Bauwelt

In der Stadtwildniszone

Im Berliner Ortsteil Lichterfelde soll ein neues Stadtquartier auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz der Amerikaner entstehen. Der Schriftsteller Jan Brandt, selbst lange Zeit auf Wohnungssuche in der Hauptstadt, hat das südliche Grenzgebiet zu Brandenburg erkundet. Er traf auf alte Nachbarn, verängstigte Radfahrer und freilaufende Tiere.

Text: Brandt, Jan, Berlin

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    Die Groth Gruppe plant in Lichterfelde-Süd ein Quartier mit 2500 Wohneinheiten, davon 25 Prozent Sozialwohnungen, eine Schule, Kitas und Sportanlagen. Drei Baracken eines ehe­ma­ligen Kriegsgefange­nen­lagers auf dem Gelände sollen erhalten bleiben.
    Visualisierung: © Groth Gruppe

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    Die Groth Gruppe plant in Lichterfelde-Süd ein Quartier mit 2500 Wohneinheiten, davon 25 Prozent Sozialwohnungen, eine Schule, Kitas und Sportanlagen. Drei Baracken eines ehe­ma­ligen Kriegsgefange­nen­lagers auf dem Gelände sollen erhalten bleiben.

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In der Stadtwildniszone

Im Berliner Ortsteil Lichterfelde soll ein neues Stadtquartier auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz der Amerikaner entstehen. Der Schriftsteller Jan Brandt, selbst lange Zeit auf Wohnungssuche in der Hauptstadt, hat das südliche Grenzgebiet zu Brandenburg erkundet. Er traf auf alte Nachbarn, verängstigte Radfahrer und freilaufende Tiere.

