Bauwelt

Kirchenzentrum in Poing


Das Seliger Pater Rupert Mayer Kirchenzentrum von meck architekten erhält den BDA-Preis Große Nike 2019


Text: Matzig, Katharina, München


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    Die Kirche soll einen kleinen Park, ein Wohngebiet, das Bürgerhaus und den geplanten Rathausstandort zur neuen Ortsmitte von Poing verbinden.
    Foto: Florian Holzherr

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    Die Kirche soll einen kleinen Park, ein Wohngebiet, das Bürgerhaus und den geplanten Rathausstandort zur neuen Ortsmitte von Poing verbinden.

    Foto: Florian Holzherr

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    Dach- und Wandflächen wurden mit 15.000 Keramikkacheln verkleidet
    Foto: Michael Heinrich

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    Dach- und Wandflächen wurden mit 15.000 Keramikkacheln verkleidet

    Foto: Michael Heinrich

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    Blick an die Decke des Kircheninnenraums mit seinen – entsprechend der Drei­faltigkeit – drei Öffnungen
    Foto: Michael Heinrich

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    Blick an die Decke des Kircheninnenraums mit seinen – entsprechend der Drei­faltigkeit – drei Öffnungen

    Foto: Michael Heinrich

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Die Zeiten könnten besser sein für die beiden großen christlichen Kirchen: In den zehn bevölkerungsreichsten deutschen Städten ist die Zahl der Kirchenaustritte 2018 um 17 Prozent gestiegen, in München sind 13.879 Menschen ausgetreten. Im Speckgürtel der Landeshauptstadt sieht das anders aus: Die Gemeinde Poing, gut 20 Kilometer nordöstlich im Landkreis Ebersberg gelegen, hat in den letzten 25 Jahren nicht nur ihre Einwohnerzahl auf knapp 17.000 Bürger verdoppelt, sondern brauchte auch einen neuen Ort für die hohe Zahl an katholischen Gläubigen. 2008 bereits beschloss das Erzbistum München und Freising daher den Neubau einer Pfarrkirche, einer von nur zwei in den letzten zehn Jahren. Als sichtbares Zeichen für die Präsenz der Christen in der Gesellschaft sollte sie städtebaulich einerseits das nördlich gelegene Neubauwohngebiet mit seiner 2001 entstandenen evangelischen Kirche, das in einen kleinen Park samt See mündet, abschließen. Andererseits – Richtung Süden – dieses Gebiet mit dem gegenüberliegenden Bürgerhaus und geplanten Rathaus­stand­ort verbinden und so eine neue Ortsmitte ausbilden.
Passend – wenn auch ebenso ungewöhnlich – wurde als Patron der Kirche der Jesuit Rupert May­er gewählt. Der 1987 von Papst Johannes Paul II. im Olympiastadion in München selig gesprochene Pater war ab 1912 Seelsorger für die Zuwanderer in München. Er ging für seinen Glauben ins KZ Sachsenhausen, lebte bis Kriegsende in Ettal in Isolation und starb im November 1945 während einer Predigt. 2002 entstand als westlicher Abschluss des Grundstücks und als erster Baustein des Seliger Pater Rupert Mayer-Kirchenzentrums das Pfarrheim nach Plänen von Lanz Architekten. Den Wettbewerb für den Kirchenneubau entschied 2011 das Münchner Architekturbüro von Professor Andreas Meck und Axel Frühauf für sich. Im Juni 2018 wurde die Kirche durch Erzbischof Reinhard Kardinal Marx geweiht: ein Glücksfall für die Gemeinde, den Ort, die Baukultur.
