Wie umgehen mit Populisten?
Populismus lässt auch den Arbeitsalltag in Planungsberufen nicht unberührt. Auf die Frage, wie in der Praxis mit dem globalen Trend umzugehen sei, antwortet eine Studie mit fünf Strategien. Wesentlich ist zu wissen, welcher Planungstyp man ist: technokratisch, kommunikativ oder radikaldemokratisch?
Text: Thiele, Pia, Berlin; Leibenath, Markus, Kassel
Wie umgehen mit Populisten?
Populismus lässt auch den Arbeitsalltag in Planungsberufen nicht unberührt. Auf die Frage, wie in der Praxis mit dem globalen Trend umzugehen sei, antwortet eine Studie mit fünf Strategien. Wesentlich ist zu wissen, welcher Planungstyp man ist: technokratisch, kommunikativ oder radikaldemokratisch?
Text: Thiele, Pia, Berlin; Leibenath, Markus, Kassel
Weltweit wachsen populistische Bewegungen – und mit ihnen die Herausforderung für die Raumplanung. Von den MAGA-Anhängern in den USA über die AfD in Deutschland bis hin zu Podemos in Spanien: Populistische Bewegungen fordern bestehende Planungsstrukturen heraus, stellen wissenschaftliche Erkenntnisse infrage und betonen einfache Lösungen für komplexe Probleme. Auch wenn ihre politisch-ideologische Ausrichtung unterschiedlich ausfallen kann, vereinen die Populisten drei Merkmale. Erstens: Populisten suggerieren eine Spaltung der Gesellschaft in Volk und Elite und leiten daraus eine Repräsentationslücke zwischen Regierenden und Regierten ab. Zweitens: Sie wenden eine Mobilisierungslogik an, der zufolge „möglichst breite Bevölkerungssektoren als ‚das Volk‘ gegen eine ‚Elite‘ mobilisiert werden“ sollten, wie es der Wiener Soziologe Oliver Marchart formuliert. Und drittens: Populisten behaupten, die Interessen des vermeintlich wahren, homogenen Volkes zu vertreten, was eine antipluralistische Haltung zur Folge hat. Die Konsequenzen für die räumliche Planung lassen sich an etlichen Beispielen der letzten Jahre ablesen. Wenn die AfD, die inzwischen in vielen planerischen Gremien von Kommunen und Ländern vertreten ist, den Ausbau erneuerbarer Energien blockieren oder wissenschaftlich fundierte Klimamaßnahmen ablehnen will; wenn wie im kanadischen Toronto der rechtspopulistische Bürgermeister Rob Ford das Budget für den öffentlichen Nahverkehr kürzt und den motorisierten Individualverkehr aufwertet; oder wenn wie in Großbritannien der mit populistischen Kampagnen begleitete Brexit dafür sorgt, dass EU-Förderprogramme für die Stadtentwicklung abrupt wegfallen.
Welcher Planungstyp sind Sie?
Wie sollte in der Planung mit populistischen Bewegungen umgegangen werden? Um Antworten darauf zu finden, lohnt ein Blick auf drei verschiedene demokratietheoretische Ansätze und deren Anwendung auf den Planungskontext: elitenorientierte, deliberative und radikaldemokratische Theorien. Sie helfen Handlungsoptionen zu finden – je nach dem Demokratieverständnis einer Planerin oder eines Planers.
Elitär-technokratisch orientierte Theorien – wie die des 1950 verstorbenen Ökonomen Joseph Schumpeter – sehen Planung grundsätzlich als Expertenaufgabe. Populismus gilt hier als destruktiv, weil er wissenschaftliche Fakten ignoriert und Entscheidungsprozesse erschwert; Bürger dienen im besten Fall als Informanten, die Kontextinformationen zur Verfügung stellen. Auch die Politik mit ihren schwerfälligen Aushandlungsprozessen steht einer schnellen, technokratischen Planungsgewalt häufig im Weg. Anderseits könnte es zu einem Schulterschluss zwischen Populisten und elitär-orientierten Planern kommen. Denn beide denken und handeln apolitisch: Während Populisten den Anspruch erheben, zu wissen, was das „wahre“ Gemeinwohl sei, neigen Experten aufgrund ihrer fachlichen Ausbildung ebenfalls dazu, für sich zu beanspruchen, „bessere“ Entscheidungen treffen zu können. Populisten und Technokraten tun sich gleichermaßen schwer mit Kritik, Meinungsvielfalt und Opposition. Beide sind nicht an einer demokratischen Diskussionskultur interessiert.