Text: Brandt, Jan, Berlin

Während Berufspendler in die Stadt hineinfahren, fahre ich hinaus. Nicht aufs Land, sondern an den Rand, wo Berlin an Brandenburg grenzt und bald ein neuer Kiez entstehen soll, das Stadtquartier Lichterfelde-Süd mit rund 2500 Miet- und Eigentumswohnungen, auf 39 Hektar Baufläche eins der „größten und anspruchsvollsten Wohnungsbauprojekte Berlins“, wie es auf der Website des Senats heißt. Zwischen Teltow, Marienfelde und Großbeeren – entwickelt von der Groth Gruppe, die auch den Kunstcampus Moabit, das Flottwell Living-Ensemble in Tiergarten und Kreuzberg oder die Belles Etages in Mitte gebaut hat. In den vergangenen vierzig Jahren hat das Immobilienunternehmen mehr als tausend Wohnungen in der Hauptstadt errichtet, und da die Brachen im Zentrum schwinden und die Grundstückspreise innerhalb des S-Bahn-Ringes explodieren, ist bezahlbarer Wohnraum fast nur noch in der Peripherie zu realisieren.
Mehrere Planungsbüros nahmen 2014 an einem Verfahren für einen Lichterfelder Masterplan teil. Der mit dem 1. Preis prämierte Entwurf vom Rotterdamer Büro Casanova Hernandez und dem Berliner Büro Mars heißt „Hybrid City“. Er sieht eine Verbindung zwischen Mensch und Natur vor, um eine „urban connection“ herzustellen, ein Leben im Einklang mit der Stadt und dem Land, mit den Menschen untereinander, Menschen aus unterschiedlichen Milieus, und den Tieren und Pflanzen, die sie umgeben. Eine neue Stadt in der Stadt, in der Wohnen, Arbeiten und Freizeit zusammengedacht und neun verschiedene Haustypen um offene Plätze herum gruppiert sind, und von dort aus auf einen noch größeren grünen Platz verweisen: das „Grüne Herz“.
Das Büro Christoph Kohl, das neben Krüger Schuberth Vandreike und Hemrich Tophof anschließend mit der vertiefenden Planung eines der Abschnitte beauftragt wurde, spricht auf seiner Website von der „Grünen Mitte“, von einer großen „Stadtwildniszone“ umgeben von fünf Wohnquartieren. Es soll ein „autoarmer Stadtteil“ entstehen. Eine grüne Utopie. Eine Stadt der Zukunft?
Vor drei Jahren verlor ich wegen Eigenbedarf meine Wohnung in Kreuzberg und war elf Monate lang auf Wohnungssuche, zeitweise wohnungslos, ohne feste Bleibe, bevor ich in Schöneberg wieder etwas fand, das ich mir leisten konnte. Aber auch das scheint mir, da die Stadt weiterwächst und die Spekulation mit Immobilien anhält, eine fragile Lebenssituation zu sein. Seitdem bin ich auf der Suche nach neuen Konzepten, nach neuen Ideen, wie das Leben in der Großstadt organisiert sein könnte, damit alle daran teilhaben, damit Arbeit und Erholung einander nicht ausschließen, damit die Menschen und ihre Umwelt keinen Schaden nehmen. Das Stadtquartier Lichterfelde-Süd kann, wenn man den Ankündigungen Glauben schenkt, eine Lösung für eine der drängendsten Fragen unserer Zeit sein: wie wir wohnen wollen. Deshalb mache ich mich auf den Weg, diesen „magischen“ Ort zu erkunden, eine Zeitreise ohne Maschine, nur ausgestattet mit meiner Wahrnehmung und Vorstellungskraft.
Am Bahnhof Südkreuz steige ich in die S2 ein und schon wenige Stationen später am Südende aus, weil ich, wie ich feststelle, in der falschen S-Bahn sitze und in die S25 oder S26 umsteigen muss. Anders als der Name vermuten lässt, geht der Süden hinterm Südende nämlich noch weiter. Auf dem Bahnsteig treffe ich einen ehemaligen Nachbarn, Herrn Waffenschmidt. Er hat 44 Jahre lang in der Wohnung unter mir gewohnt und ist vor einem Jahr ausgezogen, nach Steglitz, ins Parterre, weil er Angst hatte, im Alter nicht mehr in den dritten Stock hochzukommen.
