren Projekts, das er „Raumspaltungen“ nennt. Es geht ihm ums Spalten und Zusammenfügen, um den Schnitt. Chirurgen schneiden. Architekten schneiden auch, aber sie führen ihr Skalpell im Kopf. Hagen Stier hat die Kamera als Schnittwerkzeug entdeckt. In seinen Bildern fügt er Mies’ Architektur zu neuen, imaginären Bauten zusammen. Dabei gelingt es ihm, Mies als „Über-Mies“ zu inszenieren. Indem er die Symmetrie auf die Spitze treibt, erzeugt er Bilder, die noch „miesiger“ wirken als das Werk des Meisters selbst.
Fakten
Architekten Stier, Hagen, Hamburg
aus Bauwelt 42.2010
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