Deliberativ-kommunikative Theorien, wie von Jürgen Habermas vertreten, setzen hingegen auf Dialog und Beteiligung. Bürgerinnen und Bürger werden als kommunikativ kompetent und lernbereit eingeschätzt. Ihre politischen Überzeugungen gelten als aufklärungsbedürftig- und fähig. Wesentliches Ziel ist es, durch öffentliche Prozeduren einen gesellschaftlich akzeptierten Konsens zu erreichen. Planung sollte entsprechend allen Stimmen Gehör verschaffen und unterschiedliche Perspektiven zur Geltung bringen, um bedarfsorientierte Planungsergebnisse zu erzielen. Populisten bringen Planer hier in einen Zwiespalt. Einerseits könnten sie als legitime Stimmen der „gewöhnlichen Leute“ wahrgenommen werden – solange sie sich an demokratische Spielregeln halten. Andererseits ist es wahrscheinlich, dass kommunikativ eingestellte Planer populistische Akteure als störend empfinden, sobald sie sich gegen pluralistische Aushandlungsverfahren stemmen. Denn da Populisten vorgeben, das Gemeinwohl zu kennen, ist der Austausch von Argumenten für sie häufig so mühselig wie unnötig.
Radikaldemokratische Theorien, etwa nach der belgischen Politikwissenschaftlerin Chantal Mouffe, betrachten Konflikte als normalen Bestandteil politischer Auseinandersetzungen. Demokratie wird hierbei als ständiger Kampf um Hegemonie zwischen politischen Gegner verstanden, und damit auch der Kampf um die Repräsentation bisher ausgeschlossener Gruppen. Der politische Theoretiker Ernesto Laclau sieht in dem Zusammenhang den Populismus als Normalfall in Demokratien: Jedes politische Projekt müsse populistische Züge aufweisen, um erfolgreich zu sein. Die Ursache für das Erstarken von Rechtspopulismus wiederum liegt für Mouffe im aktuellen, postpolitischen Charakter vieler liberalen Demokratien. Demokratien würden heute den Menschen wenige effektive Wege der Beteiligung bieten, weshalb rechtspopulistische Slogans attraktiver erscheinen. Die eigentliche Herausforderung ist deshalb, ein System zu repolitisieren, das als de-politisiert oder zu technokratisch wahrgenommen wird. Auf die Weise kann Populismus Planungsdebatten beleben, indem er bisherige Prinzipien der Beteiligung und bestehende Machtverhältnisse hinterfragt und marginalisierte Gruppen einbindet. Grundlegend erschweren populistische Bewegungen häufig die Umsetzung langfristiger, nachhaltiger Projekte, indem sie kurzfristige Interessen betonen oder mit bewusst vereinfachten Erklärungen gegen Planungsvorhaben arbeiten. Planerinnen und Planer stehen vor der Herausforderung, diese Dynamiken zu erkennen und Wege zu finden, um ihre Projekte demokratisch legitimiert durchzusetzen. Aus den genannten theoretischen Überlegungen ergeben sich fünf mögliche Strategien, mit denen je nach Grundausrichtung der Planung auf populistische Akteure reagiert werden kann.
Optionen: Ignorieren bis Profitieren
Die erste Option – ,ignorieren‘ – läuft darauf hinaus, dass in den Planungsbehörden einfach keine Notiz genommen wird von populistischen Bestrebungen. Kommunikativ orientierten Planern steht diese Option nicht zur Verfügung, weil sie den Anspruch haben, jeden Akteur und jede gesellschaftliche Gruppe gleichermaßen zu Wort kommen zu lassen. Technokratisch eingestellte Akteure können diese Option jedoch verfolgen, indem sie populistische Vorstöße als offensichtlich unbegründet, weil unwissenschaftlich zurückweisen. Ähnlich könnten auch radikaldemokratisch orientierte Planer verfahren, wobei andere Optionen für sie naheliegender sein dürften. Doch wenn Populisten insgesamt politisch an Einfluss gewinnen, kann die Ignoranz-Strategie riskant sein, da sich populistische Akteure als Opfer einer vermeintlichen „Elite-Verschwörung“ stilisieren und dadurch noch mehr Unterstützung erhalten könnten.
