Bauwelt

Ausloberpreis 2010 der Bayerischen Architektenkammer

Interview mit Stefan Bosse und Ralf Baur von der Stadt Kaufbeuren

Text: Meyer, Friederike, Berlin; Paul, Jochen, München

Ausloberpreis 2010 der Bayerischen Architektenkammer

Interview mit Stefan Bosse und Ralf Baur von der Stadt Kaufbeuren

Text: Meyer, Friederike, Berlin; Paul, Jochen, München

Die Bayerische Architektenkammer hat Ende Juli zum siebten Mal den Ausloberpreis vergeben. In diesem Jahr teilen sich die Auszeichnung zwei Städte aus dem bayerischen Regierungsbezirk Schwaben: Memmingen und Kaufbeuren. Wie das Kaufbeuren seit Jahren gelingt, erklären dessen Oberbürgermeister Stefan Bosse und Ralf Baur, Leiter im dortigen Bau- und Umweltreferat.
Seit mehreren Jahren verleihen drei Architektenkammern in Deutschland einen Ausloberpreis: Baden-Württemberg seit 1986, Nordrhein-Westfalen seit 1992 und Bayern seit 1993. Sie ehren damit Städte, Landkreise oder Institutionen, die sich um das Wettbewerbswesen verdient gemacht haben.
Die Bayerische Architektenkammer hat Ende Juli zum siebten Mal entschieden. In diesem Jahr teilen sich die Auszeichnung zwei Städte aus dem bayerischen Regierungsbezirk Schwaben: Memmingen und Kaufbeuren. Seit 1971, dem Jahr, in dem die Bayerische Kammer gegründet wurde und ihre Dokumentation begann, hat die 42.000-Einwohnerstadt Memmingen 17 Wettbewerbe initiiert oder selbst ausgelobt – zum Beispiel für die Stadthalle, den Weinmarkt oder die städtische Realschule. Im fast gleichgroßen Kaufbeuren waren es im selben Zeitraum sogar 26, darunter Konkurrenzen zur Neugestaltung des Zugangs zur historischen Altstadt am Kemptener Tor, zum Stadtmuseum und für das Jugendzentrum Neugablonz. Bei der Wahl der Preisträger zählt natürlich nicht allein die Menge der veranstalteten Wett­bewerbe – Bautätigkeiten sind unter anderem abhängig von der Einwohnerzahl. Vielmehr werden Bauherren ausgezeichnet, die Wettbewerbe aktiv initiiert und durchgeführt und auch das Ergebnis um­gesetzt haben. Wie das Kaufbeuren seit Jahren gelingt, erklären dessen Oberbürgermeister Stefan Bosse und Ralf Baur Leiter im dortigen Bau- und Umweltreferat. Beide haben sich den Fragen der Bauwelt gestellt.

Herr Bosse, seit 1972 hat Kaufbeuren 26 Wettbewerbe veranstaltet. Wie kommt es zu dieser beeindruckenden Bilanz?
Stefan Bosse | Begründet wurde diese Tradition, die ich gerne fortführe, durch den Stadtrat in den70er Jahren. Als ich im Jahr 2005 Oberbürgermeister wurde, taf ich zudem auf den Baureferenten Ralf Baur. Er hat mich davon überzeugt, dass es sinnvoll ist, selbst bei kleinen Projekten mehrere Meinungen einzuholen.

Viele Lösungsvorschläge zu bekommen ist ein Vorteil von Wettbewerben. Welche sehen Sie noch?
SB | Wettbewerbe sind ein sehr gutes Verfahren, die unterschiedlichen Belange gegeneinander abzuwägen und auszutarieren – gerade, wenn wie beim kürzlich entschiedenen Wettbewerb „Neuer Markt Neugablonz“ganz unterschiedliche, auch emotionsgeladene Nutzerinteressen aufeinander treffen. Darüber hinaus sig­nalisieren sie den Bürgern, dass sich die Verantwortlichen ernsthaft um eine optimale Lösung bemühen. Im Rahmen von „Soziale Stadt“-Projekten wie in Neugablonz sind sie zudem ein Instrument der Qualitätssicherung.
Ralf Baur | Bildlich gesprochen: Wenn jemand ein Loch am verkehrten Fleck gräbt, wird er, je länger er bereits gegraben hat, desto mehr darauf beharren, dass er am richtigen Fleck gräbt. Weil er ja die ganze Arbeit bereits investiert hat. Wenn er dagegen von Anfang an mehrere Flecke zur Auswahl hat und sie prüfen kann, wird er wahrscheinlich eher am richtigen Fleck graben, anstatt eine falsche Lösung weiter voranzutreiben.
 
Welche Erfahrungen haben Sie in Kaufbeuren konkret mit Wettbewerben gemacht?

RB | Als ich vor 15 Jahren meine Stelle als Baureferent antrat, existierte für das Schlachthofareal ein Vertrag, der die beiden Käufer, eine Krankenkasse und ein Supermarkt, gegenüber der Stadt verpflichtete, „in städtebaulich einwandfreier Weise“ an diesem Ort etwas Neues zu schaffen. Ich fragte mich, was das heißt. Keiner konnte mir das so richtig beantworten. Wir haben daraufhin einen städtebaulichen Ideenwettbewerb ausgelobt. Das war nur möglich, weil wir die Grundstückseigner davon überzeugen konnten, dass es auch für sie von Vorteil ist, einen Wettbewerb durchzuführen. Nach der Entscheidung beauftragten die Supermarktbetreiber den erstenPreisträger mit der Ausführung, und die Krankenkasse nahm das Wettbewerbsergebnis als Grundlage für ihren Realisierungswettbewerb. Bei der Planung des Busbahnhofs gegenüber dem Schlachthofareal hatten wir im Vorfeld zusammen mit Verkehrsplanern einen langen Mittelbahnsteig favorisiert. Der Siegerentwurf des Wettbewerbs hingegen schlug mehrere nebeneinander gelegene, von einem Dach überspannte Bahnsteige vor – die den Vorteil wesentlich kürzerer Umsteigewege mit sich bringen. Auch dafür sind Wettbewerbe gut: über die Vorgaben des Auslobungstextes hinaus Alternativen aufzuzeigen – von denen eine in diesem Fall auch realisiert wurde.

Wobei es für die Teilnehmer durchaus riskant ist, vom Auslobungstext abzuweichen.

RB | Eine gut vorbereitete Auslobung kann da die Grenzen festlegen. Das Ergebnis hat in der Regel maximal die Qualität, die Sie vorab definieren.
 
Wie sollte man diese Qualität vorab definieren?

RB | Alles, was nicht im Auslobungstext steht, können die Teilnehmer nicht wissen. Es hat keinen Sinn, sie im Nebel stochern zu lassen.
SB | Entscheidend ist meiner Ansicht nach die Besetzung des Preisgerichts. Wir versuchen stets fraktionsübergreifend kompetente Sachpreisrichter zu finden. Damit haben wir bisher auch immer gute Erfahrungen gemacht. Mir ist kein Fall bekannt, in dem die Stadträte ein von der Juryentscheidung abweichendes Votum getroffen hätten.
 
Manche kritisieren, Wettbewerbe bergen das Risiko, vorab nicht zu wissen, welches Ergebnis am Ende herauskommen wird.

RB | Ich sehe das weniger als Risiko, sondern viel eher als eine Chance. Beim Stadtmuseum in der engen Altstadt, das saniert und erweitert werden sollte, gab es durchaus die Meinung, ein Wettbewerb sei verzichtbar, weil die Vorgaben das Ergebnis schon vorweg­nehmen würden. Unter den 50 eingereichten Beiträgen erfüllte dann exakt eine Arbeit optimal die Anforderungen der Nutzer. Die sah ganz anders aus, als die Kritiker des Wettbewerbs im Vorfeld angenommen hatten.

Herr Bosse, eine persönliche Frage: Sie haben für Ihr privates Wohnhaus einen Wettbewerb ausgelobt. Warum?

SB| Das ist zu hoch gegriffen: Es gibt kein Preisgericht, aber wir haben mit zwei Architekten ein konkurrierendes Verfahren durchgeführt. Es war wohltuend zu sehen, welch unterschiedliche Ansätze es gibt, auch an so eine vergleichsweise kleine Aufgabenstellung heranzugehen.

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