Bauwelt

Blitzhafte Erkenntnis

Walter Benjamins Theorien als Filmcollage

Text: Paul, Jochen, München

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Germaine Krull, Passage du Caire, Paris, um 1926 (Ausschnitt)
Walter Benjamin Archiv, Akademie der Künste, Berlin © Nachlass Germaine Krull, Museum Folkwang, Essen

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Walter Benjamin Archiv, Akademie der Künste, Berlin © Nachlass Germaine Krull, Museum Folkwang, Essen


Blitzhafte Erkenntnis

Walter Benjamins Theorien als Filmcollage

Text: Paul, Jochen, München

Benjamin-Zitate werden zu Untertiteln einer Collage aus Animations-, Dokumentar- und Spielfilmszenen, Wochenschausequenzen und Einzelbildern, mal überblendet, mal schnell hintereinander geschnitten, durchsetzt mit Grafiken, Stadtplänen und Zeichnungen.
Für seine Essays ist Walter Benjamin bislang in erster Linie unter Germanisten und Philosophen bekannt. Das will das Architekturmuseum der TU München mit „Eine Reflexion in Bildern“ ändern und neue Facetten im Œuvre des Philosophen sichtbar machen.
Die Ausstellung ist eine Kooperation mit dem Circulo de Bellas Artes in Madrid, wo ein Team um César Rendueles in drei Jahre währender Arbeit simuliert hat, wie Walter Benjamin sein Hauptwerk, „Passagen“, wohl vollendet hätte, wenn ihm die multimedialen Möglichkeiten heutiger Zeit zur Verfügung gestanden hätten.
Winfried Nerdinger, Irene Meissner und Hilde Ströbl haben die filmische Collage aus Madrid für München um 31 Bildtafeln erweitert. Diese behandeln Benjamins zentrale Themen wie die Pariser Bahnhöfe, Georges-Eugène Haussmanns Boulevards, das „Höhlensystem“ der Métro und die Passagen, und kombinieren jeweils eine zeitgenössische Fotografie mit einem Benjamin-Text, der sich auf sie bezieht, und mit griffigen Zitaten wie „Der Flaneur ist der Physiognomiker der Dingwelt“.
Walter Benjamins Denken war assoziativ und von Bildern geprägt; die Literaturwissenschaftlerin Sigrid Weigel etwa hat in ihrem 1992 erschienenen Buch „Leib- und Bildraum. Lektüren nach Benjamin“ auf die Bedeutung individueller Kunstwerke für dessen Erkenntnistheorie hingewiesen. Dabei, so Winfried Nerdinger, seien aber „die konkreten Bilder im Denken Benjamins lange Zeit gegenüber seinen ‚Denkbildern‘ zu wenig beachtet“ geblieben; erst in den letzten Jahren habe man seine spezifischen Bildwelten und die konkreten Bauten und Kunstwerke, die er in seinen Schriften beschreibt, stärker in das Interesse der Forschung gerückt.
Den Kooperationspartnern aus Madrid und München ist mit der in sechs Kapitel unterteilten „Reflexion in Bildern“ eine beeindruckende Filmmontage gelungen, die Benjamins wichtigste Konzepte zum Teil sehr anschaulich visualisiert: Benjamin-Zitate werden zu Untertiteln einer Collage aus Animations-, Dokumentar- und Spielfilmszenen, Wochenschausequenzen und Einzelbildern, mal überblendet, mal schnell hintereinander geschnitten, durchsetzt mit Grafiken, Stadtplänen und Zeichnungen. Richtig gut sind Sequenzen wie „In den Gebieten, mit denen wir es zu tun haben, gibt es Erkenntnis nur blitzhaft. Der Text ist der langnachrollende Donner“, mit Meeresbrandung an einer Felsküste bebildert, oder „Wenn die Passage die klassische Form des Intérieurs ist, als das sich die Straße dem Flaneur darstellt, so ist dessen Verfallsform das Warenhaus“ mit historischen Aufnahmen der Pariser Grands Magasins, Close-ups von Schaufensterauslagen, Warenhausvitrinen und Wühltischszenen unterlegt.

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