Bauwelt

Stadtbibliothek in Los Molinos


Die ursprüngliche Wettbewerbsaufgabe, ein Kulturzen­trum zu entwickeln, kam wegen Corona ins Stocken – die Gemeinde Los Molinos bei Madrid ließ die jungen Architekten aber nicht vom Haken: Estudio DIIR bauten zuerst einmal die Stadtbibliothek um.


Text: Zerdán, Félix, Madrid


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    Die Anlage ähnelt anderen in Spanien vor hundert Jahren gebauten Schulen: ...
    Foto: Luis Díaz Díaz

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    Foto: Luis Díaz Díaz

Alles begann mit einem vom Madrider Architektenverband ausgelobten Ideenwettbewerb: 2018 erhielt Estudio DIIR den Auftrag, die alte Schule der Gemeinde Los Molinos in der Sierra de Guadarrama bei Madrid in ein Kulturzentrum umzuwandeln. Das Gebäude ist für einen in Spanien zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstandenen Schulbau charakteristisch – der Gebäudetypus besteht in der Regel aus mehreren Klassenzimmern, die um einen Innenhof angeordnet sind, während sich im Obergeschoss die Wohnungen der Lehrerschaft befanden. Die alte Schule von Los Molinos hatte mit dem Bau einer neuen Schule im Jahr 2007 ihre Funktion verloren.
DIIR überzeugte die Jury und die Nachbarschaft mit einem Entwurf, der auf der Verwendung lokaler Materialien und Techniken basierte. Noch in der Verhandlungsphase kam jedoch die Corona-Pandemie und mit ihr alles zum Erliegen. In dieser Sackgasse hatte die Stadtverwaltung eine vorbildliche Idee: Teil des Schulkomplexes war ein weiteres Gebäude, in dessen Erdgeschoss eine kleine Stadtbibliothek untergebracht war. Beginne man damit! Und auch die Architekten erkannten die Möglichkeit, ihren Entwurf auf den Rest des Komplexes auszuweiten. Íñigo Palazón, Partner bei DIIR, erinnert sich: „Sie baten uns, die Zugänglichkeit des Obergeschosses zu verbessern, aber wir dachten: Warum nicht als Ganzes etwas Interessanteres daraus machen?”
Die Herausforderung bestand darin, die Monotonie des langgestreckten Grundrisses aufzulockern, ohne das historische Gebäude seines Wesens zu berauben. Augenfälligste Neuerung ist ein halbrunder Ergänzungsbau im hinteren Bereich, der die Fragmente wie ein Scharnier verbindet. In ihm ist die neue Erschließung verortet. Vor dem Umbau lag das Treppenhaus hinter der Hauptfassade. „Unser erster Versuch bestand darin, den Kern mit Treppe und Aufzug in der Mitte zu platzieren. Dann haben wir uns die Köpfe mit 3D-Entwürfen zerbrochen“, sagt Palazón. Schließlich fand das Dreierteam die Lösung in einem halbzylindrischen Element. An der Rückseite platziert, erzeugt es Spannung mit der Mauer an der Grundstücksgrenze; die gewölbte, tiefrote Ziegelwand berührt fast den geputzten Bestand. Der neue Kern steht da wie ein hübscher, aber scheuer Gast, der sich entschieden hat, da Platz zu nehmen, wo er am wenigsten auffällt – „Entschuldigung, ich wollte nicht stören.“
Während die Stadtverwaltung in der Verlagerung der Treppe hauptsächlich die Chance sah, den Lärm von der Hauptfassade fernzuhalten und die Präsenz des Gebäudes zu erhöhen, erkannten die Architekten auch, dass der Kniff der Vielseitigkeit des Raums zugutekommt. Der neue Teil schafft im rückwärtigen Garten zwei separate Bereiche, die jeweils mit dem Innenraum verbunden werden können und so eine neue Nutzungsvielfalt bieten.
Ähnlich war es im Obergeschoss, wo der alte Zugang über einen schwach beleuchteten Korridor führte, von dem die Räume erschlossen wurden. Nun liegen auf der einen Seite die Gruppenarbeitsräume, auf der anderen Leseecken und individuelle Arbeitsbereiche. Davor ist – hinter einer blinden Wand – ein Lese- und Besprechungsbereich mit Blick auf die Landschaft der Sierra eingefügt. Diese drei Teile gehen ohne wesentliche Unterteilung ineinander über.
In diesem verbindenden Sinn wurde auch der übrige Innenausbau des Ensembles gestaltet. Die Holzdetails, die in allen Räumen zu finden sind – in den Wandverkleidungen, den Holzbauelementen oder der kleinen Galerie im Korridor – finden sich auch in der Casa de la Cultura. Der durchgehende Linoleumboden sorgt für eine Einheitlichkeit aller Räumen; der Wechsel zu einem rötlichen Farbton im Flurbereich – analog zum Mauerwerk des Erschließungskerns – und schließlich die Präsenz der Decke durch die Freilegung der kleinen Deckengewölbe: All dies trägt dazu bei, die verschiedenen Räume zu vereinen.
Bei der Bibliothek Los Molinos handelt es sich um einen kleinen Raum, in dem Estudio DIIR die ihm zur Verfügung stehenden Mittel effektiv genutzt hat, um einer unscheinbaren Interven­tion schmucken Auftritt zu verleihen. Die Architekten inszenierten die Besonderheiten des Raumes – die Kappendecke und die Länge des Grundrisses – geschickt. Die für die Casa de la Cultura entwickelte Architektursprache ermöglichte eine kohärente Renovierung der kompletten Anlage.
Zuletzt sei unterstrichen, wie erfrischend es ist, dass die Stadtverwaltung von Los Molinos aus 78 Teilnehmenden ein Architekturbüro beauftragte, das sich erst im Jahr des Wettbewerbs gegründet hatte. Man suchte gar nach Möglichkeiten für die jungen Architekten, ihre Arbeit weiterzuentwickeln. Der Einsatz zahlte sich mit einer raffinierten Lösung aus, die sich aus Freude am Entdecken und Variieren speist.
Aus dem Spanischen von Beate Staib



Fakten
Architekten Estudio DIIR, Madrid
Adresse C. Real, 8, 28460 Los Molinos, Madrid, Spanien


aus Bauwelt 9.2025
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