Ich erzähle ihm von meiner Recherche, vom neuen Stadtquartier Lichterfelde-Süd, und er tritt mit einer Entschlossenheit an mich heran, die ich nicht an ihm kenne: „Also, das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, wohnen wollen möchte ich da nicht. Da fährt die S-Bahn Tag und Nacht und dann die Züge von und nach Halle.“ Er winkt ab. „Also, wenn schon Ruhe, dann Land, dann richtig weit weg.“ Seine Bahn fährt ein und meine auch, wir loben den Zufall und verabschieden uns voneinander mit dem losen Versprechen, uns bald wieder zu sehen. Aber wir beide wissen, dass Nachbarschaft nur so lange besteht, wie man Tür an Tür wohnt.
Hinter Lankwitz wird die Bebauung kleinteiliger, und das Grün zwischen den Dächern nimmt zu. Aus Mehr- werden Einfamilienhäuser, aus Einfamilienhäusern Werkstätten und Lagerhallen. Die Stadt versteppt. Und an jeder Station steigen mehr Menschen aus, bis ich ganz allein im Waggon sitze. Am Bahnhof Lichterfelde-Süd weist ein Schild auf das Oberstufenzentrum Bürowirtschaft und Verwaltung hin, ein anderes auf das Möbelhaus am Ostpreußendamm. Ein Fußweg führt unter den Gleisen entlang in die Réaumurstraße. Links ragen Hochhäuser in den Himmel, die Thermometersiedlung, sozialer Wohnungsbau aus den Siebzigern, rechts geht es neben einem mit Graffiti verzierten Backsteinbau, ein altes Pförtnerhaus, über Betonplatten in einen Wald aus Birken und Pappeln. Wo die Platten enden, stehen Zäune, und an den Zäunen hängen Schilder: „Privatgrundstück. Betreten verboten. Eltern haften für ihre Kinder.“ Über mir rauschen Blätter, unter mir zirpen Grillen.
Hier, wo ich stehe, wird der Mittelpunkt der neuen Welt sein: ein Platz, von dem aus strahlenförmig Straßen und Wege zu den Häusern führen sollen, zu mehrgeschossigen Blockbauten, die die Hybrid City vom Rest der Welt abschirmt, von der Bahntrasse auf der einen Seite, von der Réaumurstraße auf der anderen, zu Mehrfamilienhäusern, Reihenhäusern, Sporthallen, Kitas, Schulen, Supermärkten, Jugendzentren. Noch ist nichts davon zu sehen.
Ein Schlagbaum liegt quer über dem Weg, hält aber niemanden auf, weil an den Seiten genug Platz zum Durchkommen ist. Ein einsamer Weg ins Nirgendwo. Nur eine Baracke, deren Fenster eingeworfen sind und an deren Tor „SV Edelweiß“ steht – Schützenverein Edelweiß, wie ich im Internet nachlese –, lässt erahnen, welchem Zweck dieses Areal einmal gedient haben mag. Es sieht aus wie ein verlassenes Militärgelände ohne Kasernen, aber mit Munition im Boden. Aus Ritzen schießen wie in der Luft erstarrte Feuerwerkskörper Goldruten empor. Und an manchen Stellen ragen 20 Zentimeter hohe Plastikstreifen aus der Erde, wie zum Schutz vor etwas Tödlichem – einer unsichtbaren Gefahr.
Je weiter ich gehe, desto unbehaglicher fühle ich mich. Ich bin es nicht gewohnt, in Berlin ganz allein zu sein. Ich stelle mir vor, wie es wäre, im Gebüsch einen Müllsack mit einer Leiche zu entdecken oder selbst Opfer eines Überfalls zu werden. Wohin soll ich laufen, wenn mir jemand entgegenkommt, wenn mir jemand folgt? Wer hört hier meine Schreie? Wer wird mich finden? Keiner weiß, wo ich bin. Selbst ich habe die Orientierung verloren. Mein Netzempfang ist schwach, nur ein Balken, der immer wieder verschwindet, manchmal LTE, manchmal 3G, manchmal E, manchmal nichts. Als ich einem Fahrradfahrer zuwinke, um ihn zu fragen, wo ich mich befinde, bin ich überrascht, dass der Mann an mir vorbeifährt – den Blick starr geradeaus gerichtet. Eine Frau, ebenfalls auf dem Fahrrad, beschleunigt, kaum dass ich die ersten Worte gesagt habe. Offenbar sind sie von der gleichen Angst ergriffen wie ich. Mit dem Unterschied, dass sie mich, den Fußgänger, für einen Verbrecher halten.
