Bauen im Bestand
Zwischen Innovation und Tradition
Text: Minet, Paulina, Konstanz
Bauen im Bestand
Zwischen Innovation und Tradition
Text: Minet, Paulina, Konstanz
Laut aktuellem IPCC-Bericht des Weltklimarats ist der Gebäudesektor für etwa 40 % der weltweiten Treibhausgasemissionen sowie für 50 % der Rohstoffentnahmen verantwortlich. Auch die Abfallproduktion spielt eine entscheidende Rolle: In Deutschland fallen jährlich rund 230 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle an (Umweltbundesamt 2020). Angesichts dieser Zahlen und der fortschreitenden Klimaerwärmung gewinnt der Umgang mit dem Gebäudebestand an Bedeutung. Der Erhalt von Bausubstanz und die Wiederverwendung von Material sind zentral für die Reduktion der Emissionen.
Das Buch „Bauen im Bestand. Zwischen Tradition und Innovation“ ist eine Sammlung von Umbauprojekten, die Möglichkeiten für den Bestandserhalt sowie architektonische Lösungen für aktuelle Anforderungen aufzeigen. Potenziale, Perspektiven und Prozesse werden anhand von 45 Projekten dargestellt, die der Frage nachgehen, wie Umnutzung und Weiterentwicklung ohne Verlust von Identität und Qualität eines Orts möglich sind.
Während einige der Gebäude durch behutsame Sanierung ihre ursprüngliche Nutzung zurückerhielten, wurden andere durch Umbauten und Erweiterungen revitalisiert. Eines der Projekte ist der Kulturbahnhof Aalen von atr Architekten (Bauwelt 4.2023). Nach einem Brand blieben lediglich Fragmente der historischen Sandsteinfassaden erhalten, die heute die Gebäudehülle bilden. Der Innenraum hingegen wurde vollständig entkernt und durch eingestellte Kuben zoniert. Heute ist der Bahnhof ein Ort der Kulturvermittlung im Zentrum der Stadt.
Die Scheune Minden von Stein Hemmes Wirtz Architekten zeugt ebenfalls von einem nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen: Abgebrochene Steine aus ehemaligen Fensteröffnungen wurden für eine neue Mauer wiederverwendet, während alte Balken zum Bau von Holztreppen eingesetzt wurden. Viele der Gebäude, wie das Haus Eifel von Herres und Pape Architekten, verdeutlichen auch, dass die Restriktionen des Altbaus nicht nur Hindernis sind, sondern zu überraschenden Lösungen führen können.
Doch bleiben zentrale Fragen zur Zukunft des Bauens im Bestand offen. Trotz der Vielfalt an vorgestellten Projekten ist fraglich, ob „Best Practices“ abgebildet sind, denn der Fokus liegt vorwiegend auf dem Denkmalschutz, der lediglich einen Teilbereich der Problematik abdeckt. Insbesondere die ökologischen Aspekte und der Ressourcenverbrauch kommen zu kurz. Was wird beispielsweise aus obsoleten Großstrukturen, die besonders herausfordernd sind, dafür aber enormes Potenzial an grauer Energie mit sich bringen? Vielleicht eine Frage für eine erweiterte Neuausgabe – die Erstauflage ist bereits vergriffen.
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