Sophie Taeuber-Arp
"Living Abstraction" im New Yorker MoMA
Text: Drewes, Frank F., Berlin
Sophie Taeuber-Arp
"Living Abstraction" im New Yorker MoMA
Text: Drewes, Frank F., Berlin
Die große Retrospektive im New Yorker Museum of Modern Art stellt Sophie Taeuber-Arp (1889-1943) auf einen Sockel, der dieser medienübergreifenden (Universal)Künstlerin mehr als gerecht wird. Die großflächige und, wie vom MoMA gewohnt, perfekt kuratierte und makellos präsentierte Ausstellung führt chronologisch durch das breite Spektrum des Schaffens von Taeuber-Arp. Als sie 1914 nach Zürich zieht, hat sie die Debschitz-Schule in München absolviert, die für ihre Kombination von freier und angewandter Kunst bekannt war. Dieser holistische Ansatz zieht sich als roter Faden durch das Werk der Künstlerin. In Zürich begann sie als Textilgestalterin und Bildhauerin und studierte nebenbei Ausdruckstanz bei Rudolf von Laban. 1915 lernte sie den Künstler Hans Arp kennen, den sie 1922 heiratete. Durch (Jean) Arp kam sie in Kontakt mit der Züricher DADA Bewegung, die sie wesentlich mitprägte. Viele Arbeiten entstanden im Team mit Hans Arp, wobei nicht nur von Augenhöhe gesprochen werden kann, denn für 12 Jahre war es Sophie Taeuber-Arp, die mit ihrer Lehrtätigkeit an der Zürcher Kunstgewerbeschule das Einkommen beider sicherte.
Als Leiterin der Textilklasse lehrte sie mit dem Ziel, Kunst, Gestaltung, Handwerk und Alltag auf schöpferische Weise zu verbinden und die Grenzen zwischen den Gattungen aufzuheben ohne dabei ins Kunstgewerbliche abzugleiten. Neben ihren Webearbeiten malte Taeuber-Arp freie abstrakte Kompositionen, welche in ihrem konkreten und konstruktiven Ausdruck den Arbeiten von Piet Mondrian und Kasimir Malewitsch nahe standen, die mit De Stijl und dem Konstruktivismus zeitgleiche Stilrichtungen vertraten. 1926 zogen die Arps nach Straßburg, wo beide die französische Staatsbürgerschaft annahmen, was auch zum Wechsel von Hans zu Jean Arp führte. Hier arbeiteten sie gemeinsam mit Theo van Doesburg an der Innenraumausstattung des Kulturzentrums Aubette. Hier betätigte sich Taeuber-Arp in den Bereichen von Innenarchitektur und Möbeldesign. 1928 baute das Paar am Rande von Paris ein eigenes Heim, von dem Sophie Taeuber-Arp sowohl die Architektur als auch die Gartengestaltung verantwortete. In Paris gehörten sie zur Avantgarde um Robert Delaunay, Wassily Kandinsky, Marcel Duchamp und Kurt Schwitters. 1940 begann nach der Okkupation Frankreichs durch die Nationalsozialisten die Flucht über Südfrankreich und schließlich zurück in die Schweiz, wo sie sich wieder in Zürich niederließen. Dort starb Sophie Taeuber-Arp am 13.01.1943, eine Woche vor ihrem 54. Geburtstag, an einer Kohlenmonoxidvergiftung durch einen falsch betriebenen Ofen im Haus von Max Bill.
Das MoMA führt mit Living Abstraction vor, wie virtuos sich die Künstlerin zwischen den zahlreichen Sparten von Kunst und Design bewegt hat. Neben einer Vielzahl von Grafiken, Zeichnungen und Gemälden mit einer bestechenden Präzision und Farbigkeit, stehen gleichwertig ihre Möbelentwürfe, Kissenbezüge, Marionetten, Weberei und Skulpturen. In ihrer Rolle als abstrakte Künstlerin, die mit einem renommierten Künstler verheiratet war, drängt sich geradezu der Vergleich mit Anni Albers oder auch Sonia Delaunay auf, denen beide 94 Lebensjahre zur Verfügung standen, um ihr Œuvre zu komplettieren. Taeuber-Arp hat im Vergleich zu Albers und Delaunay ein ungleich breiter gefächertes Werk geschaffen, was Fluch und Segen zugleich sein kann. Denn für einen Signature Style war ihr Werk einfach zu divers und nicht greifbar genug, weswegen ihre Reputation im Schatten derer ihres Mannes stand. Diese Retrospektive im MoMA lässt aber keinen Zweifel daran, dass das Werk Sophie Taeuber-Arps sowohl eigenständig als auch einflussreich auf Zeitgenoss:innen und nachfolgende Generationen war und selbstbewusst für sich selbst stehen kann.
Sophie Taeuber-Arp: Living Abstraction ist bis zum 12. März 2022 im New Yorker MoMA zu sehen
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