Fast mutet es ein wenig amüsant an, dass Andreas Meck an einem strahlend sonnigen Tag bei der Führung durch den außen tatsächlich gleißend strahlenden Kirchenbau auf Bruno Tauts Thesen von der Stadtkrone hinweist. Schließlich war auf dem Fries des als „Glashaus“ berühmt gewordenen Pavillons der Deutschen Glasindustrie auf der Kölner Werkbundausstellung 1914 folgender Satz des Dichters Paul Scheerbart zu lesen: „Das Glas bringt uns die neue Zeit, Backsteinkultur tut uns nur leid“.
Doch selbstverständlich kannte Scheerbart die Sakralbauten aus dem Büro meck architekten nicht: die mit Torfbrandklinkern verkleidete Kirche Sankt Nikolaus in Neuried, oder das geziegelte Dominikuszentrum im Norden Münchens. Ebenso wenig wie die aus Eiche, Beton und Naturstein gefügte Aussegnungshalle in München-Riem oder das mit Weidengeflecht gestaltete Pfarrheim in Thalmässing. Jeder Ort und jede Aufgabe, so Andreas Meck, fordert eine spezifische Reaktion. Und das hieß für die neue Kirche in Poing: einen Kristall als städtebaulichen Schlussstein, der je nach Lichtstimmung zum beinahe entma­terialisierten Mittler zwischen Himmel und Erde wird.
Standfestigkeit gibt der kristallinen Stadtkrone der Sockel aus gemauerten, zehn Zentimeter dicken Nagelfluhplatten. Auch der sich zwischen Pfarrhaus, Straße und Kirche aufspannende Platz wurde mit dem Konglomeratsgestein aus der oberbayerischen Schotterebene belegt, das in Bayern passenderweise als Herrgottsbeton bezeichnet wird. Die darauf aufsitzende Krone wurde mit 15.000 quadratischen Keramikkacheln verkleidet, 14.000 identischen Regelelemente, 1000 Sonderkacheln. 8500 der glänzend weißen Miniaturreliefs wurden an den Wänden montiert, 6500 auf den Dachflächen. Die Zustimmung erfolgte im Einzelfall. Im kleinen Maßstab wiederholen sie die räumliche Faltung des Kirchendachs, die dem Himmel- und Hölle-Fingerspiel nicht unähnlich ist. Lange wurde getestet, wie die viergeteilte Form ausgebildet werden kann, um die beste Wirkung der Lichtbrechung und die erforderliche Wetterfestigkeit zu erzielen. Im Maßstab 1:50 erprobte das Büro die Gestaltung des Kircheninnenraums, – und An­dreas Meck muss lächeln, wenn er sich erinnert, wie die Mitglieder des Kirchenvorstands und der Gemeinde äußerst skeptisch unter das aufgebockte Modell krochen, um Raum- und Lichtwirkung zu testen.
Doch offenbar ließ sich schon im kleinen Maßstab erahnen, wie intensiv und faszinierend die Wirkung des Kirchenraums werden würde. Der Grundriss basiert auf einem Quadrat von 28,60 auf 28,60 Metern und wird getragen – im statischen wie im übertragenen Sinn – von einem stählernen Raumkreuz. Der Dreifaltigkeit entsprechend fällt Licht aus drei Öffnungen auf die liturgischen Orte. Zenitallicht erhellt den von Ulrich Rückriem aus archaisch-massivem, grau-grünem Anröchter Stein gestalteten Altar, Ambo und Tabernakel. Es wird ebenso wie die Lichtöffnung für das Morgenlicht – hinter der aus finanziellen Gründen noch nicht errichteten Orgel – durch eine Diffusorfolie gemildert. Sie lässt den matten, weißen Kalkanstrich der Wände und Decke auf den unterschiedlich geneigten Flächen in Weiß- und Grautönen schimmern.
Ein weiterer Ausschnitt in der Wand hinter dem ebenfalls von Ulrich Rückriem gearbeiteten Taufbecken öffnet den Blick auf den See. Das aus Klarglas gefertigte Fenster gestattet Ein- und Ausblicke und hält auch in diesem Punkt das Versprechen der Kirche, das Hoffnung für die Zukunft sein kann: Menschen verbinden. Eindrücklich und bewegend. Und dabei einladend und transparent.



Fakten
Architekten meck architekten, München
Adresse 85586 Poing


aus Bauwelt 11.2019
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