Die Option ,argumentieren‘ bedeutet, dass sich Planer mit Populisten auseinandersetzen – sei es unter inhaltlichen oder unter verfahrensbezogenen Gesichtspunkten. Populistische Positionen mit Fakten zu konfrontieren, kann eine Herausforderung sein, da populistische Akteure oft auf Emotionen setzen. Wichtig ist eine verständliche und bürgernahe Kommunikation, um Falschinformationen zu entkräften. Zusätzlich kann es hilfreich sein, wissenschaftliche Erkenntnisse so aufzubereiten, dass sie für eine breite Öffentlichkeit verständlich sind. Weil Populisten demokratisch-pluralistischen Entscheidungsprozessen oft skeptisch gegenüberstehen, dürften sich gerade kommunikativ orientierte Planer gezwungen sehen, mit Populisten über prozessuale Fragen zu argumentieren. Technokratisch eingestellte Planer würden, wenn überhaupt, eher über inhaltliche Aspektewie etwa die Qualität der verwendeten wissenschaftlichen Daten diskutieren. Weil radikaldemokratische Planer eine positive Einstellung zu Konflikten haben, würden sie sich am ehesten bereitwillig in inhaltliche oder auch verfahrensbezogene Wortgefechte mit Populisten stürzen.
,Integrieren‘ und ,exkludieren‘ sind zwei Optionen, die sich auf die Mitwirkung von Bürgern an planerischen Entscheidungsverfahren beziehen. Besonders in partizipativen Verfahren kann es sinnvoll sein, vielfältige Stimmen einzubinden, um sicherzustellen, dass nicht nur eine lautstarke Minderheit den Diskurs bestimmt. Bürgerbeteiligung, die über das bloße Informieren hinausgeht, hat im Weltbild technokratisch-elitär orientierter Planer keinen Platz; daher sind diese beiden Optionen für sie nicht relevant. Für kommunikativ orientierte Planer ist es selbstverständlich, auch Populisten in den Diskussions- und Deliberationsprozess einzubinden. Dies gilt allerdings nur so lange, wie Populisten nicht das Mitspracherecht anderer in Frage stellen oder sich den Prinzipien eines herrschaftsfreien Diskurses widersetzen. Sollten Populisten diese Regeln missachten, müssten kommunikative Planer die Populisten ausschließen und als illegitime Sprecher brandmarken. Dies gilt weitgehend auch für radikaldemokratisch orientierte Planer, wobei hier die Option ,exkludieren‘ nur als allerletztes Mittel in Frage käme, etwa dann, wenn Populisten rassistische oder andere menschenverachtende Positionen verträten.
Schließlich kann es in einigen Fällen sinnvoll sein, von populistischen Forderungen zu ‚profitieren‘. Populismus kann reale Probleme sichtbar machen, etwa mangelnde Bürgerbeteiligung oder intransparente Entscheidungsstrukturen. Planer können dies als Chance nutzen, um Beteiligungsformate zu verbessern und Vertrauen in demokratische Prozesse zu stärken. Vor allem technokratisch orientierte Planer können den Schulterschluss mit Populisten suchen, da sie Pluralismus und Parlamentarismus ebenso distanziert gegenüberstehen. Auch radikaldemokratische Planer können in Populisten Verbündete sehen: Sie teilen das Interesse, den gesellschaftlichen Status Quo zu hinterfragen. Für kommunikative Planer gibt es hingegen hinsichtlich populistischer Tendenzen und Kräfte nichts zu gewinnen. Sie müssten stets fürchten, dass faire, rationale und gemeinwohlorientierte Entscheidungsverfahren von Populisten sabotiert werden.
Diese ersten, knapp formulierten Handlungsempfehlungen bedürfen natürlich einer vertiefenden Empirie. Vor dem Hintergrund der vielen aktuellen gesellschaftlichen Umbrüche ist davon auszugehen, dass sich Konflikte um Planungsvorhaben noch verschärfen werden. Sowohl rechts- als auch linkspopulistische Phänomene könnten an Bedeutung gewinnen – auf Seiten derer, die am Status quo festhalten möchten (z. B. in Teilen der Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung, die am Erhalt von Arbeitsplätzen und Arbeitnehmerrechten interessiert sind), als auch auf Seiten der Befürworter gesellschaftlicher Veränderungen (z. B. Gruppierungen wie Extinction Rebellion). Viele populistische Bewegungen entstehen aus einem Gefühl der politischen Ohnmacht. Wenn Bürger frühzeitig in Planungsprozesse einbezogen werden, lassen sich populistische Strömungen abschwächen. Zudem ist es entscheidend, die demokratischen Institutionen zu stärken, indem Entscheidungstransparenz und Nachvollziehbarkeit gefördert werden. Nur wenn die Bürger wissen und spüren, dass ihre Anliegen ernst genommen werden, kann das Vertrauen in Planungsprozesse langfristig gesichert werden.
Die Studie wurde gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (Projektnummer 401342127). Eine längere Version des Textes erschien zuerst in der Reihe „Raumforschung und Raumordnung“ im MünchnerOekom Fachverlag.
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