Rechts von mir rauscht ein Zug vorbei, ein Regionalexpress, aber es ist weniger laut, als ich nach der Begegnung mit Herrn Waffenschmidt gedacht hätte. Den Plänen zufolge sollen hier Sportplätze und Blockbauten stehen. Als der Weg immer schmaler und unbefestigter wird und ich in einen Wald eintauche, meine ich, Berlin endgültig hinter mir gelassen zu haben. Und tatsächlich: Nach wenigen Metern stoße ich auf eine breite Allee, gesäumt von Kirschbäumen, und auf ein Schild, das mich darauf hinweist, dass dies der Mauerweg sei; auf der anderen Seite, dort, wo ein paar Lauben stehen, ist Brandenburg.
Offenbar stehe ich sichtlich verloren in der Gegend herum, denn mich spricht einer der Kleingärtner an, ein weißhaariger Mann, der gerade die Hecke trimmt. Er stellt den Motor ab. „Suchen Sie was Bestimmtes?“ Ich erkläre ihm, was ich vorhabe, und er sagt, dass er seit 1986 eine Parzelle hier habe und es vor der Wende wesentlich lauter und heller gewesen sei als heute: „Das da“, er zeigt hinter mich, in den Wald, aus dem ich komme, „war ein Truppenübungsplatz von den Amerikanern. Oft hat man Schüsse gehört. Auch Panzer. Und dann waren da nachts die Lichter. Leuchtraketen. Hubschrauber. Dreimal im Jahr einwöchige Manöver. Aber mit Bombenwerfen war da nichts.“ Dann macht er die Heckenschere wieder an, und ich setze meinen Weg unter den Kirschbäumen fort.
Zwei Spaziergängerinnen kommen mir entgegen und grüßen mich, als würden wir uns seit Langem kennen. Durch ein Wäldchen mache ich einen Abstecher in die Teltower Nibelungensiedlung: Gudrunstraße, Siegfriedstraße, Kriemhild- und Brunhildstraße. Einfamilienhäuser, einige davon im mediterranen Stil, ockerfarbene Wände, Zeltdach, Bögen und Säulen.
Die ganze Vororthölle: Hecken, Steingärten, glänzende Dachpfannen. An der Grenze zu Osdorf, dort, wo die Felder beginnen, das flache Land, walzen Mähdrescher durch den Weizen. Auf einem Hinweisschild erfahre ich endlich, wo ich bin, ein roter Punkt im Niemandsland, „You are here“, und dass das Areal nicht nur ein Truppenübungsplatz war, sondern auch eine „Geisterstadt“.
„Da ham die Amerikaner Häuserkampf jegen die Russen jeübt, wa“, sagt ein Mann neben mir, ein Rennradfahrer auf einer Bank. „Parks Range hieß ditte. Ne richtje Stadt mit Hochbahn-Station und allem drum und dran. Bloß keene Leute, wa. Und jetze sind da Pferde druff. Da vorne is‘n Loch, könnse ja mal ruffjehn.“
„Sind Sie schon mal drauf gewesen?“
„Nee, ick bin ja nich bekloppt, wa.“
„Liegt da noch Munition?“
„Kann man nich sagn. Weeß ick nich.“
„Aber hier soll doch gebaut werden.“
„Dit wird ja denn jeräumt.“
Ein paar Meter weiter bleibe ich vor einem Findling stehen, an dem eine Bronzetafel angebracht ist: „Kirschbäume gespendet von japanischen Bürgern aus Freude über die Vereinigung unseres Volkes.“ Und: „Unter den Zweigen der Kirschbäume in Blüte ist keiner ein Fremder hier.“ Aber die Kirschbäume sind nicht in Blüte. Und ich fühle mich fremd, so fremd wie seit Langem nicht mehr. Das hier ist nicht Berlin und nicht Brandenburg, ein Zwischenraum, ein Ort des Übergangs. Ich beschließe, am Zaun entlangzugehen, Maschendraht und Stacheldraht, und das Loch zu suchen, von dem der Rennradfahrer gesprochen hat, aber als ich es finde, bin ich enttäuscht, weil es so klein ist, dass ich nur ein Bein hindurchstrecken kann. Darüber hängt wie zum Hohn ein Schild mit dem Hinweis: „Beschädigen des Zauns wird strafrechtlich verfolgt.“
An der Ecke Osdorfer Straße, Jenbacher Weg treffe ich auf eine Frau von der Dauerkleingartenkolonie Am Wäldchen e.V. Auch sie erzählt von den Schießübungen, den Panzern, vom Häuserkampf, aber auch von einem „Gebäude aus der Nazizeit“, das stehe unter Denkmalschutz, – sie meint, ich sehe es im Internet, ich habe wieder Netz, das Kriegsgefangenenlager Stalag III D, eines der wenigen Stammlager in einer deutschen Großstadt, in dem bis zu 29.000 Briten, Serben, Sowjets und Italiener interniert waren – „und dann gibt es hier irgendwo eine Kröte, die nicht über die Straße kommt, die Knoblauchkröte“.
„Deshalb die Plastikstreifen“, sage ich. Und sie sagt: „Also, bis die hier sind mit den Häusern, das kann dauern.“
„Aber dann wird das hier alles anders.“
„Ja, die Straße soll verbreitert werden, von zwei auf vier Spuren, die schönen alten Bäume, die kommen alle weg.“
„Dann ist es mit der Ruhe hier vorbei.“
„Es ist ja jetzt schon laut.“ Sie sieht den Autos nach, die an uns aus der Stadt herausfahren, und da bemerke ich das gelbe Ortsschild, mit dem roten Querstrich über Berlin und dem einzelnen Mauerstück daneben, Denkmal für die Teilung der Stadt und des Landes. „Und hier“, sage ich wie zu mir selbst, „war die Mauer.“ „Ja“, sagt die Frau, „die grenzte unmittelbar an die Kolonie. Die hatten hier ein kleines Türchen, die Vopos, die konnten hier im Westen ihren Kaffee trinken.“ Das Ende von West-Berlin. Eine Enklave, wie Kreuzberg, in der alles möglich war, Geschichten von natürlichen und übernatürlichen Begegnungen, von Menschen und Geistern, nur nicht mittendrin, sondern am Rand der Stadt.
Es ist Mittag, die Sonne brennt vom Himmel, und ich wage einen letzten Versuch, aufs Gelände zu kommen. Doch entlang der gesamten Osdorfer Straße gibt es keine Zugänge und dort, wo es welche gibt, am Landweg, sind zu viele Menschen, Arbeiter von Gewerbebetrieben, eine Spedition, eine Tischlerei, eine Verpackungsfirma, und Kinder, ein Sportplatz, eine Kita. Ein Mann mit Hund kommt mir entgegen, er sieht aus wie mein Spiegelbild: wie ich in zwanzig Jahren. Auch er trägt Brille, Baseballkappe und ein schwarzes Polohemd, aber seine Haut ist schlaff und grau und voller Falten, und unterm Hemd wölbt sich der Bauch. Sein Hund, ein Mops, knurrt mich an. „Die wollen hier bauen, ja. Eine Stadt ohne Autos“, sagt er, „aber der Boden ist verseucht.“
„Wegen der Amerikaner?“
„Nee, wegen des Schmelzwerks da drüben.“
Er zeigt in Richtung Thermometersiedlung, Richtung S-Bahn-Station, dorthin, wo sich der Kreis meiner Reise schließt. „Aluminium. Alles weg. Schon seit 35 Jahren. Aber das Gift ist immer noch da.“ Ich gehe den Landweg entlang, die Réaumurstraße, gehe noch einmal an den Anfang zurück, zu dem Pförtnerhaus an einem der Zäune, zu einem der „Betreten Verboten“-Schilder, zu einer Art Tor, das mit einem Fahrrad-Schloss gesichert ist. Ich drücke dagegen.
In dem Moment löst sich das Schloss, als hätte ich Superkräfte, und ich trete in die Grünanlage ein, folge einem gepflasterten Weg auf ein zweites Tor zu, an dem ein weiteres Schild hängt, dessen Worte ich aus der Entfernung nicht entziffern kann. Rechts und links sehe ich wieder die Plastikstreifen im Boden. Ich muss an die Frösche denken, von denen die Frau in der Kleingartenkolonie gesprochen hat, die Knoblauchfrösche. Dann, ich bin nur noch ein paar Meter von dem zweiten Tor entfernt, kann ich den Text entziffern: „Achtung!“, steht da, „Freilaufende Tiere. Tor geschlossen halten! Immer!“ Sind es die Frösche, vor denen hier gewarnt wird? Oder andere, größere Tiere? Tiere, die nicht durch Plastikstreifen, sondern nur durch Zäune und Tore und Gitter von der Außenwelt abgehalten werden. Gefährliche Tiere. Raubtiere. Tiere, die kontaminiert durch die Gifte im Boden, mutiert sind. Tiere, die sich mit anderen Tieren gepaart haben. Mit Fröschen? Mit Pferden? Mit Menschen? Mischwesen. Haben die nicht neulich in Japan welche gezüchtet? Kommen die hier in natürlicher Umgebung vor? Hybride. Hybrid City. Ist das damit gemeint? Stadtquartier Lichterfelde-Süd – eine Stadt der Monster? Das ist die Gegenwart. Die Zukunft wird anders aussehen. Urbaner. Zivilisierter.

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