Bauwelt

Baukunst und Wissenschaft

Architektenausbildung an der Berliner Bauakademie um 1800

Text: Gössel, Victoria

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Baukunst und Wissenschaft

Architektenausbildung an der Berliner Bauakademie um 1800

Text: Gössel, Victoria

Der Titel der neuen Monographie der Kunsthistorikerin Christiane Salge klingt großartig. Als „Baukunst und Wissenschaft“ prangt er auf dem breiten Rücken des Buches und greift damit im Regal auf nahezu alles über, was in einer baugeschichtlichen Bibliothek so steht. In vergleichsweise winzigen Lettern findet man auf dem vorderen Deckel im Untertitel das eigentliche Thema, „Architektenausbildung an der Berliner Bauakademie um 1800“. Zudem ist das Buch mit seinem großen Format und seinen 500 Seiten auch physisch ziemlich raumgreifend. Der erste Eindruck führt zu der Frage: Was ist denn hier aus dem Ruder gelaufen?
Das im Untertitel genannte Thema ist jedenfalls viel zu bedeutend, als dass man es im klein Gedruckten verstecken müsste. Was der preußische Staat mit der Einrichtung der Berliner Bauakademie ins Werk gesetzt hat, war nämlich die konsequente Zentralisierung und Kontrolle des gesamten Bauwesens in den preußischen Landen. Als Mittel dazu diente die Schaffung einer ef­fizienten Baubürokra- tie mit an der Bauakademie ausgebildeten, in allen Belangen des Bauens versierten „tüchtigen Baumeistern“, die nach der Ausbildung in Berlin in die Provinzen geschickt werden konnten, um dort anhand von Typenentwürfen ein effizientes und kostengüns­tiges Bauwesen zu etablieren und gleichzeitig eine einheitliche Ästhetik zu gewährleisten. Ein System, das sich als so erfolgreich zeigte, dass es sich um die halbe Welt verbreitet hat.
Diese Geschichte vermittelt sich vor allem durch die Bauten der Lehrer und Absolventen der Bauakademie. Die Kenntnis der entsprechenden Geheimsprache der Bauten ist jedoch (frei nach Johannes Uhl) denen vorbehalten, die schon einmal ein Entwurfsseminar durchlaufen und Details gezeichnet haben. Die Autorin muss-te sich deshalb im Prinzip auf das Begriffliche beschränken, „minutiös“, wie sie mehrfach betont, einen riesigen Berg von Akten aufarbei-ten und ellenlang Texte exzerpieren, diese dann zitieren sowie paraphrasieren und zu neuen Texten zusammensetzen. Die beigefügten Abbildungen sind offensichtlich weniger nach ihrem Informationsgehalt, sondern vor allem nach ihrer künstlerischen Schönheit ausgewählt. Den vielen technischen Fächern, die bei der Ausbildung an der Bauakademie eine Rolle gespielt haben, wird nicht wirklich nachgegangen. Insgesamt will sich keine Dynamik einstellen, die es gestattet, am theoretischen Wissen und an der praktischen Erfahrung der Lehrenden zu partizipieren und mit den Eleven an den Vorlesungen und Übungen teilzunehmen, um dann hinaus in die Provinzen zu ziehen und die Absolventen dort das Gelernte in die Praxis umsetzen zu sehen.
Wie es der Name ‚Bauakademie‘ schon sagt: Es handelte sich um eine höhere Lehranstalt in Bezug auf alle Angelegenheiten des Bauens, vomRathaus bis zum Hühnerstall. Von daher muss die Betrachtung des Themas mit ausschließlich geisteswissenschaftlichem Hintergrund unter dem Primat der Kunst von vorneherein erheblich eingeschränkt bleiben. Im Prinzip genauso, wie dies umgekehrt bei der Untersuchung eines Studiums der Kunstgeschichte unter dem Primat des Konstruierens der Fall wäre.
In diesem Zusammenhang ist es bedauerlich, dass im vorliegenden Fall sehr viel Lebenszeit und Schaffenskraft auf Grund des Betretens fremden Terrains nur partiell zur Geltung kommen konnten. Eine Fokussierung auf die nur im Ansatz unternommenen biographischen Untersuchungen, das wäre zum Beispiel eine passende Ausrichtung gewesen. Oder auf die künstlerisch wertvollen Architekturzeichnungen. Oder die wissenschaftliche Edition und Kommentierung der Texte und Schriftquellen. Die vorliegende Arbeit will aber vor allem ein Studium der Architektur abdecken, greift deshalb vielfach zu kurz und ufert im Gesamten aus.
Immerhin ist es zu einem – wenn auch etwas unhandlichen – visuell doch außerordentlich attraktiven, geradezu luxuriös ausgestatteten Buch gekommen. Man kann sich an der Schönheit der Abbildungen erfreuen, insbesondere an den großformatig in Farbe im Tafelteil abgedruckten Zeichnungen. Und bei der Text- und Quellenarbeit zur Geschichte der Ausbildung von Baumeistern an der Berliner Bauakademie um 1800 wird man auch nicht überall wieder von vorne anfangen müssen.
Fakten
Autor / Herausgeber Christiane Salge
Verlag Gebr. Mann, Berlin 2021
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aus Bauwelt 9.2022
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