Bauwelt

Alexander Freiherr von Branca 1919–2011

Text: Hierl, Rudolf, München

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Neue Pinakothek in München (1975–1981)
Foto: Sibylle Forster © Bayerische Staatsgemälde- sammlungen

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Neue Pinakothek in München (1975–1981)

Foto: Sibylle Forster © Bayerische Staatsgemälde- sammlungen


Alexander Freiherr von Branca 1919–2011

Text: Hierl, Rudolf, München

„Das Wesen der Architektur ist, über das rein Zweckhafte hinaus eine Aussage zu machen, die den Menschen berührt. Was so elitär klingt, ist ein Pro­blem, an dem auch ein schlichtes Architekturbüro in seinem Schaffen nicht vorbeikommt."
Geboren am 11. Januar 1919 in München als Sohn eines Diplomaten und einer Malerin, wächst von Branca in München-Schwabing auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg, 1946, beginnt er mit dem Architekturstudium an der TH München und wechselt nach zwei Jahren, ermöglicht durch ein Stipendium, an die ETH Zürich. Bereits 1951 eröffnet er sein eigenes Büro in München. Hier prägt er mehr als ein halbes Jahrhundert lang Baugeschehen und Bild der Stadt entscheidend mit. Neben den architektonischen Beiträgen ist seine Tätigkeit als Kreisheimatpfleger in den Jahren 1972 bis 1988 zu nennen, im Rahmen derer er bemerkenswert früh die Kontinuität von Architektur im historischen Kontext thematisiert.
Das gebaute Werk ist europaweit zu finden, kristallisiert sich aber mit wichtigen Bauten in München: Neue Pinakothek (1967–81), Herz-Jesu-Kirche (1953–55, mit Herbert Groethuysen), verschiedene U-Bahn-Höfe (z.B. Marienplatz und Theresienwiese), der Umbau des Residenztheaters (1988–91). 29 Kirchen hat von Branca gebaut, die allesamt Beleg sind für seine kritische Auseinandersetzung mit Louis Sullivans Paradigma „form follows function“. An der Neuen Pinakothek hat sich die kontroverse Diskussion um seine Architekturposition entzündet und festgemacht. Der strukturell beeindruckende Wett­bewerbsentwurf wird nach vielen Planungsunterbrechungen und Programmerweiterungen unter dem Einfluss der aufkeimenden Postmoderne überformt und zeigt sich nun von zwei Seiten. Einerseits eine Baukörper- und Raumfolge, die sich trotz gewaltiger Kubatur differenziert in den Kontext der Maxvorstadt einfügt. Sie basiert auf dem Museumskonzept einer schleifenförmigen promenade culturelle, die heute unumstritten zu einem der besten Museumsbauten weltweit zählt. Andererseits gibt es das betont historisierende Erscheinungsbild vor allem je­ner Erweiterungen, an dem sich die Geister scheiden. Was bleibt ist eine Architektur, die einen in Beschlag nimmt, zur Auseinandersetzung herausfordert. Und so löst der Architekt sein Schaffensmotiv ein: „Das Wesen der Architektur ist, über das rein Zweckhafte hinaus eine Aussage zu machen, die den Menschen berührt. Was so elitär klingt, ist ein Pro­blem, an dem auch ein schlichtes Architekturbüro in seinem Schaffen nicht vorbeikommt.“
Nomen est omen: Der Name Branca dürfte einen der größten Bedeutungshöfe des italienischen Wortschatzes haben, die Spanne reicht von Ast, Branche, Gebiet über Hand zu Zweig und verweist auf die Wurzeln des Architekten. Wohl kein deutscher Architekt hat italienischer gebaut als von Branca: großflächige Wandelemente, ausgewogene Massenkompositionen, erlesene Proportionen; vor allem ihre physische Präsenz und die souveräne Handhabung natürlicher Materialien machen seine Bauten unverwechselbar. Frappierend ist in diesem Zusammenhang die Kongruenz von Skizze – meist mit Tinte oder kräftigem Tuschefederstrich gezogen – und ausgeführtem Bau; die Zeichnungen nehmen die Bauten in Maßstab, Proportion, Körperlichkeit und Haptik verblüffend genau vorweg. Von Brancas Architektur fußt auf klaren, primären Geometrien, die oft, vor allem im Frühwerk, konstruktiv verwendet werden, auch das ist typisch italienisch.
In dieser Italianità dürfte ein Grund liegen, warum von Branca zum Wettbewerb für die Deutsche Botschaft am Heiligen Stuhl in Rom eingeladen wurde (1966). In einem Land, das aufgrund seiner über 2000-jährigen ungebrochenen Kulturgeschichte  über ein beispiellos kohärentes bauliches Erbe verfügt, ist der Umgang mit historischer Bausubstanz und die Einfügung neuer Architektur in einen historischen Kontext ohnehin weniger verkrampft als bei uns. So kommt die zwischen 1979 und 1984 realisierte Botschaft dort nicht in die Erklärungsnöte wie etwa die Pinakothek hier. Es ist erstaunlich, wie selbstverständlich die Volumenkomposition aus roten römischen Ziegeln sich in der Ewigen Stadt einfindet und in die Umgebung einfügt.
Am 21. März ist Alexander von Branca auf seinem Bauernhof am Stadlberg in der Nähe von Miesbach im Alter von 92 Jahren verstorben.
Fakten
Architekten Branca, Alexander Freiherr von (1919–2011)
aus Bauwelt 19